Perspektiven

Erwartete Auswirkungen der Harmonisierung des Zahlungsverkehrs in der Schweiz

Heute hat die SIX erstmals ausführlich über die neuen Zahlungsverkehrsstandards in der Schweiz informiert. Mit der Einführung des ISO 20022 Standards wird der Zahlungsverkehr umfassend vereinheitlicht. Deloitte hat im Auftag der SIX eine detaillierte Studie über die Auswirkungen der Harmonisierung des Zahlungsverkehrt erstellt. Folgend einige Eckpunkte zu den Veränderungen sowie deren Auswirkungen auf Unternehmen und Konsumenten zugleich.

Der Schweizer Finanzplatz stellt den Zahlungsverkehr bis Mitte 2020 vollständig auf den ISO 20022 Standard um und ermöglicht somit der gesamten Volkswirtschaft, von vereinheitlichten Zahlungsprozessen und -meldungen sowie einer effizienteren Zahlungsverarbeitung zu profitieren.

Die Bedeutung des Zahlungsverkehrs in der Schweiz

Der Zahlungsverkehr ermöglicht den Austausch von Geldern zwischen dem öffentlichen Sektor, privaten Haushalten, Unternehmen sowie Finanzinstituten und bildet die Grundlage des Wirtschaftskreislaufs. Er zählt zu einer Gruppe von systemkritischen Wirtschaftsbereichen, die einen sehr viel grösseren Wert zur Volkswirtschaft beitragen, als ihre direkte Bruttowertschöpfung vermuten lässt. Dabei fördert die Zahlungsinfrastruktur die Wertschöpfung anderer Wirtschaftsteilnehmer und stellt die Grundlage für einen regulierten, effizienten und sicheren Handel innerhalb der Schweiz sowie mit dem Ausland.

Im Jahr 2015 wurden in der Schweiz Kundenzahlungen1 mit einem Gesamtbetrag von CHF 6'946 Mrd. getätigt, wovon 78% im Inland und 22% grenzüberschreitend durchgeführt wurden. Somit geht mehr als ein Fünftel des Gesamtbetrages der Kundenzahlungen ins Ausland, was die Exportorientierung der Volkswirtschaft unterstreicht. Hier ist insbesondere die Verbindung mit dem SEPA Raum von Bedeutung, wo der ISO 20022 Standard bereits heute umgesetzt ist.

Die Anzahl der durchgeführten Kundenzahlungen betrug im Jahr 2015 1‘064 Mio., wovon fast drei Viertel über elektronische Kanäle (45% E-Banking, 20% Filetransfer, 6% Lastschriften, 3% Daueraufträge) ausgeführt wurden. Seit 2012 ist eine kontinuierliche Verschiebung (durchschnittlich 2.5% pro Jahr) von papierbasierten zu elektronischen Zahlungen zu beobachten. Diese dürfte mit Einbindung der Lastschrift in das E-Rechnungsverfahren sowie der Einführung der QR-Codes, der im Zuge der Umstellung auf den ISO 20022 Standard die bisherigen Einzahlungsscheine ersetzt und damit den Zahlungsverkehr auf die fortschreitende Digitalisierung einstellt, weiter zunehmen.

Im Interbanken-Zahlungsverkehr (in CHF) hat der Finanzsektor im Jahr 2015 Transaktionen mit einem Gesamtbetrag von CHF 38'889 Mrd. abgewickelt. Dies entspricht mehr als dem 60-fachen des Brutto-inlandsprodukts der Schweiz (CHF 646 Mrd.) und unterstreicht die Bedeutung des Zahlungsverkehrs.

Die Veränderungen durch den ISO 20022 Standard

Mit der Einführung des ISO 20022 Standards wird der Zahlungsverkehr umfassend vereinheitlicht. Hauptveränderungen ergeben sich durch den vollständigen Austausch der bisherigen Kontonummern durch die IBAN als einheitliches Identifikationsmerkmal sowie die Ablösung der Einzahlungsscheine durch den QR-Code. Darüber hinaus wird für Überweisungen über Filetransfer künftig ein harmonisiertes Verfahren von PostFinance und Banken zur Anwendung kommen und auch das Lastschriftverfahren wird im Zuge der Umstellung standardisiert und in den E-Rechnungsprozess eingebunden.

Diese Vereinheitlichungen betreffen private Unternehmen und den öffentlichen Sektor in ihren zahlungsrelevanten Prozessen und ihrem Cash Management sowie Finanzinstitute bei der Verarbeitung von Zahlungstransaktionen. Des Weiteren ist die Clearinggesellschaft als Abwicklerin der Transaktionen im Interbankenverkehr durch die Umstellung beeinflusst. Private Endkunden sind etwa beim Bezahlen von Rechnungen und Softwareanbieter bei Meldungsformaten und Schnittstellen von Zahlungssoftware betroffen.

Die Auswirkungen auf alle Anspruchsgruppen2

Private Unternehmen und öffentlicher Sektor3

Bei den privaten Unternehmen und im öffentlichen Sektor ist zu erwarten, dass sich durch die Umstellung auf den ISO 20022 Standard insbesondere Aufwendungen im Bereich von Prozesskosten, Nachforschungsaufträgen und Kapitalkosten reduzieren.

Ein Treiber für die erwartete Reduktion der Prozesskosten ist die Einführung des QR-Codes, welcher es privaten Unternehmen und dem öffentlichen Sektor ermöglicht, ihren manuellen Aufwand signifikant zu reduzieren und Erfassungsfehler zu vermeiden. Letzteres wird zusätzlich durch die standardisierte Einführung der IBAN (bei Wegfall heute gültiger Kontonummern) begünstigt, da diese beispielsweise bereits bei der Eingabe im E-Banking automatisch auf ihre syntaktische und logische Richtigkeit geprüft wird. Beide Faktoren ermöglichen eine stärkere Automatisierung in der Zahlungsverarbeitung und verringern die Anzahl fehlerhafter Zahlungen. Entsprechend ist zu erwarten, dass der manuelle Korrekturaufwand sowie kostenpflichtige Nachforschungsaufträge zurückgehen. Weitere Faktoren für die Reduktion der Prozesskosten sind die Einbindung der Lastschrift in den E-Rechnungsprozess sowie die Zusammenführung der Lastschriftverfahren von PostFinance und der anderen Finanzinstitute, wodurch die Vereinheitlichung von Infrastruktur und Schnittstellen ermöglicht wird.

Zudem erfolgen mit dem neuen Standard bei fehlerhaften Zahlungseingaben (sowohl für Überweisungen als auch für Lastschriften) Echtzeitmeldungen, wodurch private Unternehmen und der öffentliche Sektor Korrekturen direkt umsetzen können. Dies ermöglicht ein effizienteres Cash Management und führt zu einer Reduktion der durchschnittlichen Kapitalkosten. Dies kann noch verstärkt werden, indem Zahlungen, welche heute mittels Einzahlungsschein über die PostFinance laufen, künftig vermehrt über die SIC mit garantierter taggleicher Verbuchung verarbeitet werden.

Insgesamt können durch diese Auswirkungen jährliche Einsparungen von CHF 197.0 Mio. für private Unternehmen und von CHF 8.6 Mio. für den öffentlichen Sektor erwartet werden. Die Differenz zwischen diesen Anspruchsgruppen ist teilweise in deren unterschiedlicher Grösse (nach Anzahl der institutionellen Einheiten: 567‘219 private Unternehmen gegenüber 5‘030 Einheiten des öffentlichen Sektors) begründet. Darüber hinaus profitieren aufgrund ihres noch geringeren Automatisierungsstandes im Zahlungsverkehr insbesondere die kleinen und mittelgrossen Einheiten, welche bei den privaten Unternehmen deutlich stärker vertreten sind als beim öffentlichen Sektor.

Finanzinstitute und Clearinggesellschaft

Bei den Finanzinstituten ist der QR-Code ebenfalls einer der Treiber für eine erwartete Reduktion der Prozesskosten. Dieser enthält alle Zahlungsinformationen mehrfach und ist im Vergleich zur heutigen Codierzeile deutlich robuster, was zu einer geringeren Fehleranfälligkeit im Einlesevorgang führt. Des Weiteren erleichtern die strukturierten Datenfelder der neuen Überweisungsmeldungen unter dem ISO 20022 Standard die automatisierte fachliche Zahlungsüberprüfung (z.B. End-to-End Identifikation, Abgleich IBAN mit Name und Adresse des Zahlungsempfängers) und ermöglichen somit eine effizientere Umsetzung regulatorischer Vorgaben über die Transparenz von Zahler und Empfänger. Insgesamt ist folglich zu erwarten, dass Unterbrechungen in der Automatisierungskette der Zahlungsverarbeitung, welche regelmässig manuellen Aufwand auslösen, mit der Harmonisierung zurückgehen.

Für die Finanzinstitute und die Clearinggesellschaft werden jährliche Einsparungen in Höhe von CHF 65.1 Mio. erwartet, welche damit deutlich geringer ausfallen als die der privaten Unternehmen. Der Grund hierfür ist, dass die Zahlungsverarbeitung bei Finanzinstituten bereits heute nahezu vollständig automatisiert ist.

Private Endkunden und Softwareanbieter

Private Endkunden profitieren wie private Unternehmen und der öffentliche Sektor von einem Rückgang fehlerhafter Zahlungen durch die Einführung von IBAN und QR-Code. Auf Basis einer angenommenen Reduktion kostenpflichtiger Nachforschungsaufträge sind quantifizierbare Einsparungen von CHF 1.2 Mio. pro Jahr zu erwarten. Weitaus bedeutender ist dabei für private Endkunden die Zeitersparnis durch das Einlesen und direkte Auslösen von Zahlungen über das Smartphone mithilfe des QR-Codes. Softwareanbieter dürften durch die Umstellung einen Anstieg der Abonnements für Softwareupdates und Wartungsverträge bei Zahlungsprogrammen und Cash Management-Lösungen verbuchen; die Aus-wirkungen sind zum heutigen Zeitpunkt jedoch nicht fundiert zu quantifizieren.

Gesamtauswirkungen

Über alle Anspruchsgruppen hinweg werden jährliche und somit wiederkehrende positive Auswirkungen in Höhe von CHF 271.9 Mio. erwartet. Über die quantifizierbaren Auswirkungen hinaus kann die Schweiz mit der Harmonisierung die Vorteile der Digitalisierung nutzen sowie durch die Anbindung an internationale Standards ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern. Nicht zuletzt wird durch die Umstellung eine effiziente Einhaltung regulatorischer Vorgaben wie beispielsweise des Bundesgesetzes über die Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung ermöglicht, was auch hinsichtlich weiterer Anforderungen in der Zukunft von Vorteil sein wird.

Die Umstellungskosten4 und deren Amortisationszeit

Um den ISO 20022 Standard umzusetzen und die wiederkehrenden Kosteneinsparungen realisieren zu können, werden einmalige Umstellungskosten in Höhe von CHF 1‘020-1‘240 Mio. erwartet. Diese dürften mit CHF 500-600 Mio. ungefähr zur Hälfte auf die Finanzinstitute entfallen. Bei den privaten Unternehmen werden einmalige Umstellungskosten von CHF 450-550 Mio. erwartet, während beim öffentlichen Sektor von CHF 70-90 Mio. auszugehen ist.

Die Umstellungskosten sind zum Grossteil durch Personalaufwand begründet, beispielsweise für die Anpassung von Stammdaten, für Mitarbeiterschulungen oder Informationsveranstaltungen. Darüber hinaus dürften Aufwendungen für Sachmittel, Softwareupdates (insofern diese nicht in Abonnements enthalten sind), Lesegeräte oder andere Hardware sowie Aufwendungen für externe Beratung anfallen.

In der Gegenüberstellung der erwarteten einmaligen Umstellungskosten mit den erwarteten jährlichen Auswirkungen lässt sich für die privaten Unternehmen eine Amortisationszeit von 2.5 Jahren berechnen, welche damit am schnellsten von der Umstellung profitieren dürften. Die Finanzinstitute amortisieren in einem erwarteten Zeitraum von 8.4 Jahren und der öffentliche Sektor in 9.3 Jahren. Die erwartete Reduktion von manuellem Aufwand setzt Zeit frei, welche die Unternehmen, der öffentliche Sektor und die Finanzinstitute für andere wertschöpfende Tätigkeiten einsetzen können.

 

1 Gemäss Verfügbarkeit von SNB Daten basieren Anzahl und Gesamtbetrag der Kundenzahlungen (Zahlungsausgänge) auf den Angaben der bedeutendsten Banken im schweizerischen Zahlungsverkehr.
2 Die Analysen und Berechnungen wurden mit einer Datenbasis Stand 2015 durchgeführt.
3 Der öffentliche Sektor umfasst die öffentliche Verwaltung sowie öffentliche Unternehmen.
4 Die erwarteten Umstellungskosten basieren auf einer plausibilisierten Annäherung der Auswirkungen der Einführung von SEPA in der EU für die Einführung des ISO 20022 Standards in der Schweiz.

Fanden Sie diese Seite hilfreich?