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Kunden­service von Amazon und Co.

Der Todes­stoß für kleine Händler?

Die Digitalisierung verändert die Kommunikation zwischen Kunden und Unternehmen empfindlich. Unternehmer, die ein Call Center für ausreichend halten, müssen radikal umdenken. Große E-Commerce-Plattformen machen vor, wie es geht.

Von Steffen Legler, Partner und Practice Leader Deloitte Digital

Online-Shopper kennen das: Geht eine bestellte Ware kaputt, schicken sie sie einfach und kostenfrei wieder an den Händler zurück. Wenn sie dabei Hilfe brauchen, rufen sie den Händler an, schreiben ihm eine E-Mail oder nutzen die Chatfunktion auf seiner Homepage. Wie kann es sein, dass Online-Händler viel näher bei ihren Kunden sind als das Geschäft vor Ort? Weil die E-Commerce-Branche verstanden hat, welchen Service sich ihre Kunden wünschen.

Für Offline-Kunden, beispielsweise in Elektromärkten, sieht das beschriebene Szenario ganz anders aus: Es ist Samstagmittag und sie warten mit ihrem defekten Staubsauger im Servicebereich eines Elektromarkts. Es ist laut, voll, stickig, und das Problem kann nicht unbedingt vor Ort gelöst werden. Für viele sieht die Lehre aus diesem Service-Erlebnis so aus: Hätte ich besser online gekauft.

Das liegt unter anderem an der Weiterentwicklung des Customer Relationship Management (CRM) in den vergangenen Jahren, hauptsächlich im Onlinebereich. Kunden haben ihre Macht als Konsument erkannt. Sie wollen entscheiden, ob ihnen ein Brief lieber als eine E-Mail ist oder ob sie eine Filiale besuchen möchten statt alles auf dem Postweg zu erledigen. Amazon und Co. haben stationären Händlern in dieser Hinsicht eine Menge voraus. Denn wer seine Kunden fragt, wie sie miteinander kommunizieren wollen, suggeriert einen Hauch Individualität trotz Massenabfertigung. Diese kleinen Dinge zahlen enorm auf das eigene Imagekonto ein.

Kombiniert mit immer mehr Daten, die Kunden – durch ihr Verhalten oder ihre Auskunftsbereitschaft – einem Unternehmen liefern, veredelt ein gutes CRM den Kundenservice von der Pflicht zur Kür. Wichtig dabei ist, dass jeder Kunde weiß, was mit seinen Daten geschieht und welche Vorteile er dadurch hat. Amerikanische Unternehmen wie Amazon sind in diesem Bereich Vorreiter.

Das vermeintliche Wunschlos-glücklich-System stößt dennoch an seine Grenzen. Amazon bietet inzwischen eine Warenvielfalt, mit der kein Warenhaus konkurrieren kann. Je spezialisierter und erklärungsbedürftiger ein Produkt aber ist, umso mehr können sich kleine Unternehmen differenzieren. Eine entsprechende Technik für gutes Kundenbeziehungsmanagement brauchen kleinere und mittelgroße Unternehmen natürlich trotzdem. Cloudbasierte Lösungen sind eine kostengünstige Alternative gegenüber Eigenentwicklungen.

Die neuen Möglichkeiten des digitalen Customer Relationship Managements haben auch eine Kehrseite: Wenn es einmal soweit sein sollte, dass selbst komplexe Produkte von einfachen Servicekräften bei großen E-Commerce-Plattformen via Internet erklärt werden können, droht den kleinen Händlern der Todesstoß. Aktuell sind wir davon noch weit entfernt – und stellen uns weiter in die Kundendienst-Warteschlangen von Elektromärkten.

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