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Brexit Fokus: Zölle und Präferenzen

Großbritannien ist seit dem 1. Januar 2021 Drittland – damit hat britische Ware keinen präferenziellen „EU-Ursprung“ mehr. Das hat massive zollrechtliche Folgen, und zwar auch indirekt für Importe von EU-Waren in andere Länder rund um den Globus.

Es ist kompliziert. Und ist mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU noch viel komplizierter geworden. Denn der zollrechtliche „Beziehungsstatus“ zwischen EU und UK hat sich durch den Brexit radikal geändert.

Das betrifft zunächst den direkten Güteraustausch, der nunmehr von Zollabgaben, regulatorischen und anderen Hemmnissen betroffen ist. Zwar ist am letzten Tag des Jahres 2020 doch noch ein Post-Brexit-Handelsvertrag der EU mit UK zustande gekommen, mit dem der „harte“ Brexit in letzter Minute verhindert und eine Freihandelszone zwischen der EU und UK geschaffen werden konnte. Die Freihandelszone sieht allerdings nur vor, dass der präferenzielle Warenverkehr mit Ursprungserzeugnissen zwischen der EU und UK auch künftig frei von Zöllen zirkulieren kann. Auch Mengenbeschränkungen wird es nicht geben. Allerdings müssen die Ursprungsbestimmungen eingehalten sein und die hierfür notwendigen Formalitäten erledigt werden.

Auf den weltweiten Handel der EU-27 mit ihren anderen präferenziellen Partnerstaaten wirkt sich dieses Abkommen jedoch nicht aus. Das bedeutet, jede Vorleistung, die in UK erbracht wird (Erzeugnisse, Materialien oder jeder Be- oder Verarbeitungsvorgang), gilt für die Bestimmung des präferenziellen Ursprungs einer Ware als „nicht Ursprungserzeugnis/-komponente“ Damit werden solche Waren aber auch nicht mehr von Drittländern bevorzugt behandelt. Und das kann die ganze grenzüberschreitende Kalkulation durcheinanderbringen.

Ein Rechenbeispiel

Wie wirkt sich die Änderung des Ursprungs nun konkret auf die Präferenzen aus? Das fiktive Beispiel eines Exports aus Deutschland nach Mexiko kann die Problematik illustrieren. Eine Ware mit Ab-Werks-Preis von 100 Euro besteht aus drei Bestandteilen mit Herkunft Deutschland (45 Euro), Großbritannien (25 Euro) und Brasilien (30 Euro). Angenommen, die Präferenzbestimmungen sehen für die betroffene Warengruppe einen maximalen Drittlandanteil von 40% vor. Die Bedingung waren vor Brexit im Beispiel erfüllt (30% aus Brasilien), der Import kann zollfrei erfolgen. Mit dem Brexit hat sich das schlagartig geändert. Denn jetzt steigt der Wert des Drittlandanteils durch die entsprechende Bewertung des UK-Gehalts auf 55%. Damit werden beim Import in Mexiko Zölle nach dem Regelsatz fällig. Die ganze Kalkulation muss neu durchdacht werden.

Neben der finanziellen Problematik steigt auch der administrative Aufwand

Lieferantenerklärungen, die vor dem 1. Januar 2021 in UK ausgefertigt wurden, verlieren automatisch ihre Gültigkeit. Wurden sie hingegen in den EU-27 Mitgliedstaaten ausgefertigt, so sind die jeweiligen Lieferanten dazu verpflichtet, ihre Kunden darüber zu informieren, wenn die von ihnen ausgefertigte Lieferantenerklärung für die gelieferte Ware aufgrund von maßgeblichen UK Bestandteilen ab 1. Januar 2021 nicht mehr gültig ist.

Ermächtigte bzw. registrierte Ausführer müssen in ihren Ursprungskalkulationen sicherstellen, dass UK-Bestandteile ab dem 1. Januar 2021 nicht mehr als EU-Ursprungskomponenten berücksichtigt werden. Ggf. müssen Lieferketten entsprechend angepasst werden. Im Einzelfall kann es auch erforderlich sein, das zuständige Hauptzollamt darüber zu informieren, dass die Voraussetzungen zur Inanspruchnahme der vereinfachten Verfahren nicht mehr vorliegen.

Ein komplexes Thema also, mit dem manch kleineres mittelständisches Unternehmen überfordert sein dürfte. Denn durch eine andere Bewertung der Vorleistungen aus UK steigt über die finanzielle Problematik hinaus auch der administrative Aufwand unter Umständen erheblich. Und wie weit Dienstleister bestehende Kompetenzlücken in der Zollthematik schließen können, muss sich erst noch zeigen.

Fazit

So weit, so unbefriedigend. Dennoch müssen sich deutsche Unternehmen auf die Präferenz- und Ursprungsproblematik einstellen. Welche Optionen gibt es? Firmen können die Kalkulation neu ansetzen, mit allen Folgen, die das am Markt haben kann. Naheliegend wäre auch eine Anpassung der Lieferkette, indem etwa bezogene Vorleistungen aus UK abgebaut werden, um den EU-Warenursprung zu erhalten und das reibungslose Funktionieren der Supply Chain zu sichern. Machbare, aber unter Umständen schmerzhafte Schritte.