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Wachstumschancen
Strategien für Schweizer Industrieunternehmen
Das laufende Jahr ist für die Schweizer Industrie geprägt durch die starke Aufwertung des Schweizer Frankens und verbundene Anpassungsreaktionen. Belastend wirkt zudem die verringerte wirtschaftliche Dynamik in den grossen Schwellenländern.
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- Kundeneinbindung vorantreiben
- Global gehen
- Neue Dienstleistungen entwickeln
- Über das Produkt hinaus innovieren
- Anorganisch wachsen
Für die MEM-Industrie muss mit einer Kontraktion gerechnet werden – die gesamte Industrie bewegt sich seitwärts. Die Rahmenbedingungen sind günstiger mit Blick auf die mittlere und längerfristige Entwicklung der kommenden Dekade. Die globalen Wachstumsperspektiven sind intakt und vergleichbar mit der Periode der letzten 10 Jahre (+2.9% p.a.). Davon profitiert die Schweizer Industrie, die insgesamt ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 1.7% erreichen kann. Es ist zu erwarten, dass die Industrieländer (+2.0% p.a.) in den kommenden 10 Jahren wieder stärker zum globalen Wirtschaftswachstum beitragen werden. Für die USA (+2.5% p.a.) werden deutlich höhere Expansionsraten erwartet. Die Schwellenländer (+4.3% p.a.) dürften sich in der kommenden Dekade auch deutlich dynamischer entwickeln, wenngleich das Wachstumstempo der vergangenen 10 Jahre (+6.0% p.a.) klar verfehlt wird.
Die Verzahnung von 6 Strategien führt zum Wachstumserfolg
Kundeneinbindung vorantreiben:
Das Wachstumspotenzial in den Stammmärkten der Schweizer MEM-Industrie (Deutschland, USA, China) ist weiterhin gegeben. Die Stammmärkte werden auch in der nächsten Dekade eine eminent wichtige Rolle spielen. 67% der Befragten wollen vor diesem Hintergrund mit ihren bestehenden Kunden wachsen (und sie in neue Absatzmärkte begleiten) – 83% die Neukundengewinnung intensivieren. 63% sehen in der Kundeneinbindung durch Individualisierung und Entwicklungszusammenarbeit für Produkte und Dienstleistungen eine neue Wachstumschance. Nahe bei den Kunden zu sein, ihre Wünsche und Bedürfnisse zu kennen und eine enge Kollaboration in Entwicklung, Produktion und nachgelagerten Prozessen zu betreiben ist eine dauernde und unternehmensweite Anstrengung die zu Wettbewerbsvorteilen führt.
Global gehen:
Das Wachstumspotenzial in den neuen geografischen Märkten wird künftig eine wichtigere Rolle spielen. Die Wachstumseuphorie die vor einige Jahren noch für Russland und Brasilien vorherrschte, hat sich stark abgeschwächt und es bestehen enttäuschende Perspektiven. Demgegenüber werden für die Schwellenländer Vietnam, Indien, Indonesien und die Türkei weiterhin starke Expansionspotenziale erwartet. 57% der Befragten denken, dass die Expansion in neue geografische Märkte stark zu ihrem Wachstum beitragen wird. 20% erwarten, dass Produktlokalisierung eine zunehmend strategische Rolle spielen wird. Die Selektion der attraktivsten Märkte, die Kenntnis der lokalen Bedürfnisse und der Entscheid zur richtigen Markteintrittsstrategie (z.B. über strategische Partner, eigene Vertriebsgesellschaften, Übernahmen und Fusionen, Aufbau von Produktionskapazitäten, etc.) ist unabdingbar für eine erfolgreiche globale Expansion.
Neue Dienstleistungen entwickeln:
Fast die Hälfte der Befragten (47%) sehen die Weiterentwicklung und den Ausbau des Dienstleistungsgeschäfts als wichtige Wachstumsstrategie. Alte Servicemodelle wie Inbetriebnahme, Wartung und Reparatur von Anlagen sind zunehmend durch neue Dienstleistungen abzulösen. Zusatzleistungen (z.B. Beratung oder Individualisierung), sowie Zustandsüberwachung und vorausschauenden Instandhaltung kombiniert mit Gebrauchsüberlassung statt Verkauf (von CAPEX zu OPEX) gewinnen wie neue integrierte Dienstleistungsmodelle an Bedeutung. Die Service-Bedürfnisse der Kunden zu kennen, mit den Kunden bei der Entwicklung zusammenarbeiten und die notwendigen finanziellen Mittel/Ressourcen/Kompetenzen für Industrie 4.0 Services bereitstellen, sind einige der Massnahmen um im neuen Service langfristig konstanten Cash-flow zu generieren.
