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«Internationale Käufer sind speziell angetan vom Know-how der Schweizer KMUs»

Die Zahl der Schweizer KMUs, die von ausländischen Unternehmen gekauft wurden, ist im ersten Halbjahr 2018 um fast 38 Prozent gestiegen. Insgesamt wuchs die Zahl der Transaktionen um 6,4 Prozent. Jean-François Lagassé, Partner Financial Advisory und Experte für Fusionen und Übernahmen (M&A) beantwortet nach der Veröffentlichung der Halbjahreszahlen einige Fragen.

Das Interview hat Piotr Kaczor verfasst und es erschien zuerst in französischer Sprache im L’Agefi vom 11. Juli 2018. (Übersetzung von Deloitte)

Die Zahl der Fusionen und Übernahmen der Schweizer KMUs ist im ersten Halbjahr 2018 um 6,4 Prozent gestiegen. Entspricht diese Entwicklung dem kontinentalen Trend?

Nur zu einem Teil. In Europa nahm das Transaktionsvolumen im ersten Halbjahr 2018 zu, die Zahl der Transaktionen ging jedoch zurück.

Erklären Sie sich das wiedererwachte Interesse an Schweizer KMUs als Zeichen von Stärke und Attraktivität?

Genau. Die Stärke des Schweizer Frankens hatte in den letzten Jahren zu einem Rückgang der Akquisitionen von Schweizer KMUs durch ausländische Unternehmen geführt. Aus unserer Analyse, die alle relevanten Transaktionen zusammenfasst, geht hervor, dass man bis in die erste Hälfte des Jahres 2014 zurückgehen muss, um ein vergleichbares Niveau zu finden wie im abgelaufenen Halbjahr. Damals wurde die Währung noch gestützt und war konstant mit 1,20 gegenüber dem Euro bewertet. Hinzu kommt, dass mit der erneuten Aufwertung des Euro gegenüber dem Franken erst in jüngster Zeit die Übernahmen durch ausländische Unternehmen wieder an Fahrt gewonnen haben.

Die damalige starke Aufwertung des Frankens hat die Schweizer Unternehmen aber nicht dazu veranlasst, von vorteilhafteren Akquisitionen im Ausland zu profitieren?

Das ist richtig. Anstatt die Stärke des Schweizer Frankens für Akquisitionen, beispielsweise in der EU, zu nutzen, waren die Schweizer Unternehmen damit beschäftigt, die Auswirkungen der Aufwertung des Frankens zu bewältigen. Sie mussten ihre Wettbewerbsfähigkeit durch interne Umstrukturierungen verbessern, um ihre Leistung zu erhalten und mit der europäischen und internationalen Konkurrenz mitzuhalten.

Aber Sie sind nur vorsichtig optimistisch für das gesamte Geschäftsjahr 2018 und damit für das zweite Halbjahr?

Mehrere Faktoren erklären unseren eher moderaten Optimismus für das zweite Halbjahr 2018. Zu ihnen gehört auch der derzeitige Anstieg der handelspolitischen Spannungen zwischen den USA, China und der EU. Diese schaffen eine politische und wirtschaftliche Unsicherheit, die kein guter Nährboden für solche Transaktionen sind, wie in der Vergangenheit beobachtet wurde. Zweitens: Der deutliche Zinsanstieg in den USA wirkt sich auf andere Finanzplätze aus und die Finanzierungskosten steigen an. Dies ist umso nachteiliger, als ein wachsender Anteil der Transaktionen – mehr als 35 Prozent in der Schweiz – von Private-Equity-Gesellschaften durchgeführt wird. Diese sind zur Finanzierung von Akquisitionen stark auf Fremdkapital angewiesen. Die Preise für Übernahmen werden daher unter Druck geraten. Schliesslich wirken sich auch weitere geopolitische Spannungen wie die Instabilität innerhalb der EU negativ auf Fusionen und Übernahmen aus.

Für Übernahmen wird immer mehr bezahlt. Die Bewertungen sind offenbar weiter gestiegen und haben mit dem 9,5-fachen des EBITDA im Durchschnitt des Unternehmenswerts einen neuen Rekord erreicht!

Ja, diese Multiplikatoren betreffen alle Transaktionen von Schweizer KMUs im ersten Halbjahr 2018. Seit dem ersten Halbjahr 2017 hat sich dieser Faktor von 9 auf 9,5 erhöht. Das ist der höchste Wert seit wir diese Studie durchgeführt haben. Im Jahr 2008 lag der Wert noch auf 5,2.

Die Industrie ist der wichtigste Sektor für Übernahmen und Fusionen. Ist das nicht überraschend für eine Dienstleistungswirtschaft?

Die Dienstleistungen stehen nach wie vor an zweiter Stelle. Meiner Meinung nach ist die führende Position der Industrie darauf zurückzuführen, dass die Schweiz über eine Reihe von Unternehmen verfügt, die in ihren jeweiligen Industriezweigen weltweit führend sind. Vor allem die Deutschen schätzen das Know-how der Schweizer KMU wegen der Präzision und Hochtechnologie, die sonst nirgendwo zu finden ist.

Sie registrierten in Ihrer Analyse auch eine Zunahme der Transaktionen im TMT-Bereich....

Der TMT-Sektor (Technologie, Medien und Telekommunikation) steht im Fokus, weil viele Firmen ihre Produktivität mit digitalen Technologien oder künstlicher Intelligenz verbessern wollen. Wir gehen davon aus, dass in den nächsten Jahren eine grosse Anzahl von KMU in der Schweiz aus diesem Sektor akquiriert wird. Dies gilt insbesondere für Unternehmen, die potenziell zu Disruptionen in ihren spezifischen Geschäftsfeldern führen könnten.

Warum rangiert der Finanzdienstleistungssektor bei der Anzahl der Transaktionen nur an dritter Stelle?

Die drei Sektoren Industrie, Dienstleistungen und Konsumgüter machen bereits mehr als die Hälfte der Transaktionen aus. Innerhalb des Finanzdienstleistungssektors hat sich die Vermögensverwaltung in den letzten Jahren stark konsolidiert. Diese Bewegung hat sich zwar etwas verlangsamt, weil viele Auslandbanken sich inzwischen aus der Schweiz verabschiedet haben. Dies obwohl die beiden Genfer Privatbanken Gonet & Cie und Mourgue d'Algue & Cie letzte Woche ihre Absicht zur Fusion gegeben hatten und nach wie vor eine grosse Zahl von Transaktionen in diesem Bereich vorbereitet wird. Nur schon wir selbst betreuen in der Schweiz rund zehn solche Deals im Bereich Wealth Management und Vermögensverwaltung. Dabei handelt es sich um Schweizer Unternehmen, die ihre Netzwerke innerhalb der EU zusammenlegen oder ausbauen wollen, da die Schweiz kein Abkommen mit der EU über den Zugang zu diesem Markt ausgehandelt hat: Schweizer Finanzunternehmen tätigen deshalb Akquisitionen im Ausland. Oder es sind Schweizer Banken mit Niederlassungen in England, die aufgrund des Brexit neue Einheiten innerhalb der EU suchen, um ihre europäischen Kunden zu bedienen.

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