Perspektiven
Szenariobasierte Planung im öffentlichen Sektor - Nach der Krise ist vor der Krise
Wie szenariobasierte Planung dem öffentlichen Sektor hilft, Antworten auf die Fragen von morgen zu finden
Das Coronavirus Sars-CoV-2 bestimmt seit Monaten nicht nur die internationalen Schlagzeilen, sondern das tägliche Leben auf der Welt. Die Krise hat viele unvorbereitet getroffen und gravierende Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft. Die Auswirkungen von COVID-19 auf alles, was wir bis anhin als «normal» betrachtet haben, konnte niemand vorhersehen. Oder etwa doch?
Rückblick – Wo stehen wir aktuell?
COVID-19 hat die schweizerische Wirtschaft bereits erheblich beeinträchtigt und wird auch in den kommenden Monaten einen massiven Einfluss auf die Wirtschaftsentwicklung haben. Dies ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Die drei zentralen Einflussfaktoren sind insbesondere Einschränkungen bzw. Beschränkungen des öffentlichen Lebens, dezimierte Nachfrage und eine allgegenwärtige (Planungs-) Unsicherheit. Dabei können die gesamthaften finanziellen Auswirkungen von COVID-19 aktuell noch nicht abgeschätzt werden. Einige Experten gehen jedoch davon aus, dass die kommenden Monate und Jahre einen noch grösseren Effekt auf die Bilanzen haben werden, als der eigentliche Shutdown des Frühjahres 2020. In diesem pandemischen und post-pandemischen Umfeld muss auch der öffentliche Sektor die Prozesse reformieren und transformieren, um die Dienstleistungen weiterhin ressourceneffizient erbringen zu können.
Einfluss auf den öffentlichen Sektor – Wie bin ich betroffen?
Der öffentliche Sektor ist auf allen Ebenen schwer von COVID-19 betroffen. Dadurch hat sich der gesamte Finanzhaushalt, inklusive der wichtigsten Standbeine der gesamten Einnahmen- und Ausgabenstruktur, radikal verändert1. Auf der Einnahmenseite gibt es durch die Ausgangsbeschränkungen und die Empfehlung zum Homeoffice erhebliche Ertragsausfälle im öffentlichen Nah- und Fernverkehr, bei Schaltergeschäften sowie Sport- und Freizeiteinrichtungen. Des Weiteren sind trotz Homeoffice die Einnahmen von zu Teils gebührenfinanzierten Eigenwirtschaftsbetrieben (bspw. Strom- und Wasserversorgung) stark zurückgegangen (Stadt Zürich, 2020). Gleichzeitig steigen die Ausgaben der öffentlichen Hand massiv, da der Finanzhaushalt durch zusätzliche Kosten für Unterstützungsleistungen belastet wurde. So musste das Gesundheitswesen mit zusätzlicher Schutzausrüstung ausgestattet und Ertragsausfälle von nicht durchgeführten Behandlungen kompensiert werden. Zudem musste die Wirtschaft mit Bürgschaften und Subventionen gestützt und Arbeitskräfte mittels Arbeitslosengeldern sowie Kurzarbeitsentschädigungen unterstützt werden.
Disruptive Veränderungen – schnelle Reaktion ist ein zentraler Erfolgsfaktor
COVID-19 ist nur der jüngste in einer ständig wachsenden Liste von Disruptoren. Von technischen Disruptoren wie künstlicher Intelligenz (KI), über demographische wie einer alternden Gesellschaft, bis hin zu mensch- und naturgemachten Katastrophen. Die Welt verändert sich dramatisch und sie tut es schneller als je zuvor. Doch all diese Disruptoren haben einen gemeinsamen Nenner: Sie verändern die bestehende komplexe, vernetzte Welt tiefgreifend. Ein kritischer Erfolgsfaktor für Organisationen wird sein, wie schnell und effektiv man auf diese Veränderungen reagieren kann.
Reaktion – Wie geht man mit dieser zunehmenden Unsicherheit um?
