Perspektiven

Engpässe beim Umbau der Schweizer Energieversorgung

Kommentar zum Monitoring-Bericht 2018 zur Energiestrategie 2050

Die Energiestrategie 2050 ist politisch beschlossene Sache. Einzelne Massnahmen hinsichtlich Energiever-brauch und -bedarf zeigen auch bereits erste positive Wirkung. Die grössten Herausforderungen stehen der Schweiz allerdings noch bevor. Mittelfristig gilt es nicht weniger als gut einen Viertel des aktuellen Schweizer Strombedarfs mittels alternativer Energien zu ersetzen. Davon ist man noch weit entfernt.

Mit der Energiestrategie 2050 hat der Bund die Energiepolitik der Schweiz neu ausgerichtet. Die Energie-strategie soll es ermöglichen, schrittweise aus der Kernenergie auszusteigen und das Schweizer Energiesys-tem bis 2050 sukzessive umzubauen – bei mindestens gleichbleibender hoher Versorgungssicherheit. Dabei soll die Energieeffizienz künftig deutlich erhöht, der Anteil der erneuerbaren Energien massiv gesteigert und die energiebedingten CO2-Emissionen markant gesenkt werden. Um den Fortschritt in der Umsetzung der Energiestrategie 2050 zu überprüfen, veröffentlicht der Bund unter der Federführung des Bundesamts für Energie (BFE) regelmässig einen Monitoring-Bericht. Mitte November wurde der Bericht für das Jahr 2018 publiziert, wobei nachfolgend auf einige Punkte eingegangen werden soll.

Die ersten Massnahmen mit «low hanging fruits» zeigen schon ihre Wirkungen: So konnte beispielsweise der Energieverbrauch pro Person und Jahr gesenkt werden und der Strombedarf hat sich mit einer geringfü-gigen steigenden Tendenz eingependelt. Doch bereits zeichnen sich hinsichtlich des Stromverbrauchs in der Schweiz neue Herausforderungen ab. Insbesondere das Bevölkerungswachstum sowie das angestrebte rasante Wachstum bei der Elektromobilität wird die Energieversorgung hierzulande mittel- und langfristig prägen.

Auslandsinvestitionen: regulatorische Sicherheit fehlt

Schon heute haben wir in der Schweiz vor allem in den Wintermonaten ein Strommanko! Mit der Abschal-tung des Kernkraftwerks Mühleberg Ende 2019, das rund 3 Terawattstunden pro Jahr (TWh/a) oder ca. 5% des schweizerischen Strombedarfs produziert, verschärft sich das Energiedefizit zusätzlich. Demgegenüber steht zwischen 2010 und 2020 in der Schweiz ein gemäss der Energiestrategie geplanter Nettozubau der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien (ohne Wasserkraft) von 3 TWh/a. Ende 2017 wurden gemäss dem aktuellen Monitoring-Bericht 75.1% davon realisiert. Zum Vergleich: Zwischen Juli 2016 und März 2018 verzeichneten Schweizer Investoren im Ausland gemäss dem Bericht von Energiezukunft Schweiz einen Zuwachs von installierter Leistung von 615 Megawatt (MW) bzw. einen Energiezuwachs von 1.66 TWh/a und weitere Anlagen sind noch im Bau. Doch diese Investitionen helfen der Schweizer Energiewende nur be-dingt. Einerseits fehlt ein bilaterales Stromabkommen mit der EU und somit die regulatorische Sicherheit und andererseits ist es ungewiss, ob bei grosser Stromknappheit im Standortland der neuen erneuerbaren Anlage deren Strom in die Schweiz exportiert werden kann.

Wasserkraft: nur langsame Erhöhung der Produktionskapazitäten

Als Hoffnungsträger bleibt somit noch die einheimische Wasserkraft, wobei hier in der Vergangenheit schon viel Potential ausgeschöpft worden ist. Die Energiestrategie sieht bis ins Jahr 2035 einen Zubau zu den ak-tuell 35.9 TWh/a von 1.5 TWh/a vor. Davon sind aktuell 0.26 TWh/a im Bau und für weitere 0.059 TWh/a gibt es Anträge für Investitionsbeiträge. Grosse Wasserkraftwerksprojekte, wie beispielsweise Chlus, blei-ben ein finanzielles Wagnis und werden ohne neuen Subventionen oder einen markanten Strompreis-sprung unrealistisch bleiben.

Es bestehen weiterhin grosse Herausforderungen: Neue verschärfte Vorschriften zum Restwasserschutz dürften zu einer Produktionsminderung führen. Durch die Ablagerungen von Sedimenten und den damit verbundenen Spülungsproblemen wird in den nächsten Jahren bei einigen Speicherbecken das Volumen zurückgehen und somit die Sommer-Winter-Umlagerung eingeschränkt werden. Zudem werden, bei einer angenommenen Laufzeit von 60 Jahren, bis 2039 die beiden Blöcke des Kernkraftwerks Beznau und auch das Kernkraftwerk Gösgen vom Netz gehen. Zusammen produzieren diese Kraftwerke ca. 13 TWh/a Strom, was ca. 20% des aktuellen Schweizer Bedarfs entspricht.

Stromimport: Engpässe sind vorprogrammiert

Bleibt als letzter Hoffnungsschimmer noch der Stromimport aus dem benachbarten Ausland. Auch hier ist die Zukunft mehr als ungewiss. Deutschland hat per 2022 den Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen und in vielen Ländern Europas sind die vorhandenen Grosskraftwerke allmählich am Ende ihrer Lebensdau-er. Die grossen neuen erneuerbaren Anlagen, wie beispielsweise Offshore-Windfarmen, werden in Gebieten mit einer schwachen Netzanbindung gebaut, wobei aufgrund von Bürgerprotesten und teilweise auch öko-nomischen Aspekten nicht alle notwendigen Netzausbauten realisiert werden können. Diese Netzengpässe dürften in Zukunft den grenzüberschreitenden Stromaustausch weiter einschränken und den Stromimport in die Schweiz erschweren. Da schaffen auch die geplanten nationalen Hochspannungsnetzausbauten keine Abhilfe. Ganz zu schweigen davon, dass ein gezielter Ausbau des Verteilnetzes auf die neuen Anforderun-gen mit verteilter Erzeugung, neuen Speichermöglichkeiten sowie der Netzkonvergenz vollends fehlt.

Zusammenfassend ist die Schweiz vom angestrebten Umbau insbesondere des Stromsystems noch weit entfernt. Politik, Unternehmen und nicht zuletzt auch die Konsumenten als Endverbraucher bleiben die nächsten Jahrzehnte gefordert.

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