Studienserie Erfolgsfaktoren im Mittelstand

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Innovation in Familienunternehmen 

Aus der Interviewreihe "Chancen und Herausforderungen für Familienunternehmen"

Aktuelle Entwicklungen wie Data Analytics, Smart Factory, AI, digital Business Building oder Kooperationen mit Start-ups sind in aller Munde. Welche Skills sind notwendig, um in einem derart disruptiven Umfeld Erfolg zu haben? Darüber haben wir uns mit Florian Altmann, Director bei der Deloitte Garage unterhalten.

Die digitale Transformation quer durch alle Branchen bezeichnen wir heute als die „vierte industrielle Revolution“. Bei vergleichbaren Umbrüchen hat es immer auch Verlierer und den Niedergang ganzer Wirtschaftszweige gegeben. Reichen die Konzepte des deutschen Mittelstands von gestern und heute, um sich im internationalen Wettbewerb von morgen zu behaupten?
Es sind weniger die Businesspläne, die den Erfolg des deutschen Mittelstands ausmachen, als vielmehr eine besondere Kultur. Da ist zum einen die „Macherqualität“: Dem Mittelstand und vor allem den Familienunternehmen liegt daran, dass es vorangeht, dass sich etwas bewegt. Zum anderen ist es der langfristige Entscheidungshorizont. Dieser prägt ein Unternehmen in seinem Denken und Wirtschaften; gibt ihm etwas Evolutionäres. Den „Heißhunger“ von Start-ups kennt der gestandene Mittelständler nicht, denn er denkt langfristig, vielfach über Generationen hinweg. Hinzu kommt, dass die Herangehensweise mittelständischer Gesellschafter in der Regel davon geprägt ist, nur die nötigsten Mittel zu entnehmen und die Gewinne größtenteils zu reinvestieren. Diese Gegebenheiten sind eine gute Voraussetzung, den digitalen Umbruch zu meistern und auch in Zukunft erfolgreich zu sein.

Wo erkennen Sie Gefahren?
Der deutsche Mittelstand hat sich hauptsächlich durch seine Produktinnovationen einen Namen gemacht: Laser noch ausgefeilter zu entwickeln, Strickmaschinen noch effizienter zu produzieren, neue Märkte mit technischen Finessen zu erobern. Die technischen Details immer weiter zu verbessern, ist die Stärke, die unzählige mittel-ständische Hidden Champions hervorgebracht hat, die global unterwegs sind. Das wird aber zukünftig nicht mehr ausreichen, und deshalb ist ein Umdenken dringend erforderlich. Geschäftsmodelle und Prozesse müssen komplett neu gedacht werden. Die Unternehmen müssen sich neu auf die Kunden einstellen, Kundengespräche anders angehen, über vielfältige Kanäle kommunizieren. Der Kunde erwartet heute, dass auf seine Bedürfnisse eingegangen wird und der Anbieter entsprechende Lösungen präsentiert.

Innovation in Familienunternehmen
Es geht nicht darum, alles besser zu wissen oder zu können oder als Alleinherrscher jede Entscheidung zu kontrollieren. Vielmehr geht es um eine Vision und die Fähigkeit, die richtigen Leute um sich zu scharen. Diese müssen die Vision verinnerlichen und aus eigenem Antrieb zu verwirklichen suchen. Dabei zählen der „Hunger“ und der Ehrgeiz jedes Einzelnen.
Florian Altmann, Director Deloitte  

Das Silicon Valley gilt weltweit als Brutstätte für innovative Geschäftsideen schlechthin. Was können wir vom kalifornischen Unternehmergeist lernen?
Im Silicon Valley herrscht ein anderes Verständnis von Unter-nehmer und Unternehmertum. Es geht nicht darum, alles besser zu wissen oder zu können oder als Alleinherrscher jede Entscheidung zu kontrollieren. Vielmehr geht es um eine Vision und die Fähigkeit, die richtigen Leute um sich zu scharen. Diese müssen die Vision verinnerlichen und aus eigenem Antrieb zu verwirklichen suchen. Dabei zählen der „Hunger“ und der Ehrgeiz jedes Einzelnen. Der Manager ist dann derjenige, der nach innen und nach außen spricht und das Feuer am Brennen hält.

