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MAC-Klauseln in Unternehmens­kauf­verträgen und die COVID-19 Pandemie

Die in deutschrechtlichen Unternehmenskaufverträgen bisher eher selten anzutreffenden MAC-Klauseln werden durch die COVID-19 Pandemie möglicherweise wieder häufiger Gegenstand intensiver Verhandlungen sein und Eingang in Vertragswerke finden. Aber greifen die bisher üblicherweise verwendeten Formen von MAC-Klauseln in Fällen wie der COVID-19 Pandemie überhaupt? Worauf gilt es zukünftig zu achten?

Funktion und Inhalt der MAC-Klausel:

Die aus dem angloamerikanischen Rechtskreis stammenden und dort seit jeher stark verbreiteten Material Adverse Change-Klauseln gewähren dem Käufer regelmäßig im Falle einer wesentlichen nachteiligen Veränderung (Material Adverse Change oder kurz „MAC“) das Recht, sich entweder unter bestimmten Voraussetzungen vom bereits unterzeichneten aber noch nicht vollzogenen Kaufvertrag (also zwischen dem sog. Signing und dem sog. Closing) zu lösen oder entsprechende Garantieansprüche geltend zu machen. Ein Rückgriff auf die gesetzliche Regelung der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB), die in Unternehmenskaufverträgen regelmäßig ausgeschlossen wird und bei welcher der Käufer vorrangig auf eine Vertragsanpassung verwiesen wäre, lässt sich durch die Aufnahme einer MAC-Klausel in den Kaufvertrag vermeiden. Faktisch wird der Käufer dadurch zumindest in die Lage versetzt, eine Kaufpreisminderung zu erzwingen, indem er einen Rücktritt vom Kaufvertrag androht.

Zu unterscheiden ist die MAC-Klausel von Material Adverse Event-Klauseln (oder kurz „MAE-Klausel“): Während die MAC-Klausel auf den Eintritt einer Veränderung zwischen Unterzeichnung und Vollzug des Kaufvertrags abstellt, erfassen MAE-Klauseln in der Regel auch Umstände, die bereits vor Unterzeichnung des Kaufvertrags existieren, aber erst danach effektiv zutage treten.

Die rechtstechnischen Ausgestaltungen von MAC-Klauseln können sehr unterschiedlich sein. Oftmals handelt es sich um eine negative, also auflösende Vollzugsbedingung, deren Eintritt vom Nichtvorliegen eines MAC-Ereignisses bis zum Zeitpunkt des Vollzugs abhängt . Flankiert wird diese Vollzugsbedingung regelmäßig – wie die übrigen Vollzugsbedingungen auch – durch ein Rücktrittsrecht, so dass der Käufer vom Vollzug der Transaktion Abstand nehmen und vom Kaufvertrag zurücktreten kann, sofern nicht alle Vollzugsbedingungen zu einem bestimmten Termin (sog. Long Stop Date) erfüllt sind. Eher seltener handelt es sich bei einer MAC-Klausel um eine vom Verkäufer abgegebene Garantie, die im Falle des Eintritts eines MAC-Ereignisses zwischen Unterzeichnung und Vollzug einen Schadensersatzanspruch des Käufers begründet.

In Jurisdiktionen, wo MAC-Klauseln häufiger verwendet werden, sind sie in der Regel sehr abstrakt formuliert, da im Zeitpunkt des Vertragsschlusses meist nicht abschätzbar ist, welche Umstände einen derart schwerwiegenden Einfluss haben können, dass sie die wirtschaftliche Lage des Zielunternehmens wesentlich beeinträchtigen.

Sofern die MAC-Klausel eine Präzisierung enthält, hängt die Definition des MAC-Ereignisses stark von der konkreten Ausgestaltung der Transaktion und der Branche des Zielunternehmens ab und kann daher sehr unterschiedlich ausfallen. Dem Grundsatz nach erfasst werden regelmäßig solche Umstände, die eine wesentliche nachteilige Veränderung der Vermögens-, Umsatz- oder Ertragslage des Zielunternehmens zur Folge haben. Ob die Veränderung bis zum Vollzugszeitpunkt bereits tatsächlich eingetreten sein muss oder – wie im Falle besonders käuferfreundlicher Formulierungen üblich – die bis dahin vorliegenden Umstände eine solche lediglich erwarten lassen müssen, ist häufig Gegenstand intensiver Verhandlungen.

