Konzernverantwortungsinitiative

Perspektiven

Konzernverantwortung: Mehr Transparenz statt Drohkulissen

Von Reto Savoia, CEO

Schweizer Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) helfen heute Menschen in Entwicklungsländern in vielfältiger Weise. Die radikale Konzernverantwortungsinitiative gefährdet diese erfolgreiche Zusammenarbeit. Die Initianten sollen den Generalverdacht gegen Unternehmen fallen lassen und Hand bieten zu einem vernünftigen Gegenvorschlag.

Dieser Text ist erstmals erschienen in der Handelszeitung vom 19. April 2018

Die Unternehmen stehen immer mehr im Licht der Öffentlichkeit. Was früher hinter verschlossenen Türen verhandelt und beschlossen wurde, wird heutzutage öffentlich begründet und breit kommentiert. Diese Entwicklung begrüsse ich sehr. Ich kenne kein Unternehmen, das sich die alten Zeiten zurückwünscht. Umfassende Transparenz ist zwar manchmal anstrengend, führt aber zu einer breiteren Diskussion und im Ergebnis zu besseren Entscheidungen.

EU und UNO gehen voran

Diese Entwicklung muss aber noch weitergehen. Die EU verpflichtet inzwischen bestimmte börsenkotierte Unternehmen zu einem transparenten Reporting von Leistungen gegenüber Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt und verlangt auch, dass Problemfelder benannt und Entwicklungsperspektiven aufgezeigt werden. Auch die UNO-Leitlinien für die Nachhaltige Entwicklung belassen es nicht bei Schutz und Respektierung von Menschenrechten, sondern definieren ein Recht auf Wiedergutmachung im Schadensfall.

Die Konzernverantwortungsinitiative schiesst aber weit darüber hinaus und stellt die Schweizer Unternehmen unter Generalverdacht. Wer – wie gewisse Mitglieder des Initiativkomitees – bei einem wirtschaftlichen Ausland-Engagement sofort an Ausbeutung von Natur und Menschen denkt, wird den tatsächlichen Gegebenheiten nicht gerecht. Selbstverständlich gibt es schwarze Schafe, aber die allermeisten Schweizer Unternehmen nehmen ihre Verantwortung zum Schutz von Mensch und Umwelt sehr ernst.

Zusammenarbeit mit NGOs

Früher haben Umweltschutz- und Menschenrechtsorganisationen harte Kampagnen gefahren. Die an den Pranger gestellten Konzerne deckten sie postwendend mit Klagen ein. Heute respektiert man sich gegenseitig und führt einen konstruktiven Dialog. Vielerorts arbeiten beide Seiten gemeinsam an der Verbesserung der Lebensbedingungen der Angestellten von Bananenplantagen, bei der Überwachung und Unterbindung von Kinderarbeit im Textilsektor oder der Eindämmung von Umweltschäden durch den Abbau von Rohstoffen. Das in den letzten 10 bis 20 Jahren aufgebaute Vertrauen zwischen NGOs und den Schweizer Unternehmen wird durch die Konzernverantwortungsinitiative unnötig gefährdet. Denn diese will, dass Unternehmen in der Schweiz auf Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards verklagt werden können, egal, wo auf der Welt ein Vorfall entstanden ist.

Das ist ein grosses Risiko für die Unternehmen. Sie werden sich gut überlegen, ob sie sich nicht besser aus schwierigen Ländern zurückziehen oder erst in neue Märkte eintreten, wenn alle rechtlichen Fragen restlos geklärt sind und die Lieferanten aller Stufen komplett durchleuchtet wurden. Das hilft der Bevölkerung in Entwicklungsländern nicht. Für mich ist klar, dass die Unternehmen die Zusammenarbeit mit lokalen Partnern und NGOs weiter ausbauen müssen. Auseinandersetzungen vor Schweizer Gerichten hingegen verbessern die Lebenssituation der Menschen in den Entwicklungsländern nicht.

Hand bieten für indirekten Gegenvorschlag

In den laufenden Beratungen in den parlamentarischen Kommissionen geht es aktuell darum, einen indirekten Gegenvorschlag auszuarbeiten. Dieser muss die Bedenken der Wirtschaft bezüglich der Haftung ernst nehmen, den Initianten einen Rückzug des Volksbegehrens ohne Gesichtsverlust ermöglichen, so dass für die Schweiz eine international abgestimmte Regulierung ausgearbeitet werden kann.

Die Initianten müssen von ihrer konfrontativen Haltung abkommen und dabei insbesondere die Forderung nach einer Beweislastumkehr fallen lassen. Bei der Ausarbeitung alternativer Lösungen zur Qualitätssicherung und zur Schaffung von Rechtssicherheit für Unternehmen, NGOs und Regulierungsbehörden können nicht zuletzt die Revisionsfirmen einen relevanten Beitrag leisten. Ich hoffe, dass sich die an einer realpolitischen Lösung orientierten Teile des Initiativkomitees gegen die radikalen Kräfte durchsetzen können. Letztlich geht es um die Schaffung einer langfristig nachhaltigen Wirtschaft von der alle profitieren.

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