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Mindest-Risikovorsorge für NPL

Im Fokus europäischer Institutionen  

Im Frühjahr 2018 überschlagen sich die Neuigkeiten zu den Risikovorsorge-Backstops für notleidende Kredite bzw. Risikopositionen (NPL bzw. NPE werden synonym verwendet). Den Ausgangspunkt markierte der im Oktober 2017 erschienene Entwurf einer Ergänzung des Leitfadens zu notleidenden Krediten der EZB, gefolgt von einem Konsultationspapier der EU-Kommission einen Monat später.

Im März 2018 wurden europäische Banken nun innerhalb kürzester Zeit mit der Konkretisierung der diskutierten Maßnahmen konfrontiert. Die EZB hat ihre Ergänzung zum NPL-Leitfaden finalisiert und die EU-Kommission diesbezügliche Gesetzesvorschläge veröffentlicht. Obwohl die Masse regulatorischer Publikationen zunächst unübersichtlich wirkt, sind die grundlegenden Merkmale der Maßnahmen von EU-Kommission und EZB kohärent. Die sogenannten Backstops sollen sicherstellen, dass Banken ausreichend Risikovorsorge für NPL bilden, um Abzüge von ihrem harten Kernkapital (CET1) Kapital zu umgehen.

EBA-Report und Maßnahmenpaket der EU-Kommission

Den Anfang der Publikationswelle machte die Europäische Bankenaufsicht (EBA) mit der Veröffentlichung des EBA Report on statutory prudential backstops am 14. März 2018 als Antwort auf den initialen Entwurf der EU-Kommission. Die EBA spricht sich für die Verwendung der vorgeschlagenen aufsichtsrechtlichen Risikovorsorge-Backstops für NPL aus und präsentiert eine detaillierte Zusammenfassung und Analyse der vorgeschlagenen Methodik.

Demnach eignen sich für die Erfüllung der Mindestanforderungen für die Risikovorsorge die folgenden Komponenten:

  1. spezifische Kreditrisikoanpassungen,
  2. zusätzliche Wertberichtigungen gemäß Art. 34 und 110 CRR,
  3. weitere Verringerungen der Eigenmittel,
  4. für Institute, die risikogewichtete Positionsbeträge nach dem auf internen Beurteilungen basierenden Ansatz (IRB-Ansatz) berechnen: negative Beträge resultierend aus der Berechnung der erwarteten Verluste nach Artikel 158 und 159 CRR.

Ist die Summe der genannten Komponenten kleiner als die Mindestdeckungsanforderungen, müssen Banken die Differenz von ihrem harten Kernkapital abziehen.

Die Ermittlung der Mindestdeckungsanforderungen kann den EU-Kommissionsentwürfen und dem EBA-Bericht zufolge entweder nach dem Abzugs-Ansatz (Option 1 Grundszenario ohne Skalierung, Option 2a mit linearer oder Option 2b mit progressiver Skalierung) oder dem Haircut-Ansatz (Option 3) erfolgen. Eine volle Risikovorsorge ist in allen Ansätzen für unbesicherte NPE nach zwei und für besicherte NPE nach sechs bis acht Jahren zu bilden, wobei die volle Risikovorsorge in Option 1 zum entsprechenden Zeitpunkt gänzlich (Klippeneffekte) und in den Optionen 2a/2b stetig steigend bis zur vollen Höhe zu bilden ist. Der Haircut-Ansatz differenziert für besicherte NPE die Mindestdeckungsanforderungen nach Art der Kreditsicherheit (z.B. Finanzsicherheit, Immobiliensicherheit) sowie nach der Anzahl der Jahre in Verzug (vintage). Zusätzlich zu einem anfänglichen Haircut-Level werden für jedes Jahr in Verzug weitere Haircut-Levels addiert bis nach sechs bis acht Jahren die volle Risikovorsorge erreicht ist.

Ebenfalls am 14. März publizierte die EU-Kommission ein vierteiliges Maßnahmenpaket zum Abbau der NPL im Bankensektor u.a. mit der Veröffentlichung des Entwurfs für CRR-Änderungen zur Einführung der oben erläuterten Risikovorsorge-Backstops.

