Krankenversicherung im Wandel

Geschäftsmodell im Wandel

Verschiedene Veränderungstreiber im Geschäftsumfeld der Krankenversicherer beeinflussen deren Geschäftsmodell nachhaltig: 

• Medizinische Innovationen wie Entwicklungen in der Medizinforschung und hochwertigere Behandlungsmethoden verbessern die medizinische Versorgung, erhöhen gleichzeitig allerdings auch die Leistungsausgaben.
• Technologische Innovationen bieten neue Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung von Prozessen und Ausweitung von Service- und Produktangeboten mit digitalen Komponenten, erfordern jedoch auch eine digitale Neuausrichtung der Organisation der Krankenversicherer.
• Regulatorische Vorgaben wie die Datenschutzgrundverordnung oder die Insurance Distribution Directive (IDD) erfordern eine ständige Überprüfung und Anpassung von Prozessen, Services und Produkten. Der niedrig bleibende Zinssatz erhöht den Kostendruck zusätzlich vor allem auf die private Krankenversicherung (PKV) und lässt die Versicherungsbeiträge weiter steigen.
• Wettbewerbsentwicklungen wie der Markteintritt neuer digitaler und stark kundenfokussierter Wettbewerber steigert die Konkurrenz mit den klassischen Krankenversicherern vor allem um die wichtige Zielgruppe junger und gesunder Kunden.
• Gesellschaftliche Veränderungen wie der demografische Wandel oder die Zunahme von lebensstilbedingten Erkrankungen bilden grundsätzliche Herausforderungen für das Gesundheitssystem.
• Veränderte Kundenerwartungen hin zu kundenspezifischen, individuellen Angeboten mit hochwertigem Service und effizienten, zeitoptimierten Prozessen erfordern von den Krankenversicherern ein Überdenken ihrer Services, Produkte und Kostenstruktur.

Krankenversicherer stehen vor der Herausforderung, sich in diesem bewegten Geschäftsumfeld neu zu positionieren. Dabei sind eine klar definierte Zielposition und Positionierungsstrategie sowie darauf abgestimmte Maßnahmen essentiell, um einen langfristigen Wettbewerbsvorteil aufzubauen. 

Marktveränderungen als Motor des Wandels

Bevor ein Krankenversicherer Zielposition, Positionierungsstrategie und konkrete Ansatzpunkte für Handlungsmaßnahmen definieren kann, ist es wichtig, ein genaues Verständnis für die Veränderungstreiber im Geschäftsumfeld zu entwickeln. Zwei Bespiele für derartige Veränderungstreiber sind veränderte Kundenerwartungen und digitale Gesundheitsangebote:  

Veränderte Kundenerwartungen: Der digitale Wandel der vergangenen 20 Jahre hat das Kundenverhalten und die Kundenerwartung in allen Lebensbereichen nachhaltig verändert – auch im Krankenversicherungsumfeld. Die Erwartungen an die Krankenversicherer hinsichtlich Produkten und Services werden anspruchsvoller und vielfältiger: individuelle Angebote, exzellenter Service und ständige Erreichbarkeit, schnelle Prozesse, hohe Qualität und Sicherheitsstandards für Gesundheitsdaten werden verstärkt nachgefragt. 

Digitale Gesundheitsangebote: Durch die Digitalisierung und technische Innovationen hat sich in den vergangenen Jahren ein neuer und schnell wachsender Markt für digitale Gesundheitsprodukte und Services entwickelt. Das Angebot umfasst Internetanwendungen, Smartphone-Applikationen, Wearables und Sensoren. Diese können zur zielgruppengerechten Kommunikation und Information, zur Prävention und Behandlung von Krankheiten sowie zur Organisation und Verwaltung eingesetzt werden. Die Integration von digitalen Gesundheitsangeboten bietet Potenziale für den Krankenversicherer, seine Produkte, Services und sein Geschäftsmodell zu überdenken und neu ausrichten, um die aktuellen Kundenerwartungen zu erfüllen.

Die Kundenperspektive – eine Methode als Kompass für den Wandel

Eine Analyse der Kundenperspektive zu digitalen Gesundheitsangeboten bietet Ansatzpunkte für eine Neupositionierung des Geschäftsmodells der Krankenversicherer. Viele digitale Gesundheitsangebote adressieren die Serviceerwartung der Krankenversicherungskunden. Aber wie identifiziert ein Versicherer die genau für seine Kunden passenden, digitalen Gesundheitsangebote, mit denen er sein Serviceangebot zielgerichtet erweitern, sich langfristig strategisch in der Wettbewerbslandschaft positionieren und differenzieren kann? Eine Methode dazu ist, eine Analyse aus Kundenperspektive durchzuführen - mit Hilfe von sogenannten Personas. 

Basierend auf der detaillierten Beschreibung von Personas sowie ihrer Charakteristika, Wünsche und Bedürfnisse, ist der Krankenversicherer in der Lage ein tiefes Verständnis der verschiedenen Kundentypen zu entwickeln und spezifische Angebot an digitalen Gesundheitsangeboten mit einer zu erwartenden hohen Akzeptanz für jede individuelle Kundengruppe zu erarbeiten. Die Erkenntnisse über die verschiedenen Kundengruppen und deren Bedarfe hinsichtlich digitaler Gesundheitsangebote sind ein Kompass für die Neupositionierung des Geschäftsmodells des Krankenversicherers. Bei der konkreten Ausgestaltung der Prozesse, Services und Produkte mit digitalen Gesundheitsangeboten ist es wichtig, die Ergebnisse aus der Analyse der Kundenperspektive zu berücksichtigen, um auf die Bedarfe einzugehen und eventuellen Nutzungsbarrieren entgegenzuwirken.

Das stark regulierte Umfeld im deutschen Krankenversicherungsmarkt lässt keinen rasanten und disruptiven Wandel dieses Bereichs erwarten. Dennoch zeigt der Markteintritt erster digitaler und kundenfokussierter Krankenversicherer und Gesundheitsdienstleister, dass sich auch traditionelle Krankenversicherungen mit den veränderten Marktgegebenheiten offen auseinandersetzen und ihre Versicherungsservices und -produkte an den veränderten Kundenerwartungen ausrichten sollten, um mit innovativen Lösungsansätzen ihre langfristige Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.