Perspektiven

Zwischen Wunsch und Wirklichkeit: Die Schweizer Perspektive auf die Energiezukunft

«Pulse of Switzerland»

In einer Zeit, in der die Energieversorgung der Schweiz vor grossen Herausforderungen steht, zeigt unsere Bevölkerungsbefragung ein Bild von Unsicherheit in der öffentlichen Meinung.

Während die Sicherheit der Energieversorgung und die Abhängigkeit von Energieimporten zunehmend Sorgen bereiten, offenbaren sich auch Wissenslücken und eine Skepsis gegenüber bestimmten Energiequellen. Unsere Ergebnisse belegen, dass die Schweizer Bevölkerung mit den komplexen Fragen der Energiewende ringt, und zeigen den Handlungsbedarf für Politik und Gesellschaft auf dem Weg zu einer nachhaltigen Energiepolitik auf.

Schweizer Meinungen zur Energiewende: Präferenzen, Widerstände und Wissenslücken

Die Frage nach dem «Wie» der Sicherung der Schweizer Stromversorgung für die nächsten Jahrzehnte zeigt eine vielschichtige Haltung der Bevölkerung. Mit 63% Zustimmung werden grossflächige Solaranlagen auf Dächern oder ähnlichen Flächen als wichtigste Option gesehen, dicht gefolgt vom Ausbau bestehender Stauseen und Wasserkraftwerke, die von 53% der Teilnehmenden unterstützt werden. Der Bau neuer sowie der Erhalt bestehender Atomkraftwerke erzielt dagegen nur rund 30% Zustimmung, ähnlich zurückhaltend ist die Begeisterung für Windenergie.

Die bevorzugten Energiequellen – Solaranlagen und Wasserkraft – zeigen ein starkes Bewusstsein für Umweltbelange. Jedoch sind die Beschränkungen dieser Optionen nicht zu vernachlässigen. Solaranlagen sind von der Jahreszeit, dem Wetter und der Tageszeit abhängig; sie erzeugen im Sommer, wenn der Bedarf geringer ist, überschüssigen Strom und führen zu hohen Systemkosten. 4 Bei der Wasserkraft wiederum ist das Ausbaupotenzial in der Schweiz sehr begrenzt.5

Die mässige Unterstützung für Windenergie und Kernkraft verdeutlicht, dass diese Energiequellen zwar Gegenstand der Diskussion sind, aber von einem grösseren Teil der Bevölkerung nicht vollumfänglich akzeptiert werden. Bei der Kernkraft fällt auf, dass hier die Frauen wesentlich skeptischer sind als die Männer. Die Akzeptanz nimmt zudem mit zunehmendem Alter zu. Das gleiche gilt aber interessanterweise auch für Solaranlagen. Mit zunehmendem Alter nimmt die Zustimmung zu dieser Option zu. So befürworten nur 50% der 18 bis 34jährigen Solaranlagen grossflächig auf Dächern oder anderen Installationen, bei den über 50jährigen sind es aber 69%.

Die geringe Zustimmung für Gas- und Ölkraftwerke zeigt dagegen eine eindeutige Ablehnung fossiler Brennstoffe. Sie würden zudem die Abhängigkeit von Rohstoffimporten erhöhen.

Stromimporte, ein wesentlicher Bestandteil der Energiestrategie, stossen bei der Bevölkerung nicht auf breite Zustimmung. Nur ein kleiner Anteil von 10% spricht sich für den Import von Strom aus. Dies unterstreicht den starken Wunsch nach Unabhängigkeit und Selbstversorgung in der Energiepolitik. Diese Haltung könnte aus langfristigen Bedenken bezüglich der Zuverlässigkeit und Nachhaltigkeit von Energieimporten resultieren, besonders in einem geopolitisch instabilen Umfeld. Hinzu kommt, dass Nachbarländer, von denen die Schweiz Strom bezieht, ähnliche Herausforderungen bezüglich der Energiesicherheit haben. Eine Skepsis gegenüber der Zuverlässigkeit von Stromimporten in Zeiten hoher Nachfrage, vor allem im Winter, ist daher verständlich. Eine zusätzliche Frage bestätigt dies. Nur 35% der Befragten glauben, dass die Nachbarländer der Schweiz im Fall eines europaweiten Strommangels weiter die vertraglich zugesicherten Stromimporte zukommen lassen würden. Globale Krisen in der Vergangenheit, wie etwa die Covid-Pandemie, haben die Beschränkungen internationaler Solidarität deutlich gemacht. In tiefgreifenden Krisenmomenten bevorzugen viele Länder die eigene Sicherheit gegenüber der seiner Nachbarn.