Zum Zwecke der Konkretisierung enthalten MAC-Klauseln häufig einen Beispiels-Katalog von MAC-Ereignissen, die vom Anwendungsbereich der Klausel entweder explizit erfasst oder ausgeschlossen sein sollen. MAC-Ereignisse werden üblicherweise in unterschiedliche Kategorien eingeteilt: Ereignisse, die in der Sphäre des Zielunternehmens liegen, also auf dessen Geschäftsbetrieb bezogen sind, werden als Business MAC oder auch Company MAC bezeichnet. Dabei kann es sich z. B. um den Verlust einer betriebsnotwendigen Genehmigung oder die Beendigung von wichtigen Verträgen handeln. Ereignisse, die über die betriebsinternen Abläufe hinaus auch auf das geschäftliche Umfeld des Zielunternehmens oder allgemeine Entwicklungen bezogenen sind, werden als Market MAC bezeichnet. Dazu zählen z. B. Umwelt- und Naturkatastrophen, militärische Konflikte, terroristische Anschläge Konjunkturabschwünge, Börsen- und Finanzkrisen oder sonstige allgemeine Ereignisse, die die Wirtschaft schwerwiegend negativ beeinträchtigen könnten. Bei fremdfinanzierten Transaktionen werden mitunter auch noch auf die Finanzierbarkeit der Transaktion bezogenen Ereignisse (sog. Finance MAC ) in die MAC-Klausel mitaufgenommen. Als weitere Untergruppe existieren die auf einen Compliance-Verstoß des Zielunternehmens abstellenden MAC-Klauseln (sog. Compliance MAC).

Ferner ist die Konkretisierung des Merkmals der Wesentlichkeit der negativen Veränderung für alle Vertragsparteien von entscheidender Bedeutung. Zu diesem Zwecke werden in der Regel bestimmte Wesentlichkeitsschwellen festgelegt. Hierbei ist es wichtig, einen sinnvollen Bezugspunkt zu definieren. Sehr allgemein gehaltene Formulierungen, nach denen etwa auf die Vermögens- oder Ertragslage des Zielunternehmens abgestellt wird, führen in der Praxis häufig zu Unsicherheiten, da unklar bleibt, anhand welcher konkreten Finanzkennzahlen, wie z. B. EBITDA, Gewinn, Unternehmenswert (Enterprise Value) oder Eigenkapitalwert (Equity Value), die Bestimmung vorgenommen werden soll. Vereinbart werden könnte z. B., dass eine negative Veränderung erst dann als wesentlich im Sinne der MAC-Klausel gilt, wenn die Umsätze oder die Verringerung des EBITDA des Zielunternehmens jeweils um einen zahlenmäßig konkret angegebenen Prozentsatz sinken. Neben finanziellen Schwellenwerten können zusätzlich auch zeitliche Schwellenwerte , etwa die Mindestdauer eines Streiks oder einer Unterbrechung der Lieferkette sowie eine Mindestdauer der Verschlechterung der vereinbarten Unternehmenskennzahlen vereinbart werden.

Sofern in der MAC-Klausel eine explizite Auflistung von konkreten Beispielen enthalten ist, besteht für den Käufer das Risiko, dass im Rahmen einer gerichtlichen Klärung Umstände, die im Katalog nicht enthalten oder mit den genannten Beispielen vergleichbar sind, nicht berücksichtigt werden. Die Aufnahme eines ausdrücklichen Hinweises, dass der Katalog nicht abschließend ist, ist demnach für den Käufer recht vorteilhaft, jedoch wohl schwierig durchzusetzen.

Für der Fall, dass der Kaufpreis fremdfinanziert ist, enthalten häufig auch die zugrundeliegenden Finanzierungsverträge eine MAC-Klausel. Sofern diese von der im Kaufvertrag enthaltenen MAC-Klausel inhaltlich abweicht, besteht das Risiko, dass sich die finanzierende Bank vom Finanzierungsvertrag löst, während der Käufer an den Kaufvertrag gebunden bleibt.