Wäre solches Unternehmertum auch in Deutschland möglich?
Die Herangehensweise ist schon sehr unterschiedlich. Während in Deutschland häufig eine Bedenkenkultur vorherrscht und man sich in Antragsdetails und Spezifikationen verliert, wird in Amerika hemdsärmlig angepackt. Im Sinne von: „Wenn das Auto smart werden soll, dann machen wir es smart – und zwar sofort!“

Es gibt also weder große Befürchtungen, etwas mit ungewissem Ausgang anzupacken, noch eine ausgeprägte Angst zu scheitern. Auch die Freiheiten in den verschiedenen Hierarchieebenen sind weitaus größer: In den USA kann ein Produktmanager häufig über Budgets von bis zu einer halben Million Dollar selbst entscheiden. In Deutschland ist dafür die Genehmigung des Vorstands notwendig. Das heißt aber auch: Wer in Amerika zweimal scheitert, ist bei der dritten Fehlentscheidung raus. In Deutschland sichert sich jeder nach allen Seiten ab – und bleibt dann bis zur Rente im Unternehmen.

Gelten in den USA weniger restriktive Rahmenbedingungen?
Gesetze und Vorgaben gibt es auch in den USA – und auch die müssen eingehalten werden. Augenscheinlich werden aber die Prioritäten bei unternehmerischen Entscheidungen anders gesetzt. Vor allem die Interessen der Investoren spielen eine große Rolle, ent-sprechend gilt es, alles daran zu setzen, die gesetzten Milestones zu erreichen und Erfolge vermelden zu können. Das mag hier und da auf Kosten des letzten technischen Details gehen. Für die Freude am Entwickeln und Vorankommen ist es jedoch durchaus förderlich – und das macht das Silicon Valley so erfolgreich.

Erkennen Sie, dass solche Ansätze auch den deutschen Mittelstand zum Umdenken veranlassen?
Sicherlich wird aufmerksam beobachtet, was sich weltweit tut. Und dass sie Chancen erkennen, haben deutsche Mittelständler über viele Jahrzehnte erfolgreich bewiesen. Allerdings ist der Schmerz für viele derzeit noch nicht groß genug, sich disruptiv zu engagieren. Dabei ist es doch eine spannende Herausforderung, die Welt nicht nur als „Markt“ zu betrachten, sondern sich auch selbst zu öffnen und sich von anderen Kulturen, Denk- und Herangehensweisen inspirieren zu lassen. Das bedeutet natürlich auch, ausgetretene Pfade zu verlassen, sich vom reinen Produktdenken zu verabschieden und mehr in Kommunikation und Service zu investieren. Dazu gehört auch der Mut, mit einer Beta-Version einen Testballon zu starten – warum nicht online? So gewinnt man wertvolles Feedback zum Produkt und dessen Marktfähigkeit. Und es festigt die Position in der Community. Und so schmerzhaft es auch klingen mag: Der hohe technische Standard deutscher Maschinen und Anlagen ist in vielen Ländern nicht finanzierbar. Außerdem fehlen häufig Fachkräfte, um die Geräte zu bedienen und zu warten. Entsprech-end gilt es, vom hohen technischen Ross herunterzusteigen und Lösungen für diese Gegebenheiten zu schaffen.

Im Gespräch

Innovator by nature, designer by heart, consultant and teacher for interesting companies and individuals.

Florian Altmann, Director bei Deloitte, ist Produkt Designer mit Spezialisierung in Innovations-beratung. Seit 2016 ist er bei Deloitte, um intern die Pipeline für neue Beratungsangebote zu entwickeln und um Kunden bei der Gestaltung innovativer Kundenerfahrungen, Produkten, Dienstleistungen und neuen Geschäftsideen zu unterstützen.

Besonderer Fokus liegt auf den latenten und direkten Bedürfnissen von Nutzern & Endkunden als Basis, um relevante Fragestellungen der Zukunft zu identifizieren und mit Designmethoden zu beantworten. 


Florian Altmann
Director
faltmann@deloitte.com

Dass sie Chancen erkennen, haben deutsche Mittelständler über viele Jahrzehnte erfolgreich bewiesen. Allerdings ist der Schmerz für viele derzeit noch nicht groß genug, sich disruptiv zu engagieren. Dabei ist es doch eine spannende Herausforderung, die Welt nicht nur als „Markt“ zu betrachten, sondern sich auch selbst zu öffnen und sich von anderen Kulturen, Denk- und Herangehensweisen inspirieren zu lassen.
Florian Altmann, Director Deloitte  

Was halten Sie denn für eine unabdingbare Grundlage, um als Familienunternehmen heute und auch in Zukunft innovativ sein zu können?
Entscheidend ist die Offenheit für alles, was an einen herangetragen wird. Das heißt für einen Firmenlenker zuallererst, gut zuzuhören: den eigenen Mitarbeitern, den Kunden sowie eigenen und fremden Netzwerken. Darüber hinaus gilt es, den Mitarbeitern auch Freiräume einzuräumen. In einer komplexen Welt muss es die Möglichkeit geben, Dinge auszuprobieren, auch am Markt. Wenn dies von einer Portion Selbstreflexion begleitet wird, sich selbst und Dinge regelmäßig infrage zu stellen, ist die Grundlage für eine innovative Unternehmenskultur gelegt.

