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Enterprise Knowledge Graphs: Aus Daten wird Wissen

Eine neue Dimension von KI: Mit dieser innovativen Wissenstechnologie heben Unternehmen ihr Datenmanagement auf die nächste Stufe

Mit Knowledge Graphs wird KI noch intelligenter – und weniger „künstlich“. Etablierte KI-Methoden werden dabei um eine semantische Dimension erweitert. Dadurch kommen Computer nun der menschlichen Intelligenz wesentlich näher: Sie können Inhalte verstehen und Bedeutungen erfassen. Unternehmen ermöglicht dieser Ansatz eine viel effizientere Nutzung von Wissen. Daten werden in Kontexten und Relationen betrachtet, externe Info-Quellen berücksichtigt. Der Enterprise Knowledge Graph beinhaltet ein präzises Modell der Business-Prozesse, mit dem relevante Fragestellungen, Sachverhalte und Events schneller analysierbar sind. Der Output der KI wird dabei nicht einfach nur als Ergebnis präsentiert, sondern auch erklärt und begründet. Und dafür gibt es unzählige Anwendungsbereiche, von komplexen Folgeabschätzungen bis zu zeitnahen Fehler-Ursachen-Analysen. Die Vorteile und Funktionsweise der Technologie im Überblick.

Was ist ein Enterprise Knowledge Graph – und was bringt er einem Unternehmen? Es handelt sich um eine umfassende Repräsentation eines Sachgebiets und seiner Logik, anhand derer KI komplexe Fragen beantworten kann und die Antwort dann auch nachvollziehbar begründet. Ein Beispiel veranschaulicht den Grundgedanken. Ein Internet-Nutzer gibt eine Anfrage in die Suchmaschine ein: „Wie lerne ich Schwimmen?“ Darauf reagiert der Suchdienst heutzutage nicht mehr, indem er nun stur die einzelnen Wörter sucht und die Ergebnisse mit den höchsten Trefferquoten abliefert. Stattdessen verfügt die Suchmaschine im Hintergrund über einen Knowledge Graph – also über umfassende aufgeschlüsselte Inhalte zu den Themenfeldern „Lernen“ und „Schwimmen“. Somit wird es möglich, Nutzern eine hochwertigere Auskunft zu erteilen, die in einem inneren Zusammenhang zur Frage steht. Vor einigen Jahren führte Google den Knowledge Graph für Web-Suchen ein. Und Deloitte überträgt das Konzept jetzt mit einem eigenen methodischen Ansatz auf die Business-Welt. In Kooperation mit führenden Software-Anbietern entwickelten die Technologie-Experten von Deloitte einen Enterprise Knowledge Graph, mit dem Unternehmen den innovativen Ansatz für ihr eigenes Datenmanagement nutzen können.
 

Dass Wissen in der heutigen Wissensökonomie ein äußerst wertvolles Asset ist, versteht sich von selbst. Dennoch stößt dessen Nutzung in Unternehmen immer wieder an Grenzen. Etwa weil nur bestimmte Experten in der Organisation darüber verfügen, weil es aus externen Quellen beschafft werden muss oder weil es nicht im richtigen Kontext betrachtet wird. Das ist der Ansatzpunkt des Enterprise Knowledge Graphs. Er macht menschliches Wissen „maschinenlesbar“ und digital repräsentierbar. Wo bisherige Datenbanken und Suchanfragen isolierte, statische Daten liefern, eröffnen Enterprise Knowledge Graphs fundiertes, kontextualisiertes Wissen, das dynamische Business-Insights generiert. Im Enterprise Knowledge Graph werden strukturierte ebenso wie unstrukturierte Daten ausgewertet, von internen Data Lakes bis hin zu Fach- und Gesetzestexten, Felddaten und dem weltweiten, digitalen Nachrichtenfluss. Das schafft die Basis für bessere, effizientere Entscheidungen und macht bislang verstreutes implizites Wissen im Unternehmen systematisch zugänglich. Knowledge Graphs sind nicht ohne Grund eine „brandheiße“ Technologie, die laut aktuellem Gartner Hype Cycle zwar noch ganz am Anfang ihres Siegeszugs steht, aber schon enormes Potenzial verspricht.

