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Auswirkungen des Brexit auf die IFRS-Rechnungslegung

Finanzberichterstattung in Zeiten der Unsicherheit

Der Brexit steht mittlerweile für mehr als den Austritt der Briten aus der EU. Er steht für Unsicherheit, Rezession und für die komplexen Anforderungen an deutsche Unternehmen, diese Unsicherheiten adäquat in der IFRS Rechnungslegung und damit im Geschäftsbericht abzubilden.

Was am 24. Juni 2016 mit dem Ergebnis des Referendums begann und sich in jahrelangen schwerfälligen Austrittsverhandlungen abgezeichnet hat, wurde am 31. Januar 2020 Realität: Das Vereinigte Königreich hat die Europäische Union (EU) verlassen. Nach wie vor besteht Unsicherheit darüber, wie nach der bis zum 31. Dezember 2020 andauernden Übergangsphase die Beziehung zwischen der EU und dem ehemaligen Mitgliedsstaat ausgestaltet sein wird. Für Unternehmen mit intensiven Geschäftsbeziehungen in Großbritannien birgt dies Risiken, über die transparent Bericht zu erstatten ist, um die Folgen des Brexits darzustellen. 

Was sollten Sie tun, um trotz der Unsicherheiten eine transparente Kommunikation mit Ihren Stakeholdern zu wahren? Je detaillierter die Angaben dazu sind, wo, wie und warum Ihr Unternehmen vom Brexit betroffen ist, desto besser können sich die Abschlussadressaten ein Bild von den möglichen Auswirkungen machen. Folgende Themen sollten Sie hier besonders im Blick haben:

Going Concern

Bei der Erstellung eines Abschlusses hat das Management die Fähigkeit des Unternehmens einzuschätzen, den Geschäftsbetrieb fortzuführen, da Jahresabschlüsse auf Basis der Going-Concern-Prämisse aufzustellen sind. Diese Einschätzung gewinnt hier besondere Relevanz, da der Brexit bspw. durch die Beeinträchtigung von Lieferketten wesentliche Auswirkungen auf das operative Geschäft eines Unternehmens und damit auch auf die Fortführung des Unternehmens haben kann.   Sind dem Management bei seiner Einschätzung wesentliche Unsicherheiten bekannt, die erhebliche Zweifel an der Fortführungstätigkeit des Unternehmens aufwerfen, ist dies im Abschluss anzugeben. 

Wertminderungen: Brexit und IFRS-Rechnungslegung

Durch den Brexit wird möglicherweise die Bewertung von nicht-finanziellen Vermögenswerten im Rahmen von Wertminderungstests beeinflusst. Dabei sind sowohl jährlich durchzuführende Wertminderungstests von Geschäfts- und Firmenwerten und immateriellen Vermögenswerten mit unbegrenzter Nutzungsdauer betroffen, als auch jene Vermögenswerte, die nur auf eine Wertminderung zu prüfen sind, wenn ein Anhaltspunkt dafür vorliegt. Dazu gehören zum Beispiel Sachanlagen und immaterielle Vermögenswerte mit begrenzter Nutzungsdauer. Die Unsicherheit kann dabei direkte Auswirkungen auf die Berechnungen der für einen Wertminderungstest erforderlichen Werte (Nutzungswert bzw. beizulegender Zeitwert abzüglich Veräußerungskosten) haben. Die Input-Parameter für die Berechnung, wie Cash-Flows, Diskontierungszinssätze, Einschätzungen über ökonomische Rahmenbedingungen, Prognosen über Mittelzu- und -abflüsse und weitere Annahmen können sich grundlegend ändern. Dies kann das Wertminderungsrisiko bei einem Unternehmen deutlich steigern. 

Auch bei finanziellen Vermögenswerten, die gem. IFRS 9 bilanziert werden, kann ein größeres Wertminderungspotenzial entstehen. Dabei ist zu unterscheiden, ob eine Klassifizierung zu fortgeführten Anschaffungskosten oder zum beizulegenden Zeitwert erfolgt. 

Finanzielle Vermögenswerte, die zu fortgeführten Anschaffungskosten und Schuldinstrumente, die zum beizulegenden Zeitwert erfolgsneutral über das sonstige Ergebnis bewertet werden, fallen in den Anwendungsbereich des Wertminderungsmodells des IFRS 9. Dieser sieht die Bildung einer Risikovorsorge vor, welche die erwarteten Kreditverluste widerspiegeln soll. Dabei sind bei der Bestimmung der Risikovorsorge sowie bei der Beurteilung, ob ein Stufentransfer vorzunehmen ist, auch zukunftsorientierte Informationen einzubeziehen, die Erwartungen bezüglich der Auswirkungen des Brexits beinhalten müssen. Die Auswirkungen eines harten Brexits auf die Risikovorsorge können im Rahmen einer Szenario-Analyse berücksichtigt werden. Geänderte Erwartungen hinsichtlich der Brexit-Auswirkungen spiegeln sich folglich in einer geänderten Risikovorsorge wider bzw. können einen Stufentransfer erforderlich machen. Durch Erwartungsänderungen kann zudem eine Prüfung des Wertes von gehaltenen Sicherheiten notwendig werden.

Darüber hinaus kann sich die Volatilität von Marktpreisen erhöhen, die gem. IFRS 13 bei der Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts zu berücksichtigen sind. Bezogen auf die Fair Value Ermittlung betrifft dies sowohl Finanzinstrumente, die erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert (z.B. Derivate) und solche, die erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert bewertet werden (z.B. strategische Investments), sowie zu fortgeführten Anschaffungskosten bilanzierte Instrumente, für die im Anhang eine Angabepflicht des beizulegenden Zeitwerts besteht. Dabei sind beobachtbare Informationen (Level 1 und Level 2-Inputs der Bemessungshierarchie des IFRS 13) wie Marktpreise und Zinssätze auch in einem volatilen Marktumfeld als Input-Faktoren bei der Bewertung zu priorisieren. Werden bei einer modellgestützten Bewertung nicht beobachtbare Input-Faktoren (Level 3-Inputs) wie bspw. unternehmensinterne Informationen herangezogen, dann sind diese vor dem Hintergrund einer mit dem Brexit verbundenen erhöhten Unsicherheit gegebenenfalls anzupassen.

Auch weitere gemäß IFRS 13 zum beizulegenden Zeitwert bewertete Vermögenswerte können betroffen sein. So ist bspw. der beizulegende Zeitwert von als Finanzinvestitionen gehaltenen Immobilien am Ende einer Berichtsperiode zu ermitteln. Dabei besteht auch in diesem Fall, aufgrund geänderter Erwartungen hinsichtlich der Brexit-Auswirkungen, die Möglichkeit, dass die Modelle und Input-Faktoren zur Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts zu adjustieren sind. Entsteht ein Gewinn- oder Verlust durch die Bewertung der als Finanzinvestition gehaltenen Immobilien, ist dieser sofort aufwandwirksam zu erfassen.

Hedge Accounting

Bei der Bilanzierung von Cash-Flow Hedges nach IFRS 9 kann die aus dem Brexit resultierende Unsicherheit Auswirkungen auf die Eintrittswahrscheinlichkeit von gesicherten, erwarteten Transaktionen haben, bspw. den Bezug von Waren oder Rohstoffen.  Wird der Eintritt einer gesicherten, erwarteten Transaktion nicht mehr als hochwahrscheinlich eingestuft, muss die Sicherungsbeziehung prospektiv beendet werden. Alle zukünftigen Änderungen des beizulegenden Zeitwerts des Sicherungsinstruments sind dann ergebniswirksam zu erfassen. Die angesammelten Beträge aus der Wertänderung des Sicherungsinstruments müssen aus der Cash-Flow Hedge Rücklage (OCI) in die Gewinn- und Verlustrechnung reklassifiziert werden. Der Umgliederungszeitpunkt ist davon abhängig, ob ein Eintritt der Transaktion noch wahrscheinlich ist. Ist dies der Fall, verbleiben die angesammelten Beträge aus dem Sicherungsinstrument solange im OCI, bis die Transaktion eintritt. Wenn nicht mehr mit dem Eintritt des Grundgeschäfts gerechnet werden kann, hat eine sofortige ergebniswirksame Reklassifizierung in die Gewinn- und Verlustrechnung zu erfolgen.

Fremdwährungsumrechnung

Des Weiteren könnten Brexit-bedingte Unsicherheiten zukünftig zu einem volatileren GBP-Wechselkurs führen, woraus sich Implikationen für die Wechselkursumrechnung ergeben. Bei Umrechnung von Fremdwährungstransaktionen in die funktionale Währung, sowie bei der Umrechnung in die Darstellungswährung, sind nach IAS 21 statt dem jeweils relevanten Spotkurs vereinfachend Durchschnittskurse über eine bestimmte Periode (bspw. je Jahr oder Quartal) zulässig. In Phasen stark schwankender Wechselkurse ist diese Vereinfachung jedoch nicht angemessen. Folglich wäre entsprechend durch ein Unternehmen zu prüfen, inwieweit bei einer erhöhten Volatilität die zur Durchschnittsbildung verwendeten Perioden zu verkürzen sind.

Sonstige Rückstellungen und Pensionen

Nach IAS 37 sind bestehende Rückstellungen zu jedem Abschlussstichtag auf ihre bestmögliche Schätzung zu prüfen und ggf. entsprechend anzupassen. Die mit dem Brexit verbundenen Unsicherheiten können sich auch auf diese Schätzungen und damit auf den Ansatz und die Bewertung der Rückstellungen auswirken. Zudem kann aufgrund des veränderten wirtschaftlichen Umfelds eine Anpassung des Diskontierungszinssatzes erforderlich sein. Für die Ermittlung der Nettoschuld der Pensionsrückstellungen ist die Höhe des Diskontierungszinssatzes ebenfalls von entscheidender Bedeutung. Dieser und auch weitere zugrundeliegende Annahmen sind für die Berechnung auf potenzielle Auswirkungen des Brexits genau zu untersuchen.

Ertragsteuern

Es ist wahrscheinlich, dass der Austritt Großbritanniens sowohl Änderungen am britischen als auch am europäischen Steuerrecht zur Folge hat. Dies könnte sich auf die Berechnung von tatsächlichen und latenten Steuern nach IAS 12 auswirken. IAS 12 sieht für Unternehmen die Bilanzierung einer Ertragssteuerverbindlichkeit vor. Die Ermittlung zum Abschlussstichtag basiert auf den zu diesem Zeitpunkt bzw. in Kürze geltenden Steuergesetzen. Die sich aus dem Brexit ergebenden Auswirkungen auf den Steuerstatus von Unternehmen sind gem. SIC-25 dann zu berücksichtigen, wenn sie in der aktuellen Berichtsperiode eintreten. Ist die Änderung des Steuerstatus hingegen erst nach dem Ende der aktuellen Berichtsperiode eingetreten, so stellt dies ein nach IAS 10 nicht zu berücksichtigendes Ereignis nach der Berichtsperiode dar. Ist dieses Ereignis wesentlich, ist es im Anhang anzugeben. 

Angaben im Anhang

Natürlich müssen sich die vorangegangenen quantitativen Änderungen am Zahlenwerk auch in den Angaben im Anhang widerspiegeln. Übergreifend sollte hier alles festgehalten und berichtet werden, was sich wesentlich ändert. Im Folgenden stellen wir Ihnen übersichtsartig eine Auswahl von Angabeerfordernissen dar, die vor diesem Hintergrund geprüft werden sollten:

  • Angaben zu der Prämisse der Unternehmensfortführung sowie zu Quellen von Schätzungsunsicherheiten nach IAS 1
  • Angaben zu den Änderungen der Parameter für einen Wertminderungstest nach IAS 36
  • Angaben zur Bilanzierung von Finanzinstrumenten und Hedge Accounting nach IFRS 9, also im Wesentlichen Angaben nach IFRS 7  
  • Angaben nach IFRS 13 zur „Bemessung des beizulegenden Zeitwerts“
  • Erforderliche Angaben zu Änderungen in IAS 19 und IAS 37 
  • Angaben, die IAS 10 „Ereignisse nach der Berichtsperiode“ betreffen
  • Jegliche Angaben in Verbindung mit steuerlichen Unsicherheiten aufgrund des Brexits

 

Wir unterstützen Sie dabei, die Folgen des Brexit zu meistern.
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