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Wie COVID-19 unseren Alltag beeinflusst: Velofahren statt Fliegen bedingt flexiblere Mobilitätskonzepte

Zürich/Genf 2. Juni 2020

Die Corona-Krise wird unser Mobilitätsverhalten nachhaltig verändern. Viele Schweizerinnen und Schweizer wollen in Zukunft weniger öffentliche Verkehrsmittel nutzen und weniger fliegen. Dafür gibt es eine Verlagerung zu mehr Individualverkehr – das zeigt eine repräsentative Umfrage von Deloitte Schweiz. Aus Angst, man könnte sich beim Pendeln im öffentlichen Verkehr anstecken, wollen viele auf Velos, E-Bikes oder auch Autos umsteigen, sowie vermehrt im Home-Office arbeiten. Unternehmen und Behörden sind gefragt, flexible Lösungen auszuarbeiten, die Klimaschutz und Mobilitätsbedürfnisse unter einen Hut bringen.

Die Massnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus haben unsere Mobilität national und international auf eine Art und Weise eingeschränkt wie kaum zuvor. Vor der Corona-Krise verbrachte jede Person in der Schweiz gemäss Bundesamt für Statistik durchschnittlich rund 90 Minuten pro Tag im Verkehr, etwa die Hälfte davon war Freizeitverkehr. Mit der schrittweisen Lockerung der Massnahmen zeigt sich immer mehr, wie sich unser Mobilitätsverhalten in Zukunft entwickeln könnte. Deloitte hat Mitte April eine repräsentative Umfrage unter 1500 in der Schweiz lebenden Personen im erwerbsfähigen Alter durchgeführt, um den längerfristigen Einfluss der Corona-Krise auf das Mobilitätsverhalten der Bevölkerung zu untersuchen.

Individualverkehr nimmt klar zu

Die Umfrage von Deloitte zeigt klar, dass der Individualverkehr zunehmen wird, während der öffentliche Verkehr sowie Taxis und andere Fahrdienste das Nachsehen haben. Rund ein Drittel der Befragten glaubt, dass sie in Zukunft vermehrt zu Fuss, mit dem E-Scooter (auch E-Trottinett) oder dem Velo unterwegs sein werden – dies wird mit grösster Wahrscheinlichkeit auf Kosten des öffentlichen Verkehrs gehen (siehe Abbildung). Rund ein Viertel der Befragten plant, weniger häufig in Zügen, Bussen, Trams oder Taxis unterwegs zu sein. Auch beim motorisierten Individualverkehr dürfte es eine leichte Zunahme geben – insbesondere bei jungen Personen. Jede vierte (26%) unter 30-jährige Person geht davon aus, dass sie öfter Auto fahren wird und 29 Prozent geben an, häufiger das Motorrad benutzen zu wollen.

Abbildung: Langfristige Änderungen des persönlichen Mobilitätsverhalten aufgrund der Corona-Krise

Städteplanung für mehr Velo und Fussgänger

«Unsere Umfrage zeigt, dass vor allem der Fuss- und Veloverkehr in den Städten stärker zunehmen wird», sagt Philipp Roth, Leiter Öffentlicher Sektor bei Deloitte Schweiz. «Die Forderungen nach einer fussgänger- und velofreundlicheren Infrastruktur werden bereits lauter. Städte und Gemeinden müssen sich aber auch bewusst sein, dass attraktivere Bedingungen für Velofahrer unter Umständen geringere Einnahmen für den öffentlichen Verkehr bedeuten. Ein weiterer Ansatz könnte auch Road-Pricing sein, um den motorisierten Individualverkehr in den Städten zu regulieren und so mehr Platz für Fuss- und Veloverkehr zu schaffen.»

«Bestehende Trends wie die Sharing Economy beim Individualverkehr werden verstärkt. Für viele Menschen ist es wichtig, dass sie in ihrer Mobilität möglichst flexibel sein können – E-Scooter, Veloverleihkonzepte und Sharing-Modelle für Autos können hier eine wichtige Rolle spielen. Behörden müssen dies in der Verkehrs- und Städteplanung berücksichtigen», erklärt Roth weiter.

Trend zu mehr Home-Office entlastet auch den ÖV

Die Corona-Krise hat auch das Arbeiten der Menschen in der Schweiz verändert. Die Umfrage zeigt, dass viele der aktuell noch zuhause arbeitenden Menschen auch in Zukunft an gewissen Tagen im Home-Office arbeiten möchten. Dies wird einen spürbaren Effekt auf das in den letzten Jahren immer stärker ausgelastete öffentliche Verkehrsnetz haben. Laut einer Studie des Forschungsunternehmens Ecoplan können flexiblere Arbeitsplatzkonzepte und Stundenpläne zu einer erheblichen Entlastung der öffentlichen Verkehrsmittel beisteuern – die potenzielle Entlastung an den Hauptverkehrszeiten durch flexible Arbeitsformen liegen in der Grössenordnung von 24 Prozent am Morgen und bei 10 Prozent am Abend.

«Die Corona-Krise hat den Trend zu mehr Home-Office verstärkt», sagt Roth. «Es ist wichtig, dass die Behörden dies bei der Verkehrsplanung berücksichtigen. Pläne über milliardenschwere Verkehrsinfrastrukturprojekte müssen allenfalls überdacht oder den neuen Umständen angepasst werden.»

Weniger private Flugreisen

In der Luft können nur die wenigsten auf den Individualverkehr ausweichen. Die Menschen in der Schweiz gehen gemäss der Umfrage von Deloitte tendenziell davon aus, dass sie in den kommenden Jahren weniger fliegen werden. Von den Befragten, die gelegentlich per Flugzeug verreisen, rechnen 27 Prozent mit weniger Flugreisen, 13 Prozent hingegen gehen von einer Zunahme aus.

Die Umfrage zeigt auch eine leichte Verschiebung hin zum motorisierten Individualverkehr, allen voran bei den jungen Menschen, die noch viele Jahre mobil sein werden. Dies könnte einen Realitätscheck für die klimafreundliche Schweizer Verkehrspolitik bedeuten, wenn es sich dabei nicht um eine Zunahme von emissionsarmen Verkehrsmitteln handelt und junge Leute wieder vermehrt ins Auto steigen.

Wachsender Individualverkehr und CO2-Abgabe

Die Resultate der Umfrage von Deloitte zeigen also eine Verschiebung vom öffentlichen Verkehr hin zu individueller Mobilität. «Dieser Trend sollte die Schweiz aber nicht davon abhalten, die CO2-Reduktion wie geplant voranzutreiben und eine wirkungsvolle Lenkungsabgabe einzuführen», sagt Reto Savoia, CEO von Deloitte Schweiz. Für ihn setzt das neue CO2-Gesetz die richtigen Anreize, um den gesamten Verkehr klimafreundlicher zu gestalten und gleichzeitig die für die Bevölkerung und die Wirtschaft notwendige Mobilität in Zukunft zu gewährleisten.

«Falls die Schweiz in Zukunft die CO2-Abgabe auf Treibstoffe ausweitet, sollte sie sich deshalb auch auf internationaler Ebene für vergleichbare Lösungen einsetzen. Nur wenn viele Länder mitziehen, können die CO2-Reduktionsziele erreicht und der Klimawandel gebremst werden.» Savoia zieht auch bereits Schlüsse aus der Coronakrise: «Für Unternehmen bedeutet Nachhaltigkeit in Zeiten von Corona nicht nur das Klima zu schützen, sondern die Belastbarkeit aller Prozesse zu verbessern.»

Flexible Mobilitätskonzepte sind gefragt

Um den sich verändernden Mobilitätsbedürfnissen Rechnung zu tragen, sollten Behörden und Wirtschaft gemeinsam flexible Mobilitätskonzepte entwickeln. Die Corona-Krise hat allen vor Augen geführt, dass einige Unternehmen und Angestellte Zeit und Ort vieler Arbeiten sehr flexibel wählen können und die Zusammenarbeit trotzdem funktioniert.

«Die Unternehmen sollten das örtlich und zeitlich flexible Arbeiten möglichst beibehalten. Gleichzeitig sind aber auch die Behörden gefordert, Verkehrsflüsse flexibler zu gestalten und Mobilitätskonzepte wie den Verleih von E-Bikes, das Teilen von Autos oder den einfachen Zugang zu E-Scootern zu fördern und die Verkehrsmittel zu vernetzen. In Zukunft müssen wir mehr Raum für den Individualverkehr schaffen, ob für Fussgänger, Velofahrerinnen oder emissionsarme Personenwagen. Smart-City-Konzepte, die eine effiziente, modernere und nachhaltige Mobilität gewährleisten können, sind hier besonders gefragt. Dabei allen Anspruchsgruppen gerecht zu werden, ist eine komplexe Herausforderung», erläutert Philipp Roth.

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