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Bleibt der Digitalisierungsschub im E-Banking auch nach der Pandemie?

COVID-19 hat zu einem eigentlichen Digitalisierungsschub im Banking geführt. Digitales Banking war zwar schon zuvor wichtig, die Adaption hat sich durch die Pandemie aber stark beschleunigt, wie schon unsere Umfrage vom April 2020 zeigte. Und die Revolution geht weiter. Die Zeichen sind klar, Digitales Banking hier ist, um zu bleiben - aber nicht ausschliesslich: Die Zahl derjenigen, die während der Pandemie erstmalig digitale Bankdienstleistungen nutzen, nimmt im Jahresvergleich weiter zu, wie unsere aktuelle Umfrage unter 2’021 Personen im erwerbsfähigen Alter zeigt. Doch der Digitalisierungsschub stösst auch an Grenzen. Kunden wollen digital, aber nicht alle und nicht alle für alles. Dies zeigt wie wichtig eine überzeugende Multikanalstrategie ist, einschliesslich hybrider Lösungen, vor allem für komplexe Bankgeschäfte wie Hypotheken oder komplexere Investitionen. Nur so lassen sich alle Bedürfnisse der verschiedenen Kundengruppen adäquat ansprechen.

Der Digitalisierungsschub im Banking: Die Revolution geht weiter

Unsere letztjährige Umfrage hat gezeigt, dass nicht wenige erstmalig in der Pandemie digitale Bankdienstleistungen ausprobierten. Mehr noch, die meisten hatten Gefallen daran gefunden.

In unserer aktuellen Umfrage werden diese Ergebnisse übertroffen. Deutlich mehr Kunden wollen digitales Banking. Für alle abgefragten Dienstleistungen geben mehr Befragte an, erstmalig digitale Lösungen ausprobiert zu haben. Digitale Erstnutzer haben sich in etwa verdoppelt, wie Abbildung 1 zeigt.

Abbildung 1. Digitale Erstnutzer mehrerer Bankdienstleistungen während der Pandemie

Anteil aller Befragten, die diese Services nutzen und angeben, dass sie die folgenden Dienstleistungen während der Pandemie erstmalig digital ausprobierten, Ergebnisse der Umfragen 2020 und 2021

Die Pandemie hat damit als Katalysator gewirkt, digitales Banking um mehrere Jahre in die Zukunft versetzt – und das nicht nur einmalig, sondern fortlaufend. Die digitalen Lösungen überzeugen viele ihrer Erstnutzer und dies noch mehr als in der letztjährigen Umfrage. Dieses Jahr geben 59 % an, nach der Pandemie gleich auf digital wie nicht-digital setzen zu wollen (+8 Prozentpunkte zum Vorjahr) und 18 % wollen digitale Lösungen bevorzugen (+4 Prozentpunkte). Kunden konnten digitale Lösungen nun intensiver nutzen als bei der letztjährigen Umfrage. Dass noch mehr Kunden nach längerer Nutzung mindestens teilweise bei digitalen Lösungen bleiben möchten, ist ein Zeichen dafür, dass diese sich dauerhaft verstärkt durchsetzen könnten. Jüngere zeigen sich dabei insgesamt mehrheitlich offener für digitale Lösungen. Aber die Nutzung steigt auch bei über 50-jährigen spürbar an und diese sind noch stärker als der Durchschnitt an hybriden Lösungen interessiert: 65% in dieser Altersgruppe geben an, nach der Pandemie gleich auf digitale wie nicht-digitale Lösungen setzen zu wollen.

Aber nicht alle wollen digitale Lösungen

Aber rein digital soll die neue Bankenwelt dennoch nicht sein, jedenfalls nicht für alle. Je nach Dienstleistung ziehen 8 % bis 22 % nicht-digitale Lösungen vor. Auch sind nicht alle der digitalen Erstnutzer überzeugt: Immerhin 23 % wollen nach der Pandemie bevorzugt zurück zu nicht-digitalen Lösungen und das schliesst auch Jüngere mit ein.

Mehrheit wünscht weiterhin Filialen

Dies wird mit Blick auf die Wichtigkeit von Filialen umso deutlicher. Bankfilialen sind ein, wenn nicht das klassische nicht-digitale Bankangebot. Seit Jahrzehnten häufig als Auslaufmodell gesehen, bleibt die Filialdichte in der Schweiz noch immer deutlich höher als in anderen Ländern wie etwa Deutschland. Und so viel die Pandemie bei digitalen Kundenwünschen bewegt hat, Bankfilialen halten sich als Fels in der Brandung. Immerhin 52 % geben an, dass es ihnen wichtig sei, eine Bankfiliale in der Nähe zu haben, nur 18 % ist es unwichtig (die übrigen sind neutral). Die Altersverteilung geht in die erwartbare Richtung, tendenziell sind Filialen wichtiger für Ältere. Aber auch bei den unter 30-Jährigen sind es mehr als doppelt so viele (48%), die Filialen in der Nähe wichtig finden, als diejenigen, die dies unwichtig finden (19%), wie Abbildung 2 zeigt.

