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Unternehmertum – ein zentraler Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz

Interview mit Jürg Birri, Managing Partner Deloitte Private, Deloitte Switzerland

99% aller Unternehmen in der Schweiz sind KMU oder Familienunternehmen. Sie sind das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft und beschäftigen zwei Drittel der Erwerbstätigen. Start-ups haben den Unternehmergeist, der notwendig ist, um Innovationen zu fördern – nicht nur in der Forschung und Entwicklung, sondern auch in einem geschäftlichen Umfeld. Deshalb glauben wir, dass Unternehmertum ein zentraler Faktor für die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz ist.

Wie würden Sie das Start-up Umfeld in der Schweiz charakterisieren?

Die Schweizer Start-up-Szene hat sich in den letzten 15 Jahren stark entwickelt und Zehntausende Arbeitsplätze geschaffen. Die Zahl ambitionierter Jungunternehmen hat zugenommen und vor allem der Anteil der Unternehmen, die Investoren gewinnen können, ist stark gestiegen.

Die Schweiz verfügt über eine Vielzahl von Hochschul-Spin-offs und zieht zahlreiche ausländische Absolventen an, die in einem der innovativen und schnell wachsenden Bereiche wie Biotech, ICT, Fintech und Medtech ein Start-up gründen. Die Community rund um die ETH unterstützt Start-ups beispielsweise mit Infrastruktur, Beratung rund um die Finanzierung und einem Netzwerk von Mentoren und Experten aus verschiedenen Branchen.

Laut dem aktuellen «Startup Heatmap Europe Report» konnte sich Zürich auf Platz 8 als Zentrum für Start-ups verbessern, hinter Berlin und London, die die Liste anführen. Trotz der Verbesserungen in den letzten Jahren besteht jedoch Aufholbedarf gegenüber anderen führenden Start-up-Nationen wie Israel und Schweden.

Was muss verbessert werden, um die Attraktivität der Schweiz für die Gründung eines Start-ups zu erhöhen?

Es gibt mehrere Hürden. Die erste ist die Investition. Die Schweiz muss die Zahl der regelmässig investierenden Wagniskapitalgeber erhöhen. Insbesondere fehlen Wachstumsfinanzierungsrunden im Umfang von über CHF 50 Millionen. Potenzielle Investoren sind neben Unternehmensfonds die Pensionskassen, die derzeit nur einen sehr geringen Betrag in Start-ups investieren.

Die zweite Hürde besteht darin, die allgemeine Kultur und Wahrnehmung des Unternehmertums in der Schweiz zu verbessern. Im internationalen Vergleich gelten Schweizer generell als risikoscheu und für die meisten besteht keine wirtschaftliche Notwendigkeit, ein eigenes Geschäft aufzubauen – es gibt bereits einen guten Arbeitsmarkt mit vergleichsweise hohen Löhnen. Ein Bewusstseinswandel hin zu mehr Versuch und Irrtum und allgemein eine positive Einstellung zum Umgang mit Fehlern wären jedoch von Vorteil. Investoren, Firmen und die Regierung müssen Unternehmer unterstützen und sie zum Experimentieren ermutigen, