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Aufschwung nach der Pandemie: Szenarien zum europäischen Konsumverhalten

Szenario-Analyse: drei plausible Varianten der Erholung

Durch die COVID-19-Krise ist die europäische Wirtschaft stark eingebrochen. Die Bekämpfung der Pandemie durch mehrere Lockdowns führte nicht nur zu einem massiven Rückgang der Verbraucherausgaben, sondern auch zur Schließung ganzer Wirtschaftszweige, wie etwa des Einzelhandels. Darin unterscheidet sich die aktuelle Krise von früheren Rezessionen. Folglich können Händler und Konsumgüterhersteller auch nicht erwarten, dass die Erholung in traditionellen Bahnen verläuft. Der Aufschwung wird davon abhängen, wie schnell die Impfkampagnen verlaufen, die Restriktionen aufgehoben werden und wie die europäischen Konsumenten ihre Ersparnisse auflösen, die sie in der Krise gebildet haben. Wie die zukünftige Entwicklung ausfallen könnte, wird im vorliegenden Report von Deloitte anhand von drei verschiedenen Szenarien dargestellt. In der Basisvariante ist ein durchaus rascher Aufschwung zu erwarten.

Um dem wellenförmigen Infektionsgeschehen entgegenzutreten, wurden weltweit Geschäfte geschlossen und weitreichende Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen verhängt. Die Folge: die europäische Wirtschaft verzeichnete eine Rezession historischen Ausmaßes. Das betraf insbesondere den privaten Konsum in der Eurozone, der sich in den Jahren zuvor als wichtigster Treiber der gesamtwirtschaftlichen Leistung erwiesen hatte. Die Konsumausgaben fielen in 2020 um 8,6 Prozent. Andererseits ist im wahrscheinlichen Fall einer erfolgreichen Impfkampagne eine markante Aufhellung der privaten Konsumneigung zu erwarten (vgl. dazu das Deloitte Economic Trend Briefing „Konjunkturausblick 2021“ vom Januar 2021). Dafür müssen sich die Unternehmen nun aufstellen. 

Eine vorrausschauende Planung wird jedoch durch die besonderen Umstände der COVID-19 Krise erschwert. Normalerweise halten Konsumenten ihr Geld während eines wirtschaftlichen Abschwungs zusammen. In der aktuellen Krise gingen die Konsumausgaben aber darüber hinaus noch deswegen zurück, weil Geschäfte und Restaurants geschlossen waren und viele Dienstleistungen gar nicht mehr angeboten werden durften. Dementsprechend waren die Möglichkeiten, Geld auszugeben, beschränkt. Folglich explodierte die Sparquote in Europa förmlich und die verfügbaren Einkommen der Konsumenten waren aus makroökonomischer Sicht durch wirtschaftspolitische Maßnahmen wie das Kurzarbeitergeld ziemlich stabil. Wie schnell diese Ersparnisse ausgegeben werden, wird den Aufschwung 2021 prägen. Die europäischen Konsumenten haben in 2020 immerhin 450 Milliarden Euro mehr gespart als im Krisenjahr 2020. Die Zukunftserwartungen der Konsumenten, die Lage auf dem Arbeitsmarkt und der Fortschritt bei den Impfkampagnen werden hierbei eine Rolle spielen. Weitere Fakten zur aktuellen Lage liefert die Deloitte-Studie Global Consumer Pulse Survey.

European Consumers after the Pandemic

Die Zeit nach COVID-19: Drei Szenarien der Konsumentwicklung

Aufgrund der großen Ungewissheit bezüglich des weiteren Pandemieverlaufs, des Fortschritts der Impfkampagnen, sowie der finanziellen Situation der europäischen Konsumenten nach der Pandemie, ist es ratsam in möglichen Szenarien zu denken. 

Basisszenario – The Good: Rückkehr zum Vorkrisenniveau bis 2. Quartal 2022

Aktuelle Konjunkturprognosen rechnen mit einer fortgesetzten ökonomischen Unsicherheit und anhaltenden COVID-19 Restriktionen bis deutlich ins Jahr 2021 hinein (vgl. dazu das Deloitte Economic Trend Briefing „Konjunkturausblick 2021“ vom Januar 2021). Abhängig vom Tempo der Impfkampagnen könnten ab dem späten Frühjahr jedoch schrittweise Lockerungen folgen, die besonders die gebeutelte Dienstleistungsbranche entlasten würde. Unter diesen Voraussetzungen geht Deloitte Research davon aus, dass der Aufschwung der Konsumentenausgaben im zweiten Quartal beginnt, sich im dritten beschleunigt, und dass die Konsumausgaben insgesamt im zweiten Quartal 2022 das Vorkrisenniveau erreicht haben werden. 

Szenario 2 – The Bad: Rückkehr zum Vorkrisenniveau bis 2. Quartal 2023

Falls die Impfkampagnen keine schnelle Verbesserung der Situation bewirken, könnten belastende Stop-and-go-Lockdowns zur neuen Normalität werden. Das Resultat: die Haushalte hätten weniger Einkommen zur Verfügung, der Konsum würde weiterhin auf niedrigem Niveau verharren und die Sparneigung steigen. Die Erholung zieht sich in diesem Fall länger hin und entwickelt sich eher in Form einer L- oder W-Kurve (im Gegensatz zu den denkbar positiveren Verläufen in U- und V-Form).

Szenario 3: The Very Good - Rückkehr zum Vorkrisenniveau bis 4. Quartal 2021

Ebenso denkbar ist ein Szenario mit überraschend starkem Anzug der privaten Nachfrage. Wenn die Impfkampagnen in Europa an Tempo gewinnen – so wie es Großbritannien vorgemacht hat – und sich der Arbeitsmarkt weiterhin allgemein robust hält, könnten Lockdown-Maßnahmen zügig zurückgefahren werden. Dies könnte Verbraucher dazu bewegen, ihr während der Krise angespartes Geld sehr schnell auszugeben und dadurch die Wirtschaft und Investitionsbereitschaft der Unternehmen anzukurbeln. Allerdings kann es bei entsprechender konjunktureller Belebung auch zu einer temporären Zunahme der Inflation kommen. Im Extremfall dieses Szenarios könnte uns eine Phase des wirtschaftlichen Wachstums und Wohlstandes bevorstehen, eine neue Version der „Roaring Twenties“ sozusagen, die  dem Ende des Ersten Weltkrieg und dem Rückgang der Spanische Grippe folgte. 

Implikationen für die Unternehmen

Auch wenn alle drei Szenarien plausibel sind, erscheint das Basisszenario einer guten Entwicklung zu diesem Zeitpunkt doch am plausibelsten. Gleichwohl sollten Händler und Konsumgüterhersteller aufgrund der anhaltenden Unsicherheit und Risiken die anderen, extremeren Szenario-Varianten bei der strategischen Planung nicht außer Acht lassen. Abhängig vom Land und der jeweiligen Branche kann sich das Tempo und das Ausmaß der Erholung signifikant unterscheiden. Alle weiteren wichtigen Details zum Thema lesen Sie im neuen Deloitte Report „European consumers after the pandemic“ in englischer Sprache.