Abbildung 2. Filialen bleiben wichtig, für alle Altersgruppen

Anteil aller Befragten, die eine Bankfiliale in der Nähe als unwichtig, neutral oder wichtig einstufen

Zudem geben in einer separaten Frage 55 % an, nach der Pandemie mindestens so häufig eine Filiale aufsuchen zu wollen wie davor und 8 % wollen dies noch häufiger machen. Dagegen möchten nur 6 % Filialen weniger häufiger aufsuchen als vor der Pandemie. 31 % geben an, Bankfilialen nicht aufzusuchen, zuvor wie danach. Die Antworten fallen über die Alterskategorien hinweg ähnlich aus.

Grosser Wunsch nach digitaler Signatur für Bankgeschäfte

Der Wunsch nach persönlicher Beratung kann gut einer der Gründe für die anhaltende Wichtigkeit von Filialen sein. Ein weiterer Grund könnten jedoch die weiterhin unvollständigen digitalen Alternativen sein. Zwar wurden beispielsweise grosse Fortschritte bei der digitalen Kontoeröffnung gemacht, diese wird aber nicht gleichermassen von allen Banken angeboten und funktioniert auch nicht gleichermassen gut über alle Kundensegmente hinweg, gerade nicht bei Spezialfällen. Im Vergleich zu global führenden Retailbanken haben viele Schweizer Banken in Bezug auf das digitale Angebot allgemein Terrain verloren, wie unsere aktuelle Studie unter 320 Banken aus 38 Ländern zeigt. Auch elektronische Signaturen bzw. eine E-ID gibt es noch nicht. Genau solche fortgeschrittenen digitalen Fähigkeiten werden aber von vielen Kunden gewünscht, wie ein weiteres Ergebnis unserer Umfrage zeigt. Deutlich mehr Befragte finden elektronische Signaturen für Bankgeschäfte wichtig (43 %) als unwichtig (23 %). Grosse Altersunterschiede gibt es bei dieser Frage nicht; über alle Alterskategorien hinweg werden digitale Signaturen fast doppelt so häufig wichtig wie unwichtig bewertet.

Chancen und Herausforderungen für Retailbanken

Das reine Vorhandensein von digitalen Lösungen ist kein Alleinstellungsmerkmal mehr, schliesslich digitalisieren alle. Es kommt vielmehr verstärkt auf die Breite, die Tiefe und massgeblich auf die User Experience dieser Lösungen an. Digitale Kontoeröffnung bieten beispielsweise viele, aber nicht alle bieten eine durchgehend digitale Lösung, nicht alle Lösungen funktionieren stabil, schnell, unbürokratisch und bequem.

Auch im Marketingbereich, einschliesslich digitalem Marketing, besteht für Retailbanken ein dringender Transformationsbedarf. Das Markenversprechen hat einen starken Einfluss auf alle Berührungspunkte entlang des gesamten Kundenlebenszyklus. Dies muss durch eine auf die Bedürfnisse der Kunden abgestimmte CX sowie Content Strategie untermauert werden um bei bestehende sowie potenzielle Kunden die gewünschte Aufmerksamkeit zu erzielen. Marketing ist einzigartig positioniert, um eine deutlich aktive Rolle einzunehmen, Erkenntnisse aus Daten zu nutzen und einen aktiven Beitrag zur Kundengewinnung und Kundenerhaltung zu leisten.

Und obwohl das digitale Banking für immer mehr Kunden immer wichtiger wird, müssen Banken auch im nicht-digitalen Bereich punkten. Gerade bei komplexeren Dienstleistungen und der Beratung wollen viele Kunden immer noch nicht-digitale Lösungen, genauso wie eine Mehrheit weiterhin Filialen in der Nähe schätzt. Banken können sich auf bestimmte Kundensegmente spezialisieren und rein digitales Banking für diejenigen anbieten, die dies wünschen. Will eine Bank aber nicht nur die «Digital Natives» als Kunden gewinnen, empfiehlt sich ein hybrides Angebot, eine Mischung aus digitalen und nicht-digitalen Angeboten. Digitalisierung ist eine gute Gelegenheit Einsparungen im Volumengeschäft zu realisieren und gleichzeitig für beratungsintensive Dienstleistungen Hybridlösungen anzubieten. Die digitalen und nicht-digitalen Elemente solcher hybriden Lösungen müssen nahtlos ineinandergreifen. Gerade für einkommensstärkere Kunden, die komplexere oder individuellere Geschäfte tätigen möchten, können Banken so echten Mehrwert liefern.

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