Perspektiven
Es braucht mehr weibliche Vorbilder
Deutlich mehr Frauen schaffen es in die höchste Führungsebene. Doch sie bleiben da nicht lange.
Zuerst veröffentlicht in der Aargauer Zeitung am 9. April 2024
Seit fünf Jahren lebe ich in Basel, ich bin in Uruguay aufgewachsen und habe später in den USA, Italien und Spanien studiert. Meine Erfahrungen als weibliche Führungskraft in der Schweiz sind sehr positiv. Ich sehe jedoch, dass es für viele Schweizerinnen schwierig ist, Karriere und Familienleben zu vereinen. Diese kulturellen Unterschiede im Vergleich zu anderen Ländern, in denen ich gelebt habe, haben mich überrascht.
Hierzulande arbeiten viele Frauen nach der Geburt ihrer Kinder in Teilzeit, was ihren Aufstieg in Führungspositionen erschwert und sich, wenn auch unbeabsichtigt, negativ auf ihre zukünftigen Renten auswirkt. Zudem wird Frauen in der Schweiz, die nach der Elternzeit Vollzeit arbeiten, oft mit Skepsis begegnet.
Auch ist der gesetzliche Mutterschaftsurlaub in der Schweiz im Vergleich zu anderen wirtschaftlich ähnlich entwickelten Ländern Europas relativ kurz, ähnlich wie in meinem Heimatland. Ich frage mich, wie diese kulturellen Unterschiede sich auf die Präsenz von Frauen in leitenden Positionen auswirken, und wie ich persönlich etwas bewirken kann.
Begonnen habe ich meine Karriere bei dem internationalen Prüfungs- und Beratungsunternehmen Deloitte in Uruguay vor mehr als 25 Jahren – ohne weibliche Vorbilder, doch mit männlichen Mentoren, die mich unterstützten. Im internationalen Unternehmensnetzwerk fand ich später auch inspirierende Mentorinnen. In den letzten fünf Jahren nahm ich zwei Führungsrollen in der Schweiz ein, zuletzt in der Geschäftsleitung.
Geprägt von meiner Mutter, einer Unternehmerin, lernte ich früh die Bedeutung finanzieller Unabhängigkeit. Als Mutter einer elfjährigen Tochter bemühe ich mich, dieses Erbe weiterzugeben und sowohl für sie als auch für andere Frauen ein Vorbild zu sein. Weibliche Vorbilder in Führungspositionen können diese Wirkung verstärken, indem sie mehr weibliche Nachwuchskräfte fördern. Ich hoffe, dass bald eine Frau CEO eines SMI-Unternehmens wird – es
wäre ein wichtiges Signal für Fortschritte in diese Richtung.
Unsere neue Studie «Women in the Boardroom» zeigt, dass der Frauenanteil in Verwaltungsräten der grössten Schweizer Firmen auf 27 Prozent angestiegen ist. Das sind gute Nachrichten! Allerdings bleiben Frauen deutlich kürzer in diesen Positionen als Männer. Kürzere Amtszeiten bei Frauen bestätigt eine andere Studie auch für die Geschäftsleitungen der grössten Schweizer Arbeitgeber.
Die neue Herausforderung liegt nun darin, Frauen in Führungspositionen zu halten und ein Umfeld zu schaffen, in dem sie sich gezielt weiterentwickeln und die Strategien ihrer Firmen massgeblich mitgestalten können. Unternehmen müssen ein Umfeld schaffen, das Vielfalt und Chancengleichheit aktiv fördert. Dadurch können Frauen sich besser in das jeweilige Leitungsgremium integrieren und sich stärker mit dessen Kultur und den Zielen identifizieren. Die Verantwortung liegt bei uns allen. Ich persönlich setze mich für eine Kultur in unserem Unternehmen ein, in der die Karriereambitionen von Frauen voll und ganz unterstützt und gefördert werden.
Unsere Studie und meine eigene Erfahrung zeigen deutlich, dass es notwendig ist, mehr Frauen in Top-Positionen zu bringen – und sie dort zu halten. Organisationen können dies unterstützen, indem sie flexible Arbeitsmodelle anbieten, gleiche Bezahlung sicherstellen, weibliche Talente aktiv fördern, sie durch Mentoren und Mentorinnen unterstützen und eine inklusive Unternehmenskulturleben, um die Bindung von Mitarbeitenden zu fördern. Wir, als Frauen im Top-Management, müssen dazu beitragen: Wir müssen der nächsten Generation weiblicher Talente in der Schweiz sichtbare Vorbilder sein.
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