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Liquiditätsrisikomanagement von Investmentfonds
Einsatz der Liquiditätsmanagementinstrumente “Swing Pricing”, “Redemption Gates” und “Rücknahmefristen” für deutsche Fonds erlaubt
Die Regulierung zu Liquiditätsrisikomanagement von Investmentfonds nimmt Fahrt auf. Nachdem die ESMA im September 2019 ihre Leitlinien für Liquiditätsstresstests von OGAW und AIF veröffentlicht hat, hat der Deutsche Bundestag am 13. Februar 2020 ein Gesetz beschlossen, das durch Anpassungen im KAGB den Einsatz neuer Liquiditätsmanagementinstrumente – nämlich Swing Pricing (Preisanpassungen bei einem Netto-Überschuss an Anteilscheinausgaben oder -rücknahmen), Rücknahmefristen und Redemption Gates (Rücknahmebeschränkungen) – ermöglicht, die bei offenen Investmentfonds eingesetzt werden können.
Zusammenfassung
Vor dem Hintergrund internationaler Regulierungsbestrebungen werden Asset-Manager weltweit das Liquiditätsrisikomanagement von Fonds nicht länger vernachlässigen können. Die entsprechenden treibenden Kräfte hinter der neuen Regulierungsoffensive haben das Ziel, den Anlegerschutz zu stärken, einen fairen und effizienten Finanzmarkt sicherzustellen sowie systemische Risiken zu reduzieren. Basierend auf Empfehlungen des ESRB hat die ESMA im September 2019 ihre finalen Leitlinien für Liquiditätsstresstests von OGAWs und AIFs veröffentlicht, die die bestehenden Regelungen für das Liquiditätsrisikomanagement ergänzen und konkretisieren. Am 13. Februar 2020 hat der Deutsche Bundestag ein Gesetz beschlossen, das durch Anpassungen im KAGB den Einsatz neuer Liquiditätsmanagementinstrumente – nämlich Swing Pricing (Preisanpassungen bei einem Netto-Überschuss an Anteilsscheinausgaben oder -rücknahmen), Rücknahmefristen und Redemption Gates (Rücknahmebeschränkungen) – ermöglicht, die bei offenen Investmentfonds eingesetzt werden können. Damit werden den Kapitalverwaltungsgesellschaften moderne Instrumente zur Anlegergleichbehandlung und Liquiditätssteuerung an die Hand gegeben und das Investmentrecht in Deutschland an internationale Standards angepasst. Insbesondere Swing Pricing dürfte ein interessantes Instrument für den deutschen Markt sein. Beispielsweise in Luxemburg hat es sich bereits seit Jahren am Markt etabliert. Nach einer von Deloitte durchgeführten Marktstudie der Jahresabschlüsse der 100 größten luxemburgischen Fonds mit Geschäftsjahresende in 2018 wenden rund 50 Prozent derselben Swing Pricing an. Weitere Regulierungen im Bereich Liquiditätsrisikomanagement sind „in der Pipeline“. Kapitalverwaltungsgesellschaften sollten die Verpflichtungen, aber auch die Möglichkeiten, die sich durch die neuen Vorgaben ergeben, frühzeitig analysieren.
Wesentlicher Inhalt der ESMA Leitlinien
Die Leitlinien richten sich an Kapitalverwaltungsgesellschaften, Verwahrstellen und nationale Aufsichtsbehörden und gelten für alle Investmentfonds (OGAWs und AIFs) mit Ausnahme von geschlossenen Fonds, welche keinen Leverage einsetzen. Für Geldmarktfonds sind die Leitlinien auf einzelne Prinzipien beschränkt, wobei im Falle des Widerspruchs die spezifischen Vorgaben für Geldmarktfonds vorgehen.
Die Leitlinien umfassen 16 Grundsätze, nach denen KVGen die Liquiditäts-Stresstestes (LST) durchführen sollen. Für die Verwahrstellen sehen die Leitlinien vor, dass diese angemessene Verfahren einrichten, um zu überprüfen, ob die Kapitalverwaltungsgesellschaft dokumentierte Verfahren für ihr Liquiditätsmanagement vorhält. Dies umfasst nicht eine Prüfung, ob die Liquiditätsstresstests angemessen sind.
Die Regelungen sind prinzipienbasiert ausgestaltet, um der Heterogenität der einzelnen Fondsstrukturen Rechnung zu tragen. Des Weiteren betont die ESMA das „Proportionalitätsprinzip“, d.h., die Anforderungen der Aufsicht sind von Größe sowie Art und Umfang der Geschäftstätigkeit einer Kapitalverwaltungsgesellschaft abhängig. Die Leitlinien sind bis zum 30. September 2020 umzusetzen.