Interessenlage und Auswirkung der COVID-19 Pandemie:

Der Verkäufer hat in der Regel kein Interesse an der Aufnahme einer MAC-Klausel, da sie zwischen Unterzeichnung und Vollzug des Kaufvertrags zu einer deutlichen Risikoverlagerung zu seinen Lasten führt. Sofern er sich auf die Aufnahme einer MAC-Klausel einlässt, wird er den Anwendungsbereich der Klausel möglichst eng fassen und auf unternehmensbezogene Vorgänge, also Business MACs, begrenzen wollen.

Im Interesse des Käufers ist indes die Aufnahme einer möglichst umfassenden Klausel, die sich gerade nicht nur auf unternehmensspezifische Verschlechterungen beschränkt, sondern auch branchenbezogene und allgemeine wirtschaftliche Vorgänge aufgreift.

Aufgrund des in den letzten Jahren sehr verkäuferfreundlichen M&A-Marktes war es für den Käufer in der Regel sehr schwierig, die Aufnahme einer MAC-Klausel in den Kaufvertrag auszuhandeln. Den wegen der COVID-19 Pandemie zu erwartenden Rückgang der Wirtschaft und die damit einhergehenden Verunsicherungen beim Erwerb eines Unternehmens könnten Käufer künftig durch zusätzliche Vollzugsbedingungen, Rücktrittsrechte und/ oder entsprechende Garantien in Form von umfangreichen MAC-Klauseln abgesichert wissen wollen. In Anbetracht der aktuell kaum vorhersehbaren Ausmaße wirtschaftlicher Beeinträchtigungen wird es dem Verkäufer oftmals schwerfallen, ein gesteigertes Sicherheitsbedürfnis des Käufers als fernliegend oder unbegründet gänzlich abzulehnen. Die COVID-19 Pandemie könnte also durchaus zu einer vermehrten Aufnahme von MAC-Klauseln in Unternehmenskaufverträge führen.


Löst die COVID-19 Pandemie vorhandene MAC-Klauseln aus?

Im Hinblick auf laufende Transaktionen sollte aufgrund der bisherigen Vertragslage geprüft werden, ob sich der Käufer vom unterzeichneten aber noch nicht vollzogenen Vertrag lösen kann, wenn sich die wirtschaftliche Lage des Zielunternehmens aufgrund der COVID-19 Pandemie erheblich verschlechtert (hat).

Ob die COVID-19 Pandemie ein Rücktrittsrecht des Käufers unter einer MAC-Klausel begründen kann, hängt von ihrer konkreten Ausgestaltung ab. Derzeit marktübliche MAC-Klauseln erfassen bisher eher selten ausdrücklich den Fall eines weltweiten Shutdowns wegen einer massenhaften Ausbreitung einer Viruserkrankung. Die Veränderung der allgemeinen wirtschaftlichen Bedingungen oder der Branche des Zielunternehmens dürfte in vielen Fällen von der Definition des MACs nicht erfasst sein. Zum Teil sind Pandemien in herkömmlichen MAC-Klauseln sogar ausdrücklich von den möglichen Rücktrittstatbeständen ausgeschlossen.

Auch wenn die betreffende MAC-Klausel keinen ausdrücklichen Ausschluss von Pandemie-Fällen enthält, ist fraglich, ob die COVID-19 Pandemie in den Anwendungsbereich der MAC-Klausel fällt. Bei üblicherweise verwendeten MAC-Klauseln, ließe sich diskutieren, ob die COVID-19 Pandemie wie eine Naturkatastrophe, ähnlich einem Erdbeben oder Hurrikan angesehen werden kann. Dies erscheint aber äußerst fraglich, da Pandemien zwar natürlichen Ursprungs, aber wohl nicht als Naturereignisse anzusehen sind.