Über das Produkt hinaus innovieren:
Innovationsführerschaft der Schweiz ist nicht etwas Gegebenes und andere Länder haben zunehmend Vorteile bei innovativen Technologien, da sie „auf der grünen Wiese starten“ können. Die stark exportorientierten MEM-Unternehmen sind aufgrund des hohen Schweizer Lohn- und allgemeinen Kostenniveaus auf den Weltmärkten massiv gefordert, ein „Created in Switzerland“ zu prägen. Denn im reinen Preis- und Kostenwettbewerb wird die Schweiz nicht an erster Stelle stehen, auch wenn die zunehmende Robotisierung der Fabriken helfen kann. Mehr und andere Innovationen können hier Abhilfe schaffen. 45% der Befragten erwarten, dass die Entwicklung neuer Wertangebote („Value propositions“) stark zu ihrem Wachstum beitragen wird. Produkt- und Prozessinnovation stehen an erster Stelle. Verstärkt werden auf Innovationen gesetzt, die über die traditionellen Bereiche hinausgehen (z.B. Innovationen in den Bereichen Dienstleistungen, Marketing oder Vertrieb). Der Einsatz der richtigen finanziellen Mittel, Ressourcen und Kompetenzen, sowie ein gutes Innovations-Management sind in Zukunft entscheidend für Innovationserfolg und die globale Wettbewerbsfähigkeit.
Anorganisch wachsen:
Die Frankenstärke hat die Übernahmeaktivität in der Schweizer MEM-Industrie etwas gebremst und Inlandtransaktionen reduziert. Die Stabilität des starken Frankens hat aber die Kaufkraft im Ausland erhöht und den Anreiz ausländische Firmen zu erwerben verstärkt. 25% der Befragten sehen das Wachstum mittels Fusionen und Übernahmen zukünftig als wichtig an – weitere 40% setzten auf Allianzen und Partnerschaften. Treiber sind Technologielücken, Erwerb von Marktanteilen und Expansion in angrenzende Produktbereiche und immer auch neue geografische Märkte. Die Beantwortung der Fragen nach den richtigen finanziellen Mitteln/Ressourcen/Kompetenzen, welchen Bereichen die abgetrennt werden sollen oder müssen, zielorientierten Übernahmestrategien und -ziele, sowie klaren Umsetzungs- und Integrationsprozessen sind unabdingbar für anorganisches Wachstum.
Operative Exzellenz nutzen:
Im internationalen Vergleich der Arbeitsproduktivität schneidet die Schweizer MEM-Industrie weiterhin schwach ab – es gibt Verbesserungspotenzial! Schweizer MEM-Unternehmen haben Nachholbedarf, wenn es um die Optimierung betrieblicher Prozesse geht. 32% der Befragten anerkennen, dass die Errichtung guter Plattformen zur operativen Exzellenz stark zum Wachstum beitragen wird. Im Zentrum der Unternehmensprogramme stehen weiterhin Produktion, Beschaffung/Einkauf und Lagerhaltung/Logistik. „Lean Production“, Automatisierungen, Ausgliederungen (Outsourcing) und Verlagerungen (Offshoring, Near-shoring) spielen ebenso prominente Rollen. Haben Optimierungen in der Vergangenheit vor allem den Bereich von Arbeitern („Blue collars“) fokussiert, so ist heute stärker der Angestelltenbereich („White collars“) erfasst. Das Erkennen weiterer Optimierungspotenziale, der Abbau von Komplexitäten, die Vermeidung von überflüssigen Aktivitäten („Waste“) und das Angehen bis anhin unantastbarer Bereiche („Schlachten von heiligen Kühen“) ist von Nöten, um eine gesunde Basis für weiteres Wachstum zu schaffen.