In der Schweiz ist der Ausbau der Elektrizitätserzeugung durch Grossprojekte zentral für die Versorgungssicherheit. Jedoch stösst dieser Ausbau häufig auf grossen Widerstand, oft durch die Gruppe der «Building absolutely nothing anywhere near anything» («Banana»), die durch langwierige rechtliche Verfahren und Blockaden Projekte verzögern, zu Fall bringen und Investoren abschrecken.6

Zudem stellen Einsprachen und Proteste durch Interessensgruppen, besonders durch die sogenannten Nimbys («Not in my backyard») eine Herausforderung dar. Sie repräsentieren eine Haltung, die zwar nicht grundsätzlich gegen Infrastrukturausbau ist, aber eine klare Ablehnung zeigt, wenn sie selbst unmittelbar davon betroffen sind und es um Projekte im eigenen «Hinterhof» geht. Beste Beispiele sind die Installation von Windkraftanlagen.

Die Umfrageergebnisse zur Akzeptanz von Windturbinen in Wohnnähe verdeutlichen diese oft vorzufindende «Nimby»-Haltung. Nur 5% unterstützen einen Abstand von weniger als 500 Metern zu Wohnhäusern, während 58% einen Abstand von 1'000 Metern und mehr wollen. Die Akzeptanz für die Nähe von Windturbinen zu Wohnhäusern nimmt ab, je geringer der Abstand wird. Während dies in Ländern mit grosser Fläche und niedriger Bevölkerungsdichte möglicherweise kein grosses Hindernis darstellt, ist es in der dicht besiedelten Schweiz ein ernstzunehmendes Problem. Wenn eine Mehrheit mindestens 1'000 Meter Abstand wünscht und politisch engagiert ist, wird man in dichtbesiedelten Kantonen wie Zürich kaum Standorte realisieren können. Hinzu kommt, dass viele potenzielle Standorte für Windparks in touristisch genutzten Gebieten liegen könnten, was die Realisierung solcher Projekte zusätzlich erschwert und auf erheblichen Widerstand stossen würde.

Um der Opposition gegenüber Grossprojekten in der Energiewirtschaft entgegenzuwirken, besteht die Option, gesetzgeberische Massnahmen zu ergreifen. Dies könnte bedeuten, die Möglichkeiten für Einsprachen zu beschränken und Verfahrensabläufe zu beschleunigen. Allerdings stellt sich die Frage, ob eine solche Vorgehensweise tatsächlich den Wünschen der Mehrheit entspricht. Bei der Frage zur Einschränkung von Einsprachemöglichkeiten, um Erneuerbare Energieprojekte schneller umzusetzen, befürworten 50% diese Massnahme, 30% lehnen sie ab und 20% haben keine Meinung. Interessanterweise befürworten 59% der Männer, aber nur 42% der Frauen Einschränkungen.

Neue Anlagen dürften es daher weiterhin schwer haben. Für eine bessere Realisierung von Energiesicherheitsprojekten sind die Einbeziehung der Bevölkerung, das Eingehen auf Ängste und Sorgen der Bürgerinnen und Bürger, sowie eine evidenzbasierte Diskussion entscheidend. Diese muss abgestützt auf soliden wissenschaftlichen und ökonomischen Analysen sein und nicht auf Populismus oder Ideologie.

Eine wichtige Begleitmassnahme in diesem Kontext ist die Aufklärung der Bevölkerung über diese oft technisch komplexen Themen. Es besteht ein deutliches Informations- und Wissensdefizit, wie durch Wissensfragen in unserer Umfrage offenbart wurde.

Den Befragten wurden einzelne Wissensfragen zu Energiethemen gestellt mit einer Richtig/Falsch Option zur Antwort. Unter anderem Fragen zur Solar- und Windenergie, Endlager Atommüll und CO2-Bilanz der Schweizer Stromproduktion.

  • Lediglich 23% der Umfrageteilnehmer sind sich bewusst, dass Solar- und Windkraftanlagen eine Belastung für die Stromnetzstabilität darstellen, während eine Mehrheit von 56% vom Gegenteil ausgehen.7
  • Die Aussage, dass Solar- und Windkraftanlagen das ganze Jahr zuverlässig und planbar Strom liefern, wird von 40% korrekterweise als „Falsch“ eingestuft, 46% schätzen die Aussage aber als „Richtig“ ein.8
  • Nur 19% der Befragten wissen, dass für die Schweiz bereits ein Standort für das Endlager für Atommüll (Region Nördlich Lägern im Kanton Zürich) festgelegt wurde.9
  • Dass die Schweizer Stromproduktion heute fast zu 100% CO2-frei ist, ist nur 17% der Teilnehmer bewusst, während 51% irrigerweise glaubten, dies treffe nicht zu.10

Die Umfrageergebnisse zeigen eine erhebliche Kluft zwischen dem Wissensstand der Bevölkerung und den realen Gegebenheiten und Fakten in Energiefragen. Diese Diskrepanz, verstärkt durch die Komplexität des Themas, oberflächliche Medienberichterstattung und politische Beeinflussung, unterstreicht die Notwendigkeit einer verbesserten Aufklärung und Bildung.
 

Fazit

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