Damit die öffentliche Hand ihren Leistungsauftrag in dieser neuen Normalität voller Herausforderungen und Disruptoren ressourceneffizient erfüllen kann, gilt es mehrere Faktoren zu berücksichtigen.
Das oberste Ziel einer jeden Risikoorganisation besteht darin ihre Prozesse so auszugestalten, dass sie in der Lage sind in einer Krisensituation schnell und effizient reagieren zu können und dementsprechend ihre Planung und Forecasts einfach anpassbar sind. Mittelfristig geht es vor allem darum, durch aussagekräftige Reports die Situation wieder zu kontrollieren und langfristig daran wachsen zu können.
Der Fokus auf das reine Überleben einer Krisensituation erscheint auf den ersten Blick nachvollziehbar. Es sollten allerdings die Krisenfaktoren und ihre Auswirkungen auf die eigene Organisation verstanden werden. Denn ohne dieses Verständnis zur Bewältigung der Krise sind Organisationen bei der nächsten Krise zwangsläufig genauso unvorbereitet.
Der Weg hin zu einer krisenresistenten (Finanz-)Organisation führt über Voraussicht, Agilität und Resilienz. Man stelle sich vor, die eigene Organisation ist ein Schiff, dass in unbekannten Gewässern navigiert. Mittels Voraussicht sucht man den Horizont nach unmittelbaren Bedrohungen ab und antizipiert mögliche Änderungen in See und Wetter. Durch Agilität passt man den Kurs schnell und effektiv an und reagiert so auf unerwartete Bedingungen. Mit Hilfe von Resilienz ist das Schiff und die Besatzung Widerstandsfähig gegenüber den Stürmen auf hoher See und geht gestärkt aus dem Abenteuer hervor. (Deloitte Insights, 2020)
Lösungsansatz – Wie funktioniert dies in der Praxis?
Szenariobasierte Planung bietet Stabilität in einem turbulenten Umfeld. In einem Umfeld, in dem die dringendsten Bedürfnisse prioritär abgedeckt und Budgetstabilität wie auch Planungssicherheit sichergestellt werden müssen, reduziert eine dynamische und szenariobasierte Planung den Zeitaufwand zur Identifikation der richtigen Prioritäten nachhaltig.
In drei Schritten zur szenariobasierten Planung:
1. Situation verstehen: Welche Faktoren bestimmen massgeblich die Finanzkennzahlen?
Um eine neue Ausgangslage zu verstehen und entsprechend planen zu können, ist es dringend notwendig aussagekräftige Treiber und externe Einflüsse, welche in dieser Ausgangslage einen massgeblichen Einfluss auf die Finanzzahlen haben, zu identifizieren. Dafür werden interne, historische Daten sowie externe Indikatoren mittels Sensitivitäts- und Korrelationsanalysen untersucht. Die relevanten Datenpunkte werden hierbei aus einem Pool von Millionen von Datenpunkten mittels statistischen Verfahren herausgefiltert. Der Einbezug von umfangreichen externen Indikatoren wie sozialer, ökonomischer oder politischer Faktoren hilft, einen grösseren Teil der Varianz der Finanzkennzahlen beschreiben zu können als dies nur interne Daten ermöglichen würden.
2. Szenariobasierte Planung: Was sind mögliche Zukunftsszenarien?
In einem zweiten Schritt werden kohärente Treiber und Einflussgrössen in unterschiedlichen Szenarien zusammengefasst und potentielle Entwicklungen plausibilisiert. Um die Auswirkungen der verschiedenen Szenarien auf die Organisation abzuleiten, wird ein dynamisches Szenariomodell erstellt, welches die Organisation aus finanzieller Sicht reflektiert. Anhand von «Was-Wäre-Wenn-Modellen» können anschliessend verschiedene dynamische Zukunftsszenarien simuliert werden. Innerhalb dieser Modelle wird schliesslich analysiert, welche potentiellen finanziellen Auswirkungen die Ereignisse im jeweiligen Szenario auf die Organisation haben. Es entsteht Voraussicht.
