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Analysen

Studie zu Rückbau und Stilllegung von Kernkraftwerken

Interview mit Dr. Andreas Langer

Dr. Andreas Langer gibt einen Überblick über den globalen Rückbaumarkt in der Kernenergie und fasst die aktuellen Herausforderungen zusammen.

Hintergrund

Nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima 2011 haben sich die globalen Rahmenbedingungen für Kernenergie fundamental gewandelt. Insbesondere in westlichen Ländern wird die Realisierung von Neubauprojekten zunehmend schwieriger. Stattdessen wird der Rückbau von Kernkraftwerken den Kernenergiesektor auf Jahre hin prägen.

3 Fragen an Dr. Andreas Langer

Herr Dr. Langer, die verbleibenden sieben deutschen Kernkraftwerke müssen spätestens 2022 vom Netz genommen werden und gehen anschließend in den Rückbau über. Wenn es um den globalen Rückbaumarkt für kerntechnische Einrichtungen geht, von welchen Dimensionen sprechen wir dann?

Die meisten Kernkraftwerke sind auf eine technische Lebensdauer von etwa 40 Jahren ausgelegt, einige werden auch 50 Jahre und länger betrieben. Mit zunehmender Betriebsdauer tragen technische Alterungseffekte und ein erhöhter Modernisierungsbedarf dazu bei, dass eine Fortsetzung des Kraftwerksbetriebes unattraktiver wird.

Bis 2040 werden weltweit über 400 kerntechnische Einrichtungen in den Rückbau gehen.

Eine ganze Reihe von Kernkraftwerken wurde in Folge der Ölpreiskrisen der 70er Jahre ans Netz gebracht. Genau diese Generation erreicht in naher Zukunft das Ende ihrer technischen Lebensdauer und geht in den Rückbau über. Nach unserer Einschätzung werden weltweit bis 2040 über 400 kerntechnische Einrichtungen in den Rückbau gehen, davon sind etwa ¾ kommerzielle Kernkraftwerke und rund ¼ Forschungsreaktoren. Diese Rückbauprojekte sind mit immensen Kosten verbunden; die Internationale Energieagentur geht von mindestens 100 Milliarden US-Dollar in den nächsten 20 Jahren aus. Wir erwarten außerdem, dass sich eine Vielzahl neuer Akteure auf dem Markt für den Rückbau kerntechnischer Anlagen positionieren werden.

Decommissioning of Nuclear Facilities

Download Studie (Englisch)

Erste Rückbauprojekte sind bereits gestartet oder abgeschlossen – wie sieht die bisherige Bilanz aus und welche Herausforderungen sind damit verbunden?

Bei den bisherigen Rückbauprojekten sind oftmals vergleichbare Schwierigkeiten zutage getreten, wie sie auch bei anderen Großprojekten nicht selten diskutiert werden, d.h. die ursprüngliche Termin- und Kostenplanung konnte häufig nicht eingehalten werden. Das war bei Projekten in Deutschland nicht anders als z.B. in den USA. Auf diese Erkenntnisse muss verstärkt ein Augenmerk gelegt und aus den gewonnen Erfahrungen gelernt werden.

Fehlende Endlager bedeuten massive Risiken für den zeitnahen und wirtschaftlichen Rückbau. 

Der Rückbau fordert Entscheidungsträger in Politik und Unternehmen gleichermaßen. Für einen effizienten Rückbau brauchen wir eine leistungsfähige Infrastruktur zur Entsorgung radioaktiver Abfälle. Dazu gehört auch ein Endlager für hochradioaktive Abfälle, was derzeit noch in keinem Land der Welt in Betrieb genommen worden ist. Dies beinhaltet massive Risiken für den zeitnahen und wirtschaftlichen Rückbau kerntechnischer Anlagen.

Für die Betreiber wird es entscheidend sein, inwiefern sie in der Lage sind, den Wandel von einer Betriebsorganisation in eine Rückbauorganisation zu vollziehen. Während der Betriebsphase sind Kraftwerksbetreiber auf stabile Prozesse ausgelegt. Im Rückbau müssen sie sich fundamental wandeln zu agilen Projektorganisationen und noch stärker mit den Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden interagieren. In der Praxis erleben wir oft, dass der Unternehmenswandel hin zur Rückbauorganisation oft eine kulturelle und organisatorische Herausforderung für die Betreiber darstellt.

Die Betreiber haben durch ihre langjährige Erfahrung im Betrieb kerntechnischer Anlagen Fachkompetenz und Anlagen-Knowhow aufgebaut. Wo setzen Sie bei ihren Mandanten konkret an?

Ausgangspunkt der Rückbauorganisation ist das Target Operating Model, also die Festlegung, wie Projektleiter und Leiter der Anlage sowie deren Teams zusammenarbeiten bzw. wie Abteilungen mit atomrechtlicher Verantwortung und Projektteams kollaborieren. Sobald das Target Operating Model definiert ist, analysieren wir die Aufbau- und Ablauforganisation unserer Mandanten.

Der Rückbau erfordert eine organisatorische Neuausrichtung der betroffenen Unternehmen.

Da sich ein Betreiber in der Rückbauphase mit teilweise anderen Anforderungen konfrontiert sieht, bedarf es einer organisatorischen Neuausrichtung, welche sich auch in veränderten Prozessen widerspiegelt. Außerdem unterstützen wir unsere Mandanten dabei, die für das Management notwendigen Instrumente im Rückbau zu entwickeln, bspw. das Projekt-Controlling oder die Einkaufs- und Personalplanung.

Die Instrumente passen wir auf die jeweiligen Anforderungen der Anlagen an und helfen somit den Verantwortlichen, Entscheidungen auf einer soliden Datengrundlage zu treffen. Während der gesamten Transformationsphase unterstützen wir unsere Mandanten mit unserer Erfahrung aus mehreren erfolgreich begleiteten Unternehmenstransformationen im kerntechnischen Rückbau.

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