Quantität plus Qualität: Der Hintergrund der „Semantic AI“

Der Knowledge Graph stellt eine neue Stufe der Künstlichen Intelligenz dar. KI ist dabei zunächst zu verstehen als die Fähigkeit zu „menschenähnlicher“ Kognition, Autonomie und situativer Anpassung. Eine klassische KI-Methode ist das Maschinenlernen. Ein Computer lernt zum Beispiel anhand einer Auswahl von Vorgaben, Bilder von Hunden und Katzen zu unterschieden. Er verfeinert seine Algorithmen dabei immer weiter auf der Grundlage statistischer Erkenntnisse. Aber er „versteht“ deshalb noch lange nicht, was einen Hund und eine Katze wirklich ausmacht. Die Ergebnisse werden immer mit einer Wahrscheinlichkeitsangabe qualifiziert sein: „Zu 98% ist dies ein Hund!“ Die interne, mathematische Herleitung dieser Einschätzung ist für einen Menschen aber nicht nachvollziehbar. Auch wenn unser Vertrauen in KI zunehmend wächst: Solche Aussagen sind in vielen Zusammenhängen nicht ausreichend. Wenn es etwa um folgenschwere Business-Entscheidungen geht, sollte der Verantwortliche auch den Grund der Empfehlung durch die KI kennen. Zur statistischen Korrelation muss also eine kausale, inhaltliche Verbindung kommen, zur Quantität sozusagen die Qualität. Und das leistet der Enterprise Knowledge Graph, indem er Maschinenlernen mit einem semantischen Modell kombiniert. Das ermöglicht dann ein auf Inhalten basiertes Urteilen – „Semantic Reasoning“. Aus „Quantitative AI“ wird „Semantic AI“. Das semantische Modell macht die KI-Ergebnisse erklärbar und damit nachvollziehbar („Explainable AI“). Und zwar auch für Menschen ohne spezifische Vorkenntnis, was die Technologie besonders praktikabel für Unternehmen macht.
 

Das Gehirn des Unternehmens: Der Aufbau des Enterprise Knowledge Graphs

Wörtlich übersetzt bedeutet Knowledge Graph „Wissensschaubild“. Und tatsächlich erlaubt die Graphdatenbank auch eine visuelle Abbildung eines Sachgebiets. Das basiert auf der Tatsache, dass im Graph nicht nur einzelne Daten, sondern auch ihre Kontexte und Relationen abgebildet werden. Der Enterprise Knowledge Graph weist eine mehrdimensionale statt einer linear-hierarchischen Ordnung auf. So erfolgt auch der konkrete Output visuell in einer fein verästelten „Datenwolke“. Ein riesiges Netzwerk entsteht, das in seiner Struktur an die neuronalen Verknüpfungen des Gehirns erinnert. Anders als bei künstlichen Neuronalen Netzen, wie man sie aus anderen Bereichen der KI kennt, steht beim Enterprise Knowledge Graph allerdings jeder Knotenpunkt für ein real existierendes Objekt. So entsteht ein repräsentatives Datenmodell der Wirklichkeit, das sämtliche Dinge erfasst, die in den Business-Prozessen des Unternehmens eine Rolle spielen. Wenn der Graph erst einmal erstellt ist, kann er auch in einer 3D-Visualisierung abgebildet werden. Das ermöglicht ein neues Level an Transparenz von Unternehmensdaten. Nutzer haben dann viel intuitivere Methoden der Interaktion zur Verfügung. Sie können zum Beispiel mit einer Virtual-Reality-Brille in diese Daten „eintauchen“. So werden sämtliche inneren Zusammenhänge der Unternehmensprozesse sichtbar wie ein Uhrwerk unter einer Lupe. Datenansammlungen bilden unterschiedlich große „Klumpen“, was die jeweilige Stärke der Wechselwirkung spezifischer Aspekte deutlich macht.

Generell sind für die Gestaltung der Graphdatenbank drei Ebenen der Datenorganisation wichtig: Erstens eine Meta-Ebene mit Verknüpfungsregeln für das gesamte Unternehmen, die über alle Bereiche und Abteilungen hinweg allgemein gilt. Diese System-neutrale „Meta-Ontologie“ gibt vor, wie Daten ausgetauscht werden, und schafft eine gemeinsame „Sprache“. Zweitens die Ebene der System-spezifischen Ontologien. Sie sind auf einzelne Anwendungsfälle bezogen und auf spezifische Nutzungsbereiche im Unternehmen zugeschnitten. Sämtliche Modelle dieser Ebene sind mit der neutralen Ontologie aus der ersten Ebene verbunden, die als eine Art „Übersetzer“ fungiert. Die dritte Ebene schließlich ist die der Daten selbst, die durch die jeweiligen Regeln verknüpft werden.