3. Ableitung von Massnahmen: Wie soll zukünftig gesteuert werden?
Auf Basis der zuvor definierten und simulierten Szenarien werden Massnahmen und Strategien abgeleitet, welche zur Steuerung der Organisation im aktuellen Umfeld geeignet sind. Durch kontinuierliche Simulationen können Wirkungsweisen der getroffenen Massnahmen antizipiert und bei Bedarf adjustiert werden. Die Effekte der Massnahmen werden in iterativen Zyklen innerhalb des Szenariomodells getestet bis der gewünschte Wirkungsgrad erzielt wird. Infolgedessen entsteht ein agiler Massnahmenkatalog, welcher dynamisch angepasst und implementiert werden kann. Dies verhilft der Organisation zu mehr Resilienz. Die Ableitung von Massnahmen kann und sollte auf allen Stufen der Organisation erfolgen.
Alles in Allem müssen sich vor allem Finanzvorstehende von öffentlichen und öffentlich-rechtlichen Organisationen an ein Wirtschaftsumfeld anpassen, welches sich dynamischer und radikaler verändert als in der Vergangenheit. Durch szenariobasierte Planung wird die dynamische Evaluierung der sich ständig ändernden Finanzströme möglich, was die Erstellung eines ausgeglichenen Budgets und Finanzhaushaltes ermöglicht.
Schlussfolgerung – Nicht die Antizipation von disruptiven Veränderungen, sondern Ihre Reaktionsfähigkeit macht Sie in der Bewältigung von Krisen erfolgreich
Das Coronavirus hat auch in der Schweiz das Leben und die Wirtschaft radikal verändert. Dabei wird COVID-19 wohl weder die letzte Pandemie noch der letzte Disruptor gewesen sein. Vielmehr ist dieses Virus nur die jüngste Ergänzung in einer ständig wachsenden Liste von Disruptoren.
Eine schnelle und effektive Reaktion auf solch tiefgreifende Veränderung in einer immer komplexeren und vernetzten Welt ist von zentraler Bedeutung. Das Ziel muss darin bestehen, auf die Krisensituation (i) kurzfristig zu reagieren, sie (ii) mittelfristig zu kontrollieren und (iii) langfristig daran zu wachsen. Der Weg dorthin führt über Voraussicht, Agilität und Resilienz. Datengetriebene Entscheidungen waren vor Corona bereits ein Wettbewerbsvorteil. Spätestens jetzt steht fest, dass starre Modelle basierend auf internen, historischen Daten unserer dynamischen Welt nicht mehr gerecht werden können. Eine dynamische und szenariobasierte Planung bietet mehr Einblick und schafft einen klareren Ausblick. Die Umstellung auf szenariobasierte Planung ist dabei kein langwieriger Prozess, sondern lässt sich innerhalb weniger Wochen erreichen.
Jetzt ist der Moment zu erkennen, dass nach der Krise vor der Krise ist. Szenariobasierte Planung hilft dem öffentlichen Sektor, heute die Antworten auf die Fragen von morgen zu finden.
Lassen Sie uns gemeinsam mit einem «Proof of Concept» starten!
Die Potentiale einer szenariobasierten Planungslösung lassen sich am besten anhand eines Proof of Concepts aufzeigen. Ein Proof of Concept für einen Teilplanungsprozess, wie beispielsweise Sales Planning, lässt sich innerhalb von 6 – 8 Wochen gemeinsam umsetzen.
Nach erfolgreicher Umsetzung des ersten Proof of Concepts kann das Model sukzessive weiterentwickelt und Schritt für Schritt ausgerollt werden.
Beginnen Sie heute einen Blick in die Zukunft zu werfen.
1) Der Steuerertrag ist dabei der einzige Faktor der im Fiskaljahr 2019, nur begrenzt betroffen ist, da generell auf Basis von provisorischen Rechnungen einbezahlt wurde. Dies bedeutet aber zugleich, dass der Effekt sich lediglich verschiebt und sich im darauffolgenden Jahr manifestieren wird.
Rolf Brügger - Director
Deloitte Consulting AG, Zurich
Business Operations – Government and Public Services
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