Perspektiven

Falscher Ansatz Robotersteuer

Bildung ist der bessere Weg für den Arbeitsmarkt.

Gemäss einer neuen Umfrage von 20min und Vimentis befürwortet eine Mehrheit von 62% der Schweizer Stimmbevölkerung die Einführung einer Roboter-Steuer. Genau genommen sollen Maschinen und Roboter, die Arbeitnehmer ersetzen, mit einer Steuer belastet werden. Im Kanton Genf könnte dies schon bald Realität werden: Ein im letzten Jahr eingereichter Gesetzesentwurf fordert, dass Detailhändler künftig eine Steuer auf Self-Checkoutkassen zu entrichten haben. Der Entwurf zielt darauf ab, automatisierte Kassen für die Detailhändler unattraktiv zu machen und dadurch die Arbeitsplätze der Kassierer zu schützen.

Was aus Sicht des Kassenpersonals auf den ersten Blick vielversprechen klingen mag, dürfte sich für die Gesamtwirtschaft und ihre Innovationskraft als kontraproduktiv erweisen. Der Gesetzesentwurf fusst nämlich auf der falschen Prämisse, Roboter und neue Technologien würden uns die Arbeit wegnehmen.

In der Vergangenheit traf dies zwar auf einzelne Berufe und Branchen tatsächlich zu. Man denke etwa an die vielen Weber, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts durch das Aufkommen der Webmaschine ihre Arbeit verloren haben. Aus Sicht der Gesamtwirtschaft sieht das Bild aber ganz anders aus: Der technologische Fortschritt hat das Lohnniveau und die Zahl der Beschäftigten in den letzten gut 200 Jahren massiv erhöht.

Um beim Beispiel der Webmaschinen zu bleiben: Die maschinelle Produktion von Kleidern liess die Produktivität steigen und die Preise der hergestellten Ware sinken lassen; dadurch stiegen die Realeinkommen der Konsumenten. Das zusätzliche verfügbare Geld wurde für andere Produkte und Dienstleistungen ausgegeben, so entstanden neue Arbeitsplätze. Unter dem Strich hat die Automatisierung in der Textilindustrie dadurch gesamtwirtschaftlich viel mehr neue Stellen geschaffen, als alte verdrängt – und die Weber wurden nicht arbeitslos, sondern übernahmen neue Tätigkeiten und neue Berufe. Eine Steuer auf Webmaschinen oder gar deren Verbot, wie dies vor 200 Jahren von den Webern gefordert wurde, hätte diese positive Entwicklung gehemmt.

Das Gleiche gilt für die jüngste Welle technologischer Entwicklungen, die Digitalisierung. Eine Studie von Deloitte zeigt, dass in der Schweiz zwischen 1999 und 2010 gesamthaft 100'000 Arbeitsplätze unmittelbar durch Automatisierung und Digitalisierung ersetzt, gleichzeitig aber über 230‘000 neu geschaffen wurden. Mit anderen Worten: Fiel ein Arbeitsplatz weg, entstanden zwei neue. Es gibt wenig Anzeichen, dass sich diese Relation in den nächsten Jahrzehnten ändern dürfte. Die Menschen haben noch immer viele komparative Vorteile gegenüber Maschinen und Software: soziale Intelligenz, Kreativität oder situative Anpassungsfähigkeit.

Vielmehr ist damit zu rechnen, dass der Wandel zur wissensintensiven, dienstleistungsorientierten Wirtschaft weitergehen wird, und uns die Maschinen noch mehr monotone, kräftezehrende Tätigkeiten abnehmen, während wir uns auf abwechslungsreichere, körperlich weniger anstrengendere Aufgaben konzentrieren können. Dadurch werden Produktivität und Wohlstand weiter steigen.

Gleichzeitig stellt dieser Strukturwandel einen bedeutenden Teil der erwerbstätigen Bevölkerung vor Herausforderungen. Alte Tätigkeiten oder Berufe müssen abgelegt, neue erlernt werden. Ein Prozess, der im Detailhandel bereits im Gang ist. Immer mehr Kassierer übernehmen heute neue Funktionen in der Kundenberatung, stehen beim Bedienen der Self-Checkout-Kassen unterstützend zur Seite oder führen Kontrollen durch. Statt über eine Robotersteuer, die den Einsatz neuer Technologien und dadurch Produktivität und Wohlstand mindert, sollte man deshalb vielmehr über geeignete Ausbildungs- und Weiterbildungsmassnahmen diskutieren.

 

Die Originalversion dieses Artikels wurde am 29. August 2017 in der Finanz und Wirtschaft veröffentlicht.

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