Für den Aufbau konkreter Enterprise Knowledge Graphs verfügen die Experten von Deloitte über eine breite Auswahl von „Start-Ontologien“, die als Vorlagen und Ausgangspunkt zum Einsatz kommen können. Diese bringen schon bestimmte Strukturen mit, wie sie etwa typisch für die Branche sind, müssen aber natürlich bei der Implementierung auf die konkreten Verhältnisse des Unternehmens angepasst werden. Alle existenten oder möglichen relevanten Beziehungen und Eigenschaften sämtlicher „Objekte“ im Unternehmen gilt es dabei zu erfassen: Organisation, Geschäftsprozesse, Finanzdaten, Produktionsprozesse, zeitliche Abläufe, Produkte und Services. Das Sammeln der Daten für den Graph kann teilweise automatisiert erfolgen, etwa durch das Auslesen von internen Systemen wie SAP. Sowohl strukturierte Daten (Tabellen, Datenbanken usw.) als auch unstrukturierte Daten (Texte, Nachrichten, o.Ä.) fließen in den Graph ein. Dazu kommt das Wissen der Deloitte-Experten für die jeweilige Domäne und natürlich auch das Spezialwissen der Domänen-Experten aus dem Unternehmen selbst. Gerade die Aufbereitung dieses „versteckten“, impliziten Profi-Wissens macht einen der größten Vorteile des Enterprise Knowledge Graphs aus. Bei der Datensammlung werden Daten und Strukturen auch „manuell“ durch die Domänen-Experten erfasst und der Knowledge Graph entsprechend angepasst.

Wissen, worauf es ankommt: Vielseitige Use Cases

Beim Enterprise Knowledge Graph spielen Verknüpfungen eine wichtige Rolle – sei es von einzelnen Datenpunkten oder auch ganzen Sachgebieten und Ontologien. Aus dem Zusammenspiel von Expertenwissen, Unternehmensdaten, externen Informationen und anderen Daten aller Art entsteht ein Koordinatensystem für die Deutung einzelner Vorkommnisse und Fragen.

So können beispielsweise Risikoanalysen und Folgeabschätzungen (impact analysis) zu beliebigen betrieblichen Entscheidungen vorgenommen werden, wenn sie mit den entsprechenden externen Ontologien und Datenquellen verknüpft werden. Welchen Einfluss hat die Veränderung eines Bauteils für den Lieferanten, für die Lieferkette, die Produktionsprozesse und damit wiederum für die eigene Langzeitplanung? Wenn ein Ingenieur beispielsweise die Spezifikationen für ein Bauteil verändert, kann die neue Vorgabe einen Sublieferanten in Schwierigkeiten bringen, der vielleicht für die Produktion eigens neue Maschinen anschaffen muss. Das wiederum kann den Produktionsanlauf verzögern und schlimmstenfalls sogar zu einer Insolvenz, d.h. einem Komplettausfall des Zulieferers führen, sollte der sich mit der Investition finanziell übernommen haben. Das Beispiel zeigt: Eine Folgenabschätzung mit einem Knowledge Graph hat einen sehr weitreichenden Horizont und ist somit deutlich umfassender als die übliche Risikoanalyse in Unternehmen. Es werden komplexe Auswirkungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette aufgespürt, die mit bisherigen Ansätzen außen vor gelassen worden wären – schnell, präzise und nachvollziehbar.

Mit einer solchen Folgenabschätzung ist das Unternehmen auch in der Lage, Auswirkungen externer Ereignisse frühzeitig zu antizipieren. Etwa die konkreten Folgen einer auf den ersten Blick unbedeutend wirkenden politischen Entscheidung in einem Land, wo ein Sublieferant des Unternehmens eine Produktionsstätte betreibt. Die Nachricht, dass dort ein Politiker zum Minister ernannt wurde, setzt der Enterprise Knowledge Graph dann in Verbindung zu einer früheren Meldung, wonach sich dieser Politiker für eine Erhöhung des Mindestlohns ausgesprochen hatte. Oder wenn Angestellte eines Zulieferers sich anonym auf öffentlichen Internetforen oder per Social Media über verspätete Lohnzahlungen beschweren, kann dies ein Hinweis sein, dass der Zulieferer in Liquiditätsschwierigkeiten stecken könnte. Im Ergebnis liefert der Graph einen wertvollen Realtime-Warnhinweis über potenzielle Risiken für die Lieferkette.

Ein vergleichbarer Use Case des Enterprise Knowledge Graphs betrifft die KI-gestützte Entscheidungsfindung (AI-based decision making). Dabei kommt ein wesentlicher Vorteil dieser neuen Stufe der Künstlichen Intelligenz besonders deutlich zum Tragen: die Unterfütterung des Ergebnisses mit einer erklärenden Herleitung, die die Entscheidung der KI kausal nachvollziehbar macht. So können damit beispielsweise Konfigurationsmodelle für komplexe Produkte wie Kraftfahrzeuge und andere mechatronische Erzeugnisse optimiert werden. Solche Teilekonfigurationen haben meist sehr anspruchsvolle Komplexitätsgrade mit vielen Tausenden Komponenten, die miteinander in Wechselwirkung stehen. Konflikte und Probleme z.B. der zugrundeliegenden Konfigurationsregeln können nun durch den Einsatz des Enterprise Knowledge Graphs effizienter automatisiert aufgespürt werden. Informationen über die Konfigurationen sind dabei mit weiteren Daten etwa über Logistik, Finanzierung und Produktion angereichert. Das ermöglicht es der KI, detaillierte Empfehlungen auszusprechen, etwa über bestimmte Konfigurationen, die zur Erhöhung der Effizienz besser entfallen sollten, oder auch zu redundanten und widersprüchlichen Regeln. Und es verschafft dem menschlichen Mitarbeiter zugleich eine Grundlage, dieser Empfehlung der KI dann auch zu vertrauen, da er das dahinterstehende „Warum“ von ihr mitgeliefert bekommt. Diese „Traceability“ bringt außerdem einen Compliance-Vorteil ins Spiel: Auch bei der Erfüllung von Regulationen ist der Nachweis der kausalen Logik einer Entscheidung unter Umständen sehr wichtig.

Ein weiterer Use Case ist die Fehler-Ursachen-Analyse (root-cause analysis). Wenn es zu Problemen oder Zwischenfällen kommt, wird die Folgeabschätzung des Knowledge Graphs dabei sozusagen umgekehrt. Möglich ist das durch die Erfassung auch der zeitlichen Abläufe und Ursachenketten im Graph: Die Daten sind ja durch einen Kontext zeitlicher Informationen angereichert. Quasi auf Knopfdruck erstellt der Enterprise Knowledge Graph für jedes beliebige Objekt – vom Bauteil über die Dienstleistung bis zum Testergebnis – eine spezifische, aussagekräftige „DNA“. Das Objekt kann nun durch den Zeitablauf zurückverfolgt werden, durch diverse Versionen, Stadien und Transformationen hindurch, bis hin zu den Vorgängen, die als Ursache dahinterstanden. Fällt ein Produkt aus, ist die statistische Analyse von Daten wie Umgebungsbedingungen, Materialcharge und Produktionsort möglich. In solchen Fällen wäre eine traditionelle Analyse viel zu umfangreich und zeitraubend. Zudem kann der Graph dabei anders als ein typischer menschlicher Bearbeiter darauf verzichten, Arbeitshypothesen zu bilden, die eine Fehlinterpretation von Korrelationen begünstigen könnten.

Enterprise Knowledge Graphs in der Praxis: Die Umsetzung mit Deloitte

Unternehmen stehen vor der Herausforderung, historisch gewachsene Prozesse, IT-Systeme und Datenstrukturen in die Logik moderner KI-Technologien zu überführen. Neben der Formatierung von Daten und Auflösung von Redundanzen steht dabei oft die Datenqualität im Vordergrund, denn nicht alle Systeme verfügen über den gleichen Datenstand in der gleichen Qualität. Der Nutzen von KI ergibt sich in den Geschäftsprozessen aber oft erst in deren Echtzeitanwendung. Knowledge Graphen ermöglichen die schnelle und formatierungsfreie Anbindung weiterer Datenquellen einfach durch das Hinterlegen von Übersetzungstabellen. Dadurch können Unternehmen mit kleinen Sets an Datenquellen starten, systematisch KI und Daten voneinander getrennt aufsetzen und in schnellen Sprints weitere Datenquellen erschließen und anbinden. Somit sind schnelle Erfolge mit bestehenden Daten und Systemen möglich, was Risiken minimiert und den Nutzen von KI bereits nach kurzen Entwicklungszyklen schlagkräftig aufzeigt.

Der Enterprise Knowledge Graph bietet Unternehmen insgesamt erhebliche Vorteile: Er identifiziert Risiken, senkt Kosten und erhöht die Compliance. Eine Avantgarde-KI-Technologie, mit deren Entwicklung Deloitte Pionierarbeit geleistet hat. Die Kooperation mit einem auf dem Gebiet der Graphdatenbanken führenden Software-Vendor schafft die technologische Grundlage für das Angebot. Aber erst die Kombination des technischen Know-hows mit der breit gefächerten Domänenexpertise von Deloitte eröffnet Unternehmen den konkreten Nutzen des Knowledge Graphs. Deloittes tiefes Fachwissen quer durch die Branchen, über die gesamte Wertschöpfungskette und Ökosysteme hinweg, erlaubt den Aufbau eines unternehmensspezifischen Enterprise Knowledge Graph – damit die KI das implizite Expertenwissen der Organisation in Zukunft noch intelligenter nutzen kann.

 

Wenn Sie mehr über den Enterprise Knowledge Graph erfahren möchten, kontaktieren Sie bitte unsere Experten:

Ulrich Schoof
Senior Manager Deloitte
uschoof@deloitte.de

Boris Shalumov
Senior Consultant Deloitte
bshalumov@deloitte.de