Insgesamt bin ich durchaus optimistisch, was den deutschen Mittelstand angeht. Auch wenn der klassische Patriarch möglicherweise ausgedient hat und die Zukunft einem kooperativeren Führungsverständnis gehört. Immer gefragt sein werden jedoch die Vision einer integren Führungskraft und deren starke Haltung, sich in der Geschäftsentwicklung nicht quartalsweise, sondern mittel- und langfristig zu orientieren.

Können auch Kooperationen mit Start-ups hilfreich sein?
Man muss schon sehr genau hinschauen und prüfen, welche Unternehmen wirklich zusammenpassen. Start-ups sind ja möglicherweise deshalb erfolgreich, weil sie die Freiheit haben, sich nicht um Unternehmenshistorie und -hierarchien kümmern zu müssen. Sollte ein traditionelles Familienunternehmen genau dies einfordern, wird das junge Team genau um diesen Antrieb beschnitten und die Innovationskraft geht zurück.

Zudem sind auch nicht alle Start-ups auf der Suche nach einem sicheren Hafen. Viele ziehen ihre Motivation genau daraus, den etablierten, teilweise schwerfälligen Unternehmen den Kampf um Marktanteile anzusagen. Aus diesem Grund möchten sie sich auch häufig nicht an einzelne Unternehmen binden, sondern bieten über-geordnete Branchenlösungen und Plattformen an.

In einer komplexen Welt muss es die Möglichkeit geben, Dinge auszuprobieren, auch am Markt.
Florian Altmann, Director Deloitte  

Wie geht Deloitte selbst Innovationen an?
Auch in der Beratungsbranche sind wir selbstverständlich darauf angewiesen, innovativ zu bleiben. Durch künstliche Intelligenz, Machine Learning, Crowdsourcing und andere Trends ist Deloitte dem Veränderungsdruck ausgesetzt wie viele unserer Kunden. Um neue Beratungsangebote zu entwickeln, haben wir die Deloitte Garage gebildet. Dort werden Ideen ausgebrütet – und das hat durchaus experimentellen Charakter. Das heißt, es funktioniert nicht alles, was dort mit viel Motivation durchdacht und entwickelt wird. Aber es sind reizvolle und vielver-sprechende Ideen darunter, die wir durchaus ambitioniert „Business Cases“ nennen, auch wenn nur ein Bruchteil davon die Marktreife erreichen wird.

Und woher stammen diese Business Cases?
Die Ideen erreichen uns aus ganz unterschiedlichen Bereichen. Da sind natürlich die Kollegen vor Ort, die Denkanstöße aus der Arbeit mit den Mandanten mitbringen. Dann haben wir regelrechte Trendscouts, die sich globale Mega- und Mikro-entwicklungen anschauen und daraus Forschungs- und Business-ansätze identifizieren. Und dann birgt natürlich auch das eigene Portfolio Potenzial zu Verbesse-rungen und Weiterentwicklungen. Hinzu kommen Ansätze durch interdisziplinäre Betrachtungs- und Herangehensweisen. Wir arbeiten viel mit Neurowissenschaftlern zusammen und versuchen, subjektive Verhaltensmuster zu objektivieren.

Was ergeben sich für den Kunden für Vorteile daraus?
Zum einen vermittelt es Glaub-würdigkeit, wenn wir unseren
Kunden zeigen können: Auch wir gehen ins Risiko, auch wir müssen uns für die Zukunft rüsten, auch wir versuchen, uns durch Innovationen im Wettbewerb positiv zu unter-scheiden. Zum anderen ist bereits die Arbeit in der Garage und in den Teams eine Erfahrung, die sich in unserer Beratung positiv nieder-schlägt. Denn so können wir auf einer ganz anderen Ebene analy-sieren, beraten und auch als Sparringspartner des Mittelstands auftreten.

Das Interview führte Markus Seiz, Director, Deloitte. 

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