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Success Story Trade Analysis Tool

Managed Risk Services in der Praxis: Entwicklung eines Analyse-Tools zur Identifizierung von Marktmanipulation

Die Ausgangssituation

Im Jahr 2014 wurde die sogenannte „Market Abuse Regulation“ (kurz MAR) No. 596/2014 vom EU-Parlament verabschiedet. Seit dem Inkrafttreten 2016 sind Investment-Gesellschaften verpflichtet, ihr Handeln auf Marktmissbrauch wie beispielsweise Marktmanipulation oder Insiderhandel zu überprüfen.

Unser Projekt

Ziel des Projektes war die Entwicklung eines Tools, welches diverse Manipulationsmöglichkeiten am Markt identifizieren kann, um damit die Anforderungen von MAR zu erfüllen. Das Tool sollte zudem schnell und flexibel beim Kunden einsetzbar sein und mit einem überschaubaren Aufwand implementiert werden können. Fünf Berater aus Managed Risk Services, einer Service Line von Risk Advisory, und Financial Advisory bildeten gemeinsam das Projekt-Team und kombinierten so das Expertenwissen bezüglich der analysierten Finanztransaktionen mit den benötigten Programmierkenntnissen für die Umsetzung im Tool. Die erste Projektphase - die Konzeptionsphase - dauerte von Mitte November 2017 bis Anfang Januar 2018. In der anschließenden Implementierungsphase wurde das Tool in der Sprache „R“ programmiert und fertiggestellt. Für die Benutzeroberfläche (GUI - Graphical User Interface) wurde das Paket „R shiny“ benutzt.

Die Funktionsweise des Tools

Das Tool bietet Nutzern eine leicht verständliche und intuitive Benutzeroberfläche, die es ermöglicht, eine Datenbank mit Handelsdaten nach Betrugsmustern abzusuchen. Die identifizierten Fälle werden anschließend direkt im Tool grafisch dargestellt, um so weitere Analysen zu vereinfachen. Der Nutzer hat zudem die Möglichkeit, die Muster, nach denen das Tool die Datenmenge durchsucht, manuell durch Veränderung der Kalibrierungsparameter wie beispielsweise Preisspannen oder Volumen anzupassen und zu justieren.

Aktueller Stand

Der Prototyp wurde fertiggestellt und ist momentan in der Lage für einen Testdatensatz zehn verschiedene Manipulationsmuster zu identifizieren. Diese umfassen: Front Running, Wash Trading, Spoofing, Stop-Loss Triggering, FX Benchmarking, Portfolio-Pumping, Parking, Churning, Cross Trading und Price-Alert (Details finden Sie in der unten stehenden Info-Box). Alle Parameter zur Identifizierung der einzelnen Manipulationsmethoden können vom User kalibriert und dann je nach eingestellter Sensitivität vom Tool automatisch erkannt werden. Des Weiteren können die Verdachtsfälle alle einzeln auf einem dynamischen Dashboard visualisiert und ausgewertet werden. Schließlich gibt es auch noch eine Excel-Export Funktion. Ab 2019 sind erste Implementierungen des Tools bei Kunden geplant.

Unser Mehrwert für den Kunden

Das entwickelte Tool unterstützt Unternehmen bezüglich ihrer Compliance mit der „Market Abuse Regulation“ (MAR). Es identifiziert automatisiert Verdachtsfälle und kann auch komplexe Finanzmanipulationen aufspüren. Die automatisierte Darstellung der Verdachtsfälle vereinfacht die anschließende Analyse und Bewertung durch den Nutzer des Tools. Der Anwender kann die gesetzten Parameter selbst anpassen, um „False Positives“ zu reduzieren. Zusätzlich hilft das Tool bei der Vermeidung von Strafen und eines Reputationsverlustes. Beides droht nämlich durch manipulativen Handel auf den Finanzmärkten.

Info-Box: Verschiedene Manipulationsmuster im Überblick
 

Front Running: Die Handelsstrategie des Auftraggebers wird vom Vertreter des ausführenden Instituts zum eigenen Vorteil genutzt (beispielsweise eine Kauforder für den Eigenbestand vor der Durchführung der Kundenkauforder).

Wash Trading: Ein gleichzeitiger Kauf und Verkauf eines Finanzinstruments, genutzt, um künstlich das Handelsvolumen zu erhöhen und so zusätzliche Liquidität am Markt vorzutäuschen.

Spoofing: Käufe bzw. Verkäufe werden kurz nach dem Orderauftrag gleich wieder storniert, um damit Preisschwankungen zu erzeugen.

Stop-Loss Triggering: Gezieltes Auslösen von Stop-Loss-Ordern (diese sind in Orderbüchern einsehbar) indem die Geld-Brief-Spannen nach unten gezogen werden; so wird an fallenden Kursen verdient.

FX Benchmarking: Manipulation eines Vergleichswertes an den globalen Devisenmärkten (FX - foreign exchange) durch die koordinierte Handelsabsprache von Händlern mehrerer Banken.

Churning: Ein gleichzeitiger Kauf und Verkauf eines Finanzinstruments, genutzt um künstlich das Handelsvolumen zu erhöhen und so zusätzliche Provisionszahlungen an Broker zu generieren oder aus steuerlichen Gründen.

Portfolio-Pumping: Die künstliche Erhöhung eines Fondspreises durch den Fondsmanager zum Reporting-Stichtag durch die gezielte Platzierung mehrerer Kaufordern zu den im Fonds enthaltenen Wertpapieren um die Fonds-Performance und die damit verbundenen Performance-Gebühren zu erhöhen.

Parking: Der Verkauf oder Transfer von Aktien an eine andere Person unter der Bedingung, diese nach kurzer Zeit wieder zurückzukaufen bzw. zurückzuerhalten. Ziel ist es, den tatsächlichen Eigentümer zu verschleiern.

Cross Trading: Eine Kauf- und Verkaufsorder für das gleiche Asset werden nicht über die Börse, sondern abseits abgewickelt. Dies kann beispielsweise durch den Einsatz eines Brokers passieren, der die Werte nur innerhalb der Portfolios von Käufer und Verkäufer verschiebt. Negative Folgen können preisliche Nachteile für mindestens eine der beiden involvierten Parteien sein und zusätzlich wird damit das offizielle Reporting der Börse umgangen.

Price-Alert: Durch eine einzelne Handelsorder mit besonders hohem Volumen kann der Aktienkurs gezielt in die Höhe getrieben (bei Kaufordern) oder herabgesenkt (bei Verkaufsordern) werden. Die Analyse dieses Manipulationsmuster wurde explizit vom Europäischen Regulator gefordert.

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