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COVID-19 aus Sicht von Familienunternehmen
Mit welchen Herausforderungen Familienunternehmen derzeit konfrontiert sind und wie sie jetzt reagieren sollten, um die Corona-Krise bestmöglich abzufedern, berichtet Deloitte Partner Friedrich Wiesmüllner im Interview.
Die Corona-Krise beschleunigt Entwicklungen wie die Digitalisierung, Telearbeit und automatisierte Produktion. Wie können Familienunternehmen mögliche Defizite in diesen Bereichen schnellstmöglich überwinden?
Die Corona-Krise und die Notwendigkeit auf die verordneten Maßnahmen schnell und adäquat reagieren zu müssen hat viele Unternehmen, darunter auch Familienunternehmen vor große Herausforderungen gestellt. Themen wie Home-Office & Remote Working, Shut-Down, Minimumauslastung und Hochfahren der Produktionen, sowie die Umstellung von Logistiklösungen wurden zwangsläufig in den Fokus gerückt. Es zeigt sich, wie wichtig funktionierende, flexible und verlässliche IT-Systeme sind. Die bereits eingeleitete Digitalisierung in allen Bereichen hat durch Corona nochmals eine deutliche Beschleunigung erfahren. Es gibt kein Unternehmen, wo nicht Verbesserungspotenziale identifizierbar sind.
Die wichtigste Erkenntnis ist aber die Notwendigkeit zur Flexibilität, um auf nicht vorhersehbare Ereignisse – und Corona war ein solches – möglichst rasch reagieren zu können. Die schnelle Verfügbarkeit von und die Vorsorge für entsprechende Kapazitäten (HR, IT, Finanz, etc.) ist aus meiner Sicht entscheidend.
Welche strategischen Schwerpunkte sollten Familienunternehmen jetzt setzen?
Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch nach Corona viele Rahmenbedingungen und Prozesse nicht mehr die gleichen sein werden wie vor Beginn der Pandemie. Man denke an Logistikprozesse, Kaufverhalten von Kundinnen und Kunden, Arbeit im Unternehmen und Kommunikation nach innen und außen; dies ungeachtet der ggf. zusätzlichen Thematik eines wirtschaftlichen Abschwungs. Der Schwerpunkt sollte daher sein, sich vor Augen zu führen, wo das Unternehmen unter verschiedenen Annahmen in 1-2 Jahren stehen soll und wird. Strategische Planungen und Entscheidungen zur (Neu-)Ausrichtung des Unternehmens stehen meines Erachtens nach an erster Stelle.
Der Kundenkontakt hat sich durch COVID-19 stark verändert. Worauf sollten Familienunternehmen achten?
Der Kundenkontakt und das Kundenverhalten hat sich seit Mitte März stark verändert. Ein Großteil der Bevölkerung wird die neuen Gewohnheiten nicht wieder vollständig ablegen. Diese neuen Bedürfnisse zu verstehen, darauf einzugehen und auf schnelle Änderungen flexibel reagieren zu können wird der Schlüssel zum Erfolgt sein. Je digitaler der Kundenkontakt bereits war, um so einfacher werden diese Herausforderungen zu meistern sein. Aber auch hier gilt die Maxime der Flexibilität.
Auf welche zukünftigen Veränderungen am Arbeitsmarkt sollten sich Familienunternehmen einstellen?
Remote-Working hat insbesondere in den Vertriebs- und Verwaltungsbereichen zahlreiche Vor- und Nachteile aufgezeigt. Es ist davon auszugehen, dass in gewissen Branchen, Altersgruppen, Arbeitsprofilen und logistischen Rahmenbedingungen, der Arbeitsmarkt diese neue Form des Arbeitens reflektieren und ggf. fordern wird. Um alle Vorteile optimal nutzen zu können, ist ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit notwendig; nur dann können die Potenziale aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter optimal genutzt werden.
Jede Krise bietet auch Chancen. Wie können Familienunternehmen diese bestmöglich nutzen?
Diese Krise sollte im Idealfall dazu führen, dass sich Familienunternehmen intensiv mit bestehenden Prozessen und deren Zukunftsausrichtung auseinandersetzen. Jene Unternehmen, die bereits laufend einen Analyse- und Optimierungsprozess praktizieren, haben jetzt einen strategischen Vorteil, denn sie können sich auf die neuen Rahmenbedingungen schneller umstellen und sich am Markt gestärkt positionieren. Für andere bringt die Notwendigkeit zur Adaption aber auch die Chance, bisher ungeliebte und möglicherweise nicht populäre und/oder durchsetzbare Maßnahmen umzusetzen. Klarerweise werden sich in einigen Branchen durch etwaige Markbereinigungen Chancen für strukturell starke Unternehmen ergeben. Ebenso eröffnen sich Möglichkeiten, in bestehende oder sich kurzfristig ergebende Nischen vorzudringen.
Welche Entwicklungen bei Familienunternehmen beobachten Sie in Ihrer Beratungspraxis sonst noch?
Nach Bewältigung mannigfaltiger Herausforderungen der vergangenen und auch zukünftigen Wochen, die besonders durch das Thema Sicherung von Liquidität geprägt waren und sein werden, richtet sich der Blick zunehmend auf die Anpassung der Unternehmensstrategie. Unabhängigkeit und Flexibilität in den Kernbereichen des Unternehmens, vor allem im Bereich der Refinanzierung, rückt verstärkt in den Fokus. Die offene Kommunikation und Vernetzung mit Lieferanten, Kunden und sonstigen Stakeholdern wird zunehmend als essenziell gesehen. Ich nehme aber auch einen zunehmenden Austausch zwischen den Unternehmen zum Benchmarking und zur Artikulation der Bedürfnisse gegenüber der Öffentlichkeit wahr. Ebenso ist zu beobachten, dass innerhalb der Eigentümerschaft die einzelnen Familienmitglieder- bzw. Stämme besser und enger zusammenarbeiten, gleichwohl dem Motto: „Gemeinsam schaffen wir das.“
Mag. Friedrich Wiesmüllner ist Family Business Leader und Partner in der Wirtschaftsprüfung bei Deloitte in Wien. Er leitet zusätzlich den Bereich Deloitte Private bei Deloitte in Zentraleuropa. Als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater vertrauen Klientinnen und Klienten auf seine Expertise in der Prüfung von Einzel- und Konzernabschlüssen nach nationalen und internationalen Rechnungslegungsstandards, bei betriebswirtschaftlichen Fragen sowie Prozess- und Umstrukturierungen. Sein Tätigkeitsschwerpunkt liegt in der Betreuung von Mittelstandsunternehmen im Bereich Handel, Industrie und Dienstleistung.
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