Die konkreten Änderungsvorschläge sind im Einklang mit der im Konsultationspapier definierten und von der EBA in ihrem Bericht aufbereiteten Funktionsweise von Risikovorsorge-Backstops und sollen für nach dem 14. März 2018 neu begebene oder nachträglich risikopositionserhöhend geänderte Kredite gelten. Ausgehend von den Ergebnissen der Auswirkungsstudie hat sich der Abzugs-Ansatz mit progressiver Skalierung (Option 2b) als vorteilhafte Ermittlungsform für die Mindestdeckungsanforderungen herausgestellt. Im Vergleich zum Grundszenario ohne Skalierung (Option 1) entstehen keine Klippeneffekte. Auch ermöglicht die progressive Skalierung es den Banken besser, während der ersten fünf Jahre ihre Kreditsicherheiten durchzusetzen oder die Kredite zu gesunden im Vergleich zu einer linearen Skalierung (Option 2a). Verglichen mit dem Haircut-Ansatz (Option 3) ist der nun präferierte Ansatz weniger komplex und operational aufwendig anzusehen. Der neu in die CRR eingeführte Artikel 47c konkretisiert die Berechnung des Abzugsbetrags vom harten Kernkapital durch Gegenüberstellung der Mindestdeckungsanforderungen (unter Auflistung der für unbesicherte und besicherte Teile der NPE jeweils anzuwendenden Multiplikationsfaktoren) und der für die Erfüllung der Risikovorsorge zur Verfügung stehenden Komponenten.

Des Weiteren wird die EBA in Artikel 47c CRR-E ermächtigt, Marktpraktiken für besicherte NPE zu untersuchen und Leitlinien zur Spezifizierung einer allgemeinen Methodik für die aufsichtliche Bemessung zugelassener Kreditbesicherungen mit und ohne Sicherheitsleistungen, insb. in Hinsicht auf Annahmen zu ihrer Wiedergesundung und Verwertbarkeit, zu veröffentlichen. 

Finale Ergänzung des NPL-Leitfadens der EZB

Am 15. März veröffentlichte die EZB ihre finale Ergänzung zum NPL-Leitfaden, um zum einen die Erwartungen der EZB an die Höhe der Risikovorsorge der Banken zu formulieren und zum anderen eine Basis für den Dialog zwischen Banken und den Joint Supervisory Teams (JST) zu schaffen. Die Regelungen beziehen sich auf nach dem 1. April 2018 neu klassifizierte NPL gemäß EBA Definition. Für die quantitativen Anforderungen an die Risikovorsorge definiert die EZB jährliche NPE-Zeitspannen (vintage), differenziert zwischen teilweise oder vollständig besicherten und unbesicherten Risikopositionen und berücksichtigt Immobiliensicherheiten sowie andere anerkennungsfähige Sicherheiten und Kreditrisikominderungen nach Teil 3, Titel II, Kapitel 3 und 4 der CRR.

Ähnlich zu den Vorschlägen der EU-Kommission ist eine volle Risikovorsorge für unbesicherte NPE nach zwei und für besicherte NPE nach sieben Jahren zu bilden. Für besicherte NPE ist ab dem dritten Jahr die Bildung einer linear steigenden Risikovorsorge vorgesehen, so dass Klippeneffekte vermieden werden.  

Die Vorgaben aus der EZB-Ergänzung zum NPL-Leitfaden richten sich an signifikante und direkt von der EZB beaufsichtigte Institute. Sie haben zwar keinen gesetzgebenden Charakter, eine Nichteinhaltung kann jedoch im SREP-Prozess (Säule 2) sanktioniert werden. Die vorgeschlagenen CRR-Änderungen (Säule 1) hingegen sind nach ihrem Inkrafttreten für alle in der EU tätigen Institute rechtsbindend und könnten der Einführung von Mindestanforderungen für die Risikovorsorge für NPL Nachdruck verleihen. Ob die parallelen Initiativen der verschiedenen Institutionen zielführend sind, bleibt fraglich - im Detail abweichende Vorgaben könnten ggf. Unsicherheit im Markt hervorrufen.

Sicher ist hingegen, dass die Umsetzung der neuen Vorgaben aufwendige Implementierungsmaßnahmen erfordert. Die neuen Anforderungen könnten besonders Banken mit erhöhten NPL-Quoten vor große Herausforderungen stellen. Für Institute, denen durch diese Maßnahmen hohe Kosten der Risikovorsorge bevorstehen, fördert die EU-Kommission die Entwicklung des Sekundärmarktes für NPL im Kontext ihres vierteiligen Maßnahmenpaketes (vgl. den Entwurf einer Richtlinie für Kreditdienstleister, Kreditkäufer und die Beschleunigung der außergerichtlichen Sicherheitenverwertung).

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