Zukünftige Gestaltung von MAC-Klauseln aus Sicht des Käufers bzw. des Verkäufers vor dem Hintergrund der COVID-19 Pandemie und ähnlichen Sachverhalten:

Bei der Gestaltung zukünftiger Unternehmenskaufverträge sollte abgewogen werden, ob und in welcher Form potentielle Auswirkungen der COVID-19 oder ähnlicher Pandemien vertraglich abgebildet werden sollen bzw. in den Vertragsverhandlungen realistischerweise durchgesetzt werden können.

Aus Käufersicht ist die Aufnahme einer MAC-Klausel und die Erweiterung des MAC-Ereignis-Katalogs um beispielsweise 

  • die massenhafte Ausbreitung eines Krankheitserregers, 
  • einen starken Einbruch des Aktienmarkts, 
  • eine wesentliche Unterbrechung der Lieferkette, 
  • einen erheblichen Auftragsrückgang sowie 
  • eine Verschlechterung der Geschäftsaussichten beim Zielunternehmen 

anzuraten.

Dabei sollte eine hohe Eintrittswahrscheinlichkeit für die Bejahung des jeweiligen MAC-Ereignisses bereits genügen. Anderenfalls läuft der Käufer Gefahr, dass er sich nicht rechtzeitig vom Kaufvertrag lösen kann, da die Geschäftszahlen des Zielunternehmens selbst zum Zeitpunkt des bevorstehenden Vollzugs des Kaufvertrags noch nicht beeinträchtigt sind, obwohl die Abwärtsentwicklung in der betroffenen Branche bereits absehbar ist.

Sofern der Kaufpreis fremdfinanziert ist, sollte außerdem – wie bei allen Vollzugsbedingungen – sichergestellt werden, dass eine möglicherweise im Finanzierungsvertrag enthaltene MAC-Klausel inhaltlich mit der MAC-Klausel im Kaufvertrag übereinstimmt.

Aus Verkäufersicht sollte die MAC-Klausel, sofern sich ihre Aufnahme in den Kaufvertrag nicht vermeiden lässt, auf zielunternehmensinterne Sachverhalte beschränkt werden. Nachteilige Veränderungen der allgemeinen Wirtschafts- oder Branchenlage sowie die bloße Eintrittswahrscheinlichkeit von Ereignissen sollten vom Anwendungsbereich der Klausel ausdrücklich ausgenommen werden.

Wenn man als Verkäufer aufgrund der konkreten Verhandlungssituation gezwungen ist, eine Market MAC-Klausel oder gar noch weitergehende Formulierungen zu akzeptieren, sollte in jedem Falle die Aufnahme konkreter Wesentlichkeitsschwellen gefordert werden, aufgrund derer ein Rücktrittsrecht für den Käufer erst dann entsteht, wenn der die MAC-Klausel auslösende Umstand oder das entsprechende Ereignis zu einer konkret feststellbaren Verschlechterung der Finanzkennzahlen mit einem erheblichen Ausmaß (z. B. Reduzierung des EBITDA um den Wert X) beim Zielunternehmen führt, die nach fachkundiger Einschätzung eines Experten weit überwiegend wahrscheinlich auch nicht nur rein vorrübergehender Natur sein wird (z. B. > 6 Monate).

Um im Falle des Eintritts eines MAC-Ereignisses die Motivation des Käufers zur Loslösung vom Kaufvertrag einzudämmen, könnte der Verkäufer auf die Vereinbarung einer Break-up fee bestehen, die den Käufer im Falle eines MAC-bedingten Rücktritts zur Zahlung eines vertraglich festgelegten Ausgleichsbetrags verpflichtet.

Sofern sich die Parteien für die Aufnahme einer MAC-Klausel in den Kaufvertrag in Form einer negativen Vollzugsbedingung und/oder eines Rücktrittsrechts entscheiden, sollten sie sich darüber im Klaren sein, dass dies im Streitfalle zu erheblicher Rechtsunsicherheit und wesentlichen praktischen Problemen führen kann. Eine (schieds-)gerichtliche Auseinandersetzung über die Frage, ob die Voraussetzungen der MAC-Klausel eingetreten sind oder nicht, kann einen mehrjährigen Zeitraum beanspruchen, in dem völlig unklar bleibt, wie das Zielunternehmen zu führen ist.

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