Neue Liquiditätsmanagementinstrumente
Der Deutsche Bundestag hat am 13. Februar 2020 das Gesetz zur „Einführung von Sondervorschriften für die Sanierung und Abwicklung von zentralen Gegenparteien und zur Anpassung des Wertpapierhandelsgesetzes an die Unterrichtungs- und Nachweispflichten nach den Artikeln 4a und 10 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012“ beschlossen. In diesem Zuge wurde auch das KAGB geändert und es wurden zusätzliche Instrumente zur Liquiditätssteuerung von Investmentfonds erlaubt. Diese Instrumente sind:
- Swing Pricing (Preisanpassungen bei einem Netto-Überschuss an Anteilscheinausgaben oder -rücknahmen)
- Rücknahmefristen und
- Redemption Gates (Rücknahmebeschränkungen)
Kapitalverwaltungsgesellschaften können die neuen Liquiditätsinstrumente einsetzen nachdem das Gesetz im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde (Inkrafttreten), womit bis April 2020 zu rechnen ist.
Swing Pricing
Swing Pricing ist eine Methode zur Milderung von Verwässerungseffekten durch Anteilscheinausgaben und –rücknahmen. Im Falle eines Netto-Überschusses an Rückgabe- oder Ausgabeverlangen von Anteilen oder Aktien muss der Portfoliomanager Finanzinstrumente am Markt kaufen bzw. verkaufen. Insbesondere in weniger liquiden Märken entstehen durch diese Flexibilität hohe Transaktionskosten, die normalerweise dem vorhandenen Fondsvermögen belastet würden und somit den Wert für bereits investierte Anleger verwässern. Ziel von Swing Pricing ist der Schutz von langfristigen Investoren vor Transaktionskosten, die durch kurzfristige Investoren wie Hochfrequenzhändler oder „Day-Trader“ ausgelöst werden. Durch Swing Pricing können Transaktionskosten, die von überdurchschnittlich hohen Anteilscheinausgaben bzw. –rücknahmen an einem Fonds ausgelöst werden, denjenigen Investoren zugeordnet werden, die die Kosten verursacht haben. Technisch erfolgt bei Anteilscheinkäufen eine Anpassung des NAV nach oben und bei Anteilscheinrückgaben eine Anpassung nach unten um den sogenannten Swing Faktor. Die Differenz zwischen dem NAV und dem Abrechnungspreis (modifizierter NAV) fließt dabei dem Fonds als Ertrag zu, was entsprechend die Performance für die Bestandsinvestoren positiv beeinflusst.
Rückgabefristen
§ 98 Abs. 1a KAGB-E sieht für eine KVG die Möglichkeit vor, für die Rückgabe von Anteilen eines Sondervermögens Rückgabefristen in den Anlagebedingungen festzulegen. Die Festlegung der Frist liegt im pflichtgemäßen Ermessen der KVG. Bei ihrer Ermessensausübung sind insbesondere die Anlegerinteressen und Anlagestrategie sowie die Liquidität der Vermögensgegenstände des Sondervermögens zu berücksichtigen. Um jedoch unangemessen lange Fristen auszuschließen, wird eine gesetzliche Höchstdauer von einem Monat für Publikumsfonds eingeführt. Für Spezial-AIF können längere Rückgabefristen bestimmt werden. Die Rückgabe setzt eine unwiderrufliche Rückgabeerklärung des Anlegers gegenüber der KVG unter Einhaltung der festgelegten Rückgabefrist voraus.
Redemption Gates (Rücknahmebeschränkungen)
§ 98 Abs. 1b KAGB-E sieht für eine KVG die Möglichkeit vor, die Rücknahme der Anteile für höchstens 15 Arbeitstage zu beschränken, wenn die Rückgabeverlangen der Anleger einen zuvor festgelegten Schwellenwert erreichen, ab dem die Rückgabeverlangen aufgrund der Liquiditätssituation der Vermögensgegenstände des Sondervermögens nicht mehr im Interesse der Gesamtheit der Anleger ausgeführt werden können. Da keine Vorgaben für die Ermittlung des Schwellenwerts vorgesehen sind, dürfte die Festlegung im Ermessen der KVG liegen.
Ausblick
Das Liquiditätsrisikomanagement von Fonds wird die Marktteilnehmer in den nächsten Jahren weiterhin verstärkt beschäftigen. Nachdem sich die ersten Empfehlungen des ESRB in Umsetzung befinden, hat die ESMA am 30. Januar 2020 gemeinsame Aufsichtsmaßnahmen mit den nationalen Aufsichtsbehörden in Bezug auf Liquiditätsrisikomanagement von OGAW für das Jahr 2020 angekündigt. In einem ersten Schritt haben die nationalen Aufsichtsbehörden im Februar 2020 allen OGAW-KVGen einen 97 Fragen umfassenden Excel-Fragenkatalog (ESMA34-43-565 CSA Questionaire Stage 1) zugesandt mit der Aufforderung zur Befüllung und Beantwortung bis zum 31. März 2020. Ziel der ESMA ist es mit Hilfe dieses Fragenkatalogs einen Überblick über die aufsichtlichen Risiken zu gewinnen, um in einem zweiten Schritt eine detailliertere Analyse anhand einer Auswahl von OGAW-Kapitalverwaltungsgesellschaften durchzuführen. Mit dieser Maßnahme soll die aufsichtliche Konvergenz auf europäischer Ebene gefördert werden.
Am 5. September 2019 hat die ESMA ihren Rahmen für Stresssimulationen für den Investmentfondssektor veröffentlicht. Dieser ist laut ESMA ein Schlüsselelement ihrer Stressteststrategie, die auch Richtlinien für Liquiditäts-Stresstests und für Stresstests von Geldmarktfonds enthält. ESMA hat bei der Anwendung des Stresssimulationsrahmens auf den OGAW-Anleihenfondssektor einen reinen Rücknahmeschock simuliert, bei dem eine große Anzahl von Anlegern beantragt, ihre Anteile am Fonds innerhalb kurzer Zeit zu reduzieren oder zurückzuziehen. Die Ergebnisse zeigen, dass die meisten Fonds insgesamt in der Lage sind, solche extremen, aber plausiblen Schocks zu bewältigen, da sie über genügend liquide Mittel verfügen, um die Rücknahmeanträge der Anleger zu erfüllen. Es wurden jedoch Schwachstellen identifiziert, insbesondere bei High-Yield-(HY-)Rentenfonds.
Die Internationale Organisation für Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO) hat im Dezember 2019 ihre Empfehlungen für ein Regelwerk zur Beurteilung von Leverage in Investmentfonds aus makroprudenzieller Sicht veröffentlicht. Die nationalen Aufsichtsbehörden sollen einem zweistufigen Ansatz folgen. Die erste Stufe umfasst Regeln, anhand derer die Aufseher Fonds identifizieren sollen, deren Risiken sich wahrscheinlich auf die Finanzstabilität auswirken könnten. Auf der zweiten Stufe soll jeder Aufseher selbst bestimmen, welches risikobasierte Verfahren er für die Prüfung der auf Stufe eins identifizierten Fonds für angemessen hält. Die IOSCO will künftig jährlich Berichte mit Analysen und Trends im Einsatz von Leverage bei Fonds veröffentlichen. Der erste Bericht soll 2021 veröffentlicht werden und eine Vielzahl von Aufsichtsbehörden einbeziehen. Es ist davon auszugehen, dass die Empfehlungen auch Auswirkungen auf das Fondsreporting an die nationalen Aufsichtsbehörden haben werden und ggf. Anpassungen der EU-Fondsrichtlinien nach sich ziehen könnten.
Wie kann Deloitte unterstützen?
Compliance mit ESMA Leitlinien
- Durchführung einer Gap-Analyse durch Abgleich Ihrer aktuellen Liquiditätsstresstest-Richtlinie mit den ESMA Leitlinien
- Ausgestaltung Ihrer Liquiditätsrisikomodelle und Stress Tests
- Erstellung bzw. Aktualisierung Ihrer Liquiditätsstresstest-Richtlinie
- Health Check für Jahresabschluss-, Revisions- und BaFin Sonderprüfungen
- Durchführung von Workshops und Coaching Ihrer Mitarbeiter
Neue Liquiditätsmanagementinstrumente
- Durchführung einer Wirtschaftlichkeitsstudie
- Wirkungsanalyse mit Back-Testing zur Ermittlung der historischen Verwässerung
- Unterstützung bei der Implementierung, u.a. Sicherstellung aller aufsichtsrechtlichen Vorgaben, Definition der Berechnungsmethode des “Swing Faktors” und Ausgestaltung der “Swing Pricing”-Richtlinie
- Überwachung der Effizienz des “Swing Pricing” Konzepts: Hierzu hat Deloitte ein Analyse Tool entwickelt, das eine unabhängige Berichterstattung der verwässerten Fondsperformance und des Nutzens von “Swing Pricing” ermöglicht.
Ihre Ansprechpartner
René Rumpelt | Partner
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rrumpelt@deloitte.de
Clive King | Director
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