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So funktioniert das EU-Förderprogramm „Horizon Europe“

Am 27. April 2021 wurde das neue EU-Forschungsrahmenprogramm „Horizon Europe“ durch das Europäische Parlament verabschiedet und trat rückwirkend zum 1. Januar 2021 offiziell in Kraft. Somit löst es das Vorgängerprogramm „Horizon 2020“ ab, das Ende 2020 auslief. Horizon Europe soll die Erfolgsgeschichte der europäischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet von Forschung, Entwicklung und Innovation fortsetzen.

Die Gründe für „Horizon Europe“

Die Anzahl und Komplexität geopolitischer, sozialer, ökologischer und ökonomischer Herausforderungen wachsen kontinuierlich. Vor diesem Hintergrund rückt für die Europäische Union die Bedeutung einer vitalen Forschungs- und Innovationslandschaft stärker denn je in den Vordergrund. Der Wohlstand auf unserem Kontinent hängt ganz wesentlich von der Innovationskraft seiner Unternehmen, Universitäten und Forschungseinrichtungen ab.

Die größte Hürde, vor der Europa im globalen Wettbewerb mit den US-amerikanischen Technologiegiganten aus dem Silicon Valley oder den chinesischen Unternehmen aus dem Pearl River Delta steht, ist der Transfer wissenschaftlicher Spitzenklasse in unternehmerische und kommerzielle Industrieführerschaft. Die Verwertung der Forschungsergebnisse in marktfähige Produkte stellt ein zentrales Aufgabengebiet dar, in dem Europa noch signifikanten Nachholbedarf hat. Während rund ein Drittel der weltweiten wissenschaftlichen Fachliteratur aus europäischer Feder stammt1, verzeichnet die EU nur 5,23% der weltweiten Patentanmeldungen2.

[1] Quelle: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/IP_19_1676

[2] Quelle: https://www.wipo.int/edocs/pubdocs/en/wipo_pub_941_2019.pdf

Das Konzept von Horizon Europe

Diese Lücken gilt es zu schließen und genau an diesem wesentlichen strategischen Punkt setzt Horizon Europe mit seinen drei Säulen an:

  • Wissenschaftsexzellenz
  • Globale Herausforderungen und industrielle Wettbewerbsfähigkeit Europas
  • Innovatives Europa

Hierbei stehen die folgenden Themengebiete im Fokus:

  • Gesundheit
  • Inklusive und sichere Gesellschaften
  • Digitalisierung und Industrie
  • Klima, Energie und Mobilität
  • Lebensmittel und natürliche Ressourcen.

Was bedeutet dies für deutsche Unternehmen?

Durch Horizon Europe stehen Unternehmen innerhalb der EU von 2021 bis 2027 nun ca. 95,5 Mrd. EUR zur Verfügung, allerdings inklusive der zusätzlichen 5,4 Mrd. EUR aus „Next Generation EU“. Dies übertrifft zwar das Budget von Horizon 2020 für die Jahre 2014-2020, entspricht aber nur zwei Dritteln der Forderung der European University Association (EUA) und des Europäischen Parlaments an die finanzielle Ausstattung.

Für forschende Unternehmen in Deutschland bedeutet dies mit Blick auf den Wettbewerb um die Fördermittel, dass noch mehr Wert auf die Zusammenstellung erstklassiger Forschungs- und Innovationsverbünde, die Beschreibung überzeugender Projektideen und wettbewerbsstarke Antragsunterlagen gelegt werden muss.

Ergänzt wird das Budget durch nationale Fördermittel. Ein Beispiel in Deutschland ist die steuerliche Forschungszulage. Diese soll Zukunftsinvestitionen und -Innovationen bei deutschen Unternehmen ermöglichen bzw. erleichtern. 

Die Terms of Reference von Horizon Europe

Horizon Europe wird spezifische Änderungen der Förderfähigkeitsregeln und Änderungen im Hinblick auf den Prüfungsansatz mit sich bringen. Im Allgemeinen sind die Terms of Reference (ToR) für die Certificates of the Financial Statement detaillierter als jene des Vorgängers Horizon 2020. Nachfolgend erläutern wir die wichtigsten Neuerungen im Hinblick auf die ToR von Horizon Europe im Vergleich zu Horizon 2020.

Der Schwellenwert für das CFS steigt

Der Schwellenwert für das obligatorische CFS wird im Rahmen von Horizon Europe von vormals 325.000 EUR auf 430.000 EUR angehoben. Dieser Umstand liegt darin begründet, dass sich die Berechnungsmethodik geändert hat. Anders als in Horizon 2020 werden nun alle Kosten bei der Berechnung des Wertes berücksichtigt – wenn also der beantragte EU-Beitrag eines Begünstigten die o.g. 430.000 EUR erreicht oder übersteigt, muss ein von einem qualifizierten Wirtschaftsprüfer ausgestelltes CFS vorgelegt werden. Dieser Schritt ist notwendig, um der jeweiligen Bewilligungsbehörde zu ermöglichen, nachzuvollziehen, ob die abgerechneten Kosten und gegebenenfalls auch Einnahmen den im Grant Agreement festgelegten Bedingungen entsprechen.

Eine Ausnahme ergibt sich bezüglich eines optionalen System and Process Audits (SPA), welches Unternehmen mit einer seitens des Prüfdienstes der Europäischen Kommission bestätigten niedrigen Risikobewertung ermöglicht, ein CFS erst ab einem Schwellenwert von 725.000 EUR vorlegen zu müssen.

Vorzulegende Dokumente

Neben dem o. g. CFS müssen weitere Dokumente vorgelegt werden. Im Rahmen von Horizon Europe muss ein Finanzbericht an die Bewilligungsbehörde, sowie im Falle mehrerer Empfänger der Mittel ein Bericht über die Verteilung der Zahlungen eingereicht werden. Auch die Frist zur Einreichung dieser Dokumente wurde angepasst – so sind diese nicht mehr 60 Tage nach Ablauf des letzten Berichtzeitraumes, sondern 60 Tage nach dem Überweisungsdatum oder (je nachdem, welches Datum später liegt), dem Datum der Unterzeichnung der Änderungsvereinbarung einzureichen.

Die Beauftragung des Prüfenden erfolgt durch die Einrichtung

Wie im Vorgängerprogramm muss der Report für Horizon Europe von einem unabhängigen Prüfenden erstellt werden. Dem Unternehmen steht es frei, einen qualifizierten externen Prüfenden zu beauftragen. Anforderung ist hierbei wie bereits unter Horizon 2020 die Einhaltung der Richtlinie 2006/43/EC sowie dem internationalen Standard für Related Services (‚ISRS`) 4400. Öffentlichen Einrichtungen steht es frei, auch einen unabhängigen öffentlichen Rechnungsprüfer zu wählen. 

Neue ergänzende Festlegungen

Die Terms of Reference (ToR) von Horizon Europe definieren einige weitere Sachverhalte. So wurde unter anderem festgehalten, dass die Kosten für die Erstellung des CFS auf das betreffende EU-Projekt gebucht werden können. Ein weiterer Punkt ist die Notwendigkeit einer grundlegenden Systemprüfung. In diesem Sinne muss der Prüfende ein generelles Verständnis über das Buchhaltungssystem, das Zeiterfassungssystem und die gängigen Praktiken des Begünstigten erlangen. Weiterhin finden sich in den ToR Angaben zu den zu prüfenden Unterlagen und zum Prüfsystem, welches der Prüfende in Bezug auf die verschiedenen Kostenkategorien durchzuführen hat.

Agreed-upon Procedures in Horizon Europe

Die lange erwarteten Prüfschritte für Horizon Europe wurden im Februar 2024 von der Europäischen Kommission veröffentlicht. Grundsätzlich sind einige Procedures im Vergleich zu Horizon 2020 detaillierter beschrieben oder neu hinzugekommen. Im Folgenden finden sich ausgewählte Neuerungen:

  • Direkt zum Einstieg eröffnet ein neuer Passus das Dokument. Die Allgemeine Prüfung der Förderfähigkeit der Kosten aus der jeweiligen Kostenkategorie erhält in Horizon Europe einen eigenen Platz. Standard Finding wird in diesem Zusammenhang sein, dass die Kosten förderfähig, identifizierbar und überprüfbar, mit der Maßnahme verbunden und dem Teilnehmer während der Dauer der Maßnahme gemäß seiner üblichen Kostenrechnungspraxis entstanden sind. 
  • In der ersten Kostenkategorie: Personalkosten zeigt sich schnell eine erste Neuerung in der Kostenberechnung für tatsächliche Kosten. Statt wie aus Horizon 2020 gewohnt via Stundensatz und Produktivstunden, erfolgt die Berechnung der Personalkosten nun aus den Tagesäquivalenten und dem Tagessatz:

    Personnel Costs = Day equivalents/Daily Rate 

    Diese Neuerung, welche bereits aus dem AGA – Annotated Grant Agreement bekannt ist, zieht eine Reihe neuer Prüfschritte mit sich, um der eingeführten Berechnungsmethodik gerecht zu werden.
  • Ebenso wurden Ergänzungen zu projektbasierter Vergütung, Selbstständigen, von Dritten entsandter Mitarbeitender und den Kosten von KMU, natürlichen Personen und Freiwilligen aufgenommen. 
  • Auch für die nächste Kostenkategorie Vergabe von Unteraufträgen (Subcontracting) liegen wichtige Ergänzungen vor. Im Abgleich mit Horizon 2020 wird nun explizit darauf verwiesen, dass die geschätzten Gesamtkosten für Unteraufträge in Annex 2 des Grant Agreement aufgeführt werden müssen. Außerdem ist zu prüfen, dass keine Unteraufträge zwischen den Teilnehmenden geschlossen wurden und die im Grant Agreement verankerten Pflichten auch den Unterauftragnehmern auferlegt werden. Zudem ist sicherzustellen, dass keinerlei Interessenkonflikte vorliegen.
  • Bezüglich der Reise- und Aufenthaltskosten gibt es nun genauere Angaben zur Prüfung kombinierter Reisen und möglicher Interessenkonflikte.
  • Auch für Anlagekosten wird die Sicherstellung der Abwesenheit von Interessenkonflikten explizit neu erwähnt. Weitere Ergänzungen gibt es in dieser Kostenkategorie zum Thema physischer Inspektionen von Vermögenswerten durch die Prüfer:innen, Transaktionen zwischen Teilnehmenden, Kosten für Miete und Leasing von Ausrüstung, sowie die vollständige Aktivierung oder Abschreibung von Kosten. 
  • Für die Kategorie Other Direct Costs wurden ebenfalls die genannten Prüfschritte zu Interessenkonflikten und physischen Inspektionen ergänzt. 
  • Im Abschnitt Finanzielle Unterstützung Dritter wird statt auf den Höchstbetrag von 60.000 Euro aus Horizon 2020, auf den im Data Sheet (im Grant Agreement) oder mit der Bewilligungsbehörde definierten Höchstbetrag verwiesen. Außerdem neu ist die Unterscheidung nach Art der Unterstützung. 
  • Für Intern in Rechnung gestellte Waren und Dienstleistungen müssen in Horizon Europe explizit die nach den üblichen Kostenrechnungspraktiken des Beneficiarys angewendeten Verteilungsschlüssel geprüft werden. 
  • Für alle Kostenkategorien gilt außerdem, dass die von Fremdwährungen in Euro umgerechneten Kostenpositionen nicht mehr gezählt werden müssen. Teilnehmende, deren Konten nicht in Euro geführt werden, sind unverändert dazu angehalten, die Kosten gemäß Art. 21.3 des Grant Agreements korrekt umzurechnen.

Aller Änderungen und Ergänzungen zum Trotz können sich am Programm Teilnehmende auf eine gewisse Kontinuität einstellen. So gab es keine Neuerungen an der Systematik der Stichprobenerstellung für die Prüfung. Ebenso keine Änderungen gab es am bewährten Grundsatz, dass alle Kosten seitens des Teilnehmenden korrekt berechnet, angemessen belegt und in Einklang mit seinen üblichen Buchführungspraktiken stehen sollten.

Horizon Europe: Budget und Beantragung der Fördermittel

Um den Zugang zu den Fördermitteln zu erleichtern und damit verbundene administrative Aufwände zu reduzieren, wurden die Abrechnungsmodalitäten für Zuwendungsempfänger vereinfacht. Daher gelten für die Muster-Zuwendungsvereinbarung (Model Grant Agreement, MGA) die folgenden Maßgaben:

  • Änderungen der Bestimmungen fokussieren sich u.a. auf Regeln zur Verbreitung und Nutzung der Projektergebnisse.
  • Die Anzahl der verschiedenen, anwendbaren MGA wurde von aktuell etwa 40 auf nur noch drei reduziert: das allgemeine MGA, ein MGA für Projekte mit Abrechnung nach Stückkosten und ein MGA für pauschale Förderungen. Somit sollen Beantragung, Durchführung und Kumulierung von EU-Förderungen erleichtert werden.
  • Vereinfachung v.a. bei der Berechnung der Personalkosten, stärkere Berücksichtigung der üblichen Kostenrechnungspraktiken der Zuwendungsempfänger sowie neue Standardbestimmungen zur Abrechnung von Prototypen.

Das Team für Fördermittelberatung bei Deloitte begleitet gemeinsam mit dem europäischen Netzwerk der Deloitte Fördermittelexperten die aktuellen Entwicklungen von Horizon Europe intensiv. Dabei helfen wir Unternehmen aus unterschiedlichen Industrien dabei, durch die komplexe Fördermittellandschaft zu navigieren und unterstützen von der Antragsstellung bis hin zur Prüfung der Projektabrechnungen. Sprechen Sie uns an.