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Die Zukunft der MwSt für Finanz- und Versicherungsdienstleistungen
Ein Blick auf den Fahrplan der EU-Kommission
Im Rahmen ihrer Bemühungen zur Vereinfachung der EU-Mehrwertsteuervorschriften hat die Europäische Kommission eine Initiative zur Überarbeitung der EU-Mehrwertsteuervorschriften für Finanzdienstleistungen und Versicherungen (FSI) gestartet. Der aktuelle Fahrplan für die Überarbeitung der derzeitigen MwSt-Vorschriften für Finanzdienstleistungen und Versicherungsumsätze liegt vor und ist Grundlage für die nächsten Schritte.
Ausgangssituation
Die derzeitigen MwSt-Vorschriften für Finanz- und Versicherungsdienstleistungen, welche 1977 eingeführt wurden, werden branchenweit kritisiert, weil sie komplex und schwierig anzuwenden sind und nicht mit der Entwicklung neuer Dienstleistungen in diesem Sektor Schritt gehalten haben (wie zB Fintech-Dienstleistungen einschließlich Dienstleistungen im Zusammenhang mit Kryptowährungen und E-Geld). Dies führt zu zunehmenden Rechtsstreitigkeiten vor dem EuGH (vgl zB aktuell Rs Danske Bank A/S, Rs „K“, Rs DBKAG etc), Rechtsunsicherheiten und hohen administrativen und regulatorischen Kosten. Darüber hinaus kommt es im EU-Binnenmarkt zu Wettbewerbsverzerrungen, weil diese Vorschriften von den Mitgliedstaaten uneinheitlich ausgelegt und angewendet werden.
Bereits vor Beginn der weltweiten Finanzkrise Ende 2007 legte die Europäische Kommission einen Vorschlag zur Änderung der MwSt-Richtlinie vor, um Versicherer und Finanzdienstleister zu entlasten. Der Vorschlag wurde im Frühjahr 2016 von der Kommission zurückgezogen, da eine Einigung nicht absehbar war.
Roadmap EU-Kommission
Die Kommission hat nunmehr in 2020 einen neuen Anlauf unternommen, die Vorschriften über die mehrwertsteuerliche Behandlung von Versicherungs- und Finanzdienstleistungen zu modernisieren und zu vereinfachen. Als erster Schritt dazu wurde eine Roadmap veröffentlicht, in der die Ausgangslage und die Probleme der aktuellen Rechtslage dargelegt und politische Optionen skizziert werden (Combined Evaluation Roadmap/Inception Impact Assessment vom 22.10.2020)
Das Impact und Evaluation Assessement wird auf der Grundlage von zwei möglichen politischen Hauptoptionen durchgeführt werden:
- Aufhebung der bestehenden Steuerbefreiung, um Finanz- und Versicherungsdienstleistungen zu besteuern oder
- Beibehaltung der Steuerbefreiung, aber Änderung ihres Anwendungsbereichs, indem nur bestimmte Arten von Dienstleistungen besteuert werden, zB gebührenbasierte im Gegensatz zu zinsbasierten Dienstleistungen.
Darüber hinaus werden auch andere Maßnahmen in Betracht gezogen wie zB unterschiedliche Steuersätze für bestimmte Finanzdienstleistungen oder zB die Einführung von Kostenteilungsregelungen, um das Problem der nicht abzugsfähigen Vorsteuer einzudämmen. Letzteres betrifft in Österreich die Befreiung gem § 6 Abs 1 Z 28 UStG (besser bekannt als „Zusammenschlussbefreiung“). Der EuGH hat in mehreren Urteilen entschieden, dass die derzeitigen Kostenteilungsregeln nicht auf den Finanz- und Versicherungssektor anwendbar sind (Rechtssachen C-605/15, Aviva, C-326/15, DNB Banka sowie C-616/15, Europäische Kommission gegen Deutschland).
Parallel zum Impact Assessment fand zwischen dem 8.2.2021 und dem 3.5.2021 eine öffentliche Konsultation statt, um die Ansichten von Interessengruppen und Behörden der Mitgliedstaaten einzuholen. Die Ergebnisse wurden in einem Factual Summary Report veröffentlicht. Diese werden für die Bewertung der derzeitigen Regeln analysiert und stellen somit die die Basis für die Ausarbeitung von Optionen für die Überarbeitung der Mehrwertsteuerrichtlinie dar.
Ausblick
Der Fahrplan sieht vor, dass die Kommission im 3. Quartal 2021 eine Folgenabschätzung veröffentlicht und auf der Grundlage der Rückmeldungen und Folgenabschätzungen im 4. Quartal 2021 einen Vorschlag für eine Richtlinie vorlegen wird.
Über die weiteren Entwicklungen werden wir Sie am Laufenden halten.
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