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Future of News: Szenarien für die Medienwelt von 2030

Bedeutung von Nachrichten für die Gesellschaft: Zukunftsszenarien und Handlungsfelder 

Desinformation, Polarisierung und Meinungsblasen: Diese aktuellen Trends stellen die Gesellschaft und die Medienbranche vor große Herausforderungen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie sichergestellt werden kann, dass die elementaren Funktionen von Nachrichtenmedien für die Demokratie weiterhin erfüllt werden. In der neuen Studie „Future of News“ haben Experten die wesentlichen Treiber analysiert, zu vier grundlegenden Szenarien verdichtet und konkrete Handlungsoptionen abgeleitet.

Heutzutage beziehen immer mehr Menschen Nachrichten und Informationen nicht mehr aus traditionellen Medien wie der Presse, sondern aus indirekten Quellen wie Sozialen Medien und Tech-Plattformen. Dort stehen journalistische Informationen allerdings gleichberechtigt neben Entertainment- und Infotainment-Inhalten. Oft ist den Konsumenten nicht bewusst, dass Algorithmen über den Inhalte ihres Newsfeeds entscheiden und dass diese dabei zu Einseitigkeit tendieren. Das führt zu Phänomenen wie Vertrauensverlust, Polarisierung und Desinformation. Die Folge sind Störungen demokratischer und politischer Prozesse – ein bedenkliches Risiko für das gesellschaftliche Miteinander. 


Die neue Deloitte-Studie „Future of News“ analysiert diese Entwicklungen und zeigt auf, welche Initiativen sie positiv beeinflussen könnten. Basis sind die Verhältnisse in den Niederlanden, die in ähnlicher Ausprägung auch in anderen westlichen Ländern vorliegen dürften. Die Studie verfolgt einen dreistufigen Ansatz: Zunächst wird die Bedeutung der Nachrichtenmedien für die Gesellschaft herausgearbeitet. Dann werden auf Grundlage einer Analyse der wichtigsten Treiber vier Zukunfts-Szenarien für 2030 formuliert. Abschließend werden Handlungsempfehlungen abgeleitet. 

Ein holistisches Bild vom Wert der Nachrichtenmedien

Ein gesellschaftliches Forum für Austausch und Debatte einerseits, ein unabhängiges Kontrollorgan zur Überwachung von Regierungen, Unternehmen und Institutionen andererseits: Das sind laut der Studie die beiden Hauptfunktionen der Nachrichtenmedien. Wie ist es aktuell um diese Funktionen bestellt? Um dies beurteilen zu können, wurden sechs fundamentale Indikatoren identifiziert und beispielhaft auf die Medienlandschaft der Niederlande angewendet.


Inklusivität bezieht sich auf die faire Repräsentation verschiedener sozialer Gruppen. Der Indikator Zugänglichkeit beschreibt finanzielle oder technologische Hemmnisse beim Medienkonsum. Vielfalt steht für die Präsentation von Informationen aus unterschiedlichen Perspektiven. Die Qualität der Nachrichten wird durch das Vertrauen der Konsumenten in die Medien sowie den Anteil falscher oder irreführender Meldungen bestimmt. Außerdem ist die Unabhängigkeit der Nachrichtenorganisationen von politischem und kommerziellem Einfluss wichtig. Ein weiterer kritischer Indikator ist Transparenz – beispielsweise über politische Orientierung, Finanzierung und Organisationsstruktur von Nachrichtenmedien. 

Treiber, Trends und offene Faktoren: Die Szenario-Analyse

Der zweite Schritt der Studie besteht in einer umfassenden Szenario-Analyse. Der Zweck dieses Ansatzes liegt darin, statt einer einzigen linearen Zukunftsprognose eine ganze Bandbreite von möglichen Entwicklungen aufzuzeigen. Angesichts der fundamentalen Unsicherheit vieler Treiber ergibt das einen besseren Rahmen für Entscheidungen und Strategiebildung. Die Akteure können sich auf unterschiedliche plausible Szenarien vorbereiten. Mithilfe von Experteninterviews und KI-gestützter Analyse von über sieben Millionen Nachrichtentexten wurden 96 entscheidende Treiber identifiziert – aus den Bereichen Gesellschaft, Technologie, Wirtschaft, Nachhaltigkeit und Politik / Regulation. Diese Treiber wurden in zwei Gruppen eingeteilt: 

  • Treiber mit großer Wirkung und absehbarer Entwicklung 
  • Treiber mit großer Wirkung und unsicherer Entwicklung

Vielfalt und Vertrauen: Die entscheidenden Aspekte

Aus der ersten Gruppe leiteten die Experten eine Reihe von wahrscheinlichen Prognosen ab, etwa die weitere Zunahme des indirekten Nachrichtenkonsums, die wachsende Bedeutung von Künstlicher Intelligenz bei der Inhaltserstellung und die Suche der Nachrichtenanbieter nach neuen Geschäftsmodellen. Anschließend wurde die zweite Gruppe der einflussreichen, aber unsicheren Treiber zu zwei zentralen Aspekten kondensiert: die Rolle der Tech-Plattformen im Hinblick auf die Vielfalt der zukünftigen Medienlandschaft sowie der Grad an Vertrauen, das Konsumenten den Nachrichtenmedien entgegenbringen. Entlang dieser beiden Dimensionen konnten die vier wichtigsten plausiblen Zukunftsszenarien erarbeitet werden. Welches davon tatsächlich eintreffen wird, hängt vom Verhalten aller Akteure ab – also Konsumenten, Nachrichtenmedien, Tech-Plattformen und Regulatoren.

Szenario 1: „Multidimensional Tribes“

Vielfältige Medienquellen und niedriges Vertrauen der Konsumenten zeichnen dieses Szenario aus. Die Konsumenten isolieren sich in Meinungsblasen, ungewohnte Perspektiven lehnen sie ab. Nachrichtenmedien haben Schwierigkeiten, Konsumenten zu erreichen und Inhalte zu monetarisieren. Technologien zur Steigerung medialer Transparenz stehen zwar zur Verfügung, werden von den Tech-Plattformen aber kaum genützt. Gemeinsame ethische Standards fehlen ebenfalls. Die Tech-Unternehmen sind unter diesen Umständen wenig dominant. Die Regulatoren bemühen sich, die Nachrichten-Landschaft zu schützen. Dennoch führt dieses Szenario zu einer zunehmenden Zersplitterung und einer Polarisierung der Gesellschaft. 

Szenario 2: „The News Utopia“

Im zweiten Szenario besteht ein hohes Vertrauen in die Nachrichtenmedien, die zugleich eine große Vielfalt aufweisen. Die Konsumenten haben einfachen Zugang zu Nachrichtenangeboten, der über die Tech-Plattformen wesentlich erleichtert wird. Die Nachrichtenmedien sind vertrauenswürdig gestaltet, ihre Inhalte durch entsprechende Technologie überprüfbar. Dabei ergibt sich das Risiko, dass die Konsumenten den Medien übermäßig vertrauen, sie seltener kritisch hinterfragen und sich auch in diesem Szenario in Meinungsblasen absondern. Die Regulatoren haben in ihren Regelwerken Verantwortung und Transparenz der Nachrichtenmedien verankert. Ein gesunder Wettbewerb wird begünstigt.

Szenario 3: „Benevolent Big Tech“

In diesem Szenario dominieren „wohlmeinende“ Big-Tech-Unternehmen. Die Konsumenten zeigen ein hohes Vertrauen in Nachrichtenmedien und großes Interesse an Nachrichten. Es existieren aber nur wenige Anbieter. Die Tech-Plattformen dominieren die Nachrichtenlandschaft, verhalten sich dabei jedoch verantwortungsvoll und missbrauchen ihre Position nicht. Sie übernehmen selbst etliche klassische Nachrichtenmedien. Die verbleibenden Medien regulieren sich selbst, der Regulator hat sich zurückgezogen.

Szenario 4: „Ignorance is Bliss“

Das letzte Szenario beschreibt eine Welt, in der die Verbraucher den Nachrichten nur ein geringes Vertrauen entgegenbringen. Wenige Nachrichtenanbieter überleben, sie werden von den Sozialen Medien bestimmt. Dafür vermarkten die Tech-Plattformen vermehrt automatisch erstellte Nachrichten und erzielen hohe Erträge. Die Ausweitung der Reichweite geht zu Lasten von Vielfalt und Transparenz. Desinformation und Manipulation sind verbreitet. Tech-Plattformen beherrschen die Nachrichtenlandschaft, die Regulatoren greifen nicht ein.  

Handlungsfelder für die Zukunft der Nachrichten

Je nach dominantem Szenario gefährden die aktuellen Trends der Nachrichten-Landschaft die beiden Grundfunktionen der Nachrichtenmedien zukünftig vermehrt, also die Funktionen als Bürger-Forum und als Kontrollinstanz. Die Studie stellt sechs Initiativen vor, die hier Abhilfe schaffen könnten. Idealerweise sollten diese durch eine Kooperation innerhalb der gesamten Branche vorangebracht werden. 


1. Digitale Medienbildung: Bildungsprogramme fördern die Medienkompetenz der Bürger und verbessern damit die Rahmenbedingungen für eine vielfältige Nachrichten-Landschaft. Dabei muss allerdings der Eindruck vermieden werden, dass eine bestimmte Agenda verfolgt wird. 

2. Kritisches Denken: Durch technische Mittel wie Reminder-Dialogfelder und Pop-Ups werden Konsumenten beim Medienkonsum daran erinnert, Inhalte kritisch zu hinterfragen. 

3. Transparente Algorithmen: Konsumenten erhalten Einfluss auf die Funktionsweise der Algorithmen, die für sie Inhalte empfehlen oder auswählen. Dabei müssen auch die legitimen Interessen der Anbieter berücksichtigt werden. 

4. Vielfältige News-Aggregatoren: „Pluriforme“ News-Aggregatoren, die aus unterschiedlichen Quellen gespeist werden, werden eingesetzt, um die Filterblasen im Medienkonsum aufzubrechen.

5. Herkunftsnachweis: Durch Technologien wie Blockchain werden Nachrichteninhalte mit einem dezentral verifizierbaren „Audit Trail“ versehen. Der Nachweis von Urheber, Integrität und Authentizität erhöht das Vertrauen der Nutzer.

6. Finanzierung für unabhängige Nachrichtenanbieter: Insbesondere auf lokaler Ebene haben viele Anbieter Schwierigkeiten mit der Finanzierung. Stiftungen und Subventionen können hier helfen, finanziert beispielsweise durch Spenden und staatliche Gelder.

Laden Sie hier den Abstract zu „Future of News“ herunter und erfahren Sie mehr zu den Ergebnissen der Szenarioanalyse. 

Zum Download der ausführlichen Studie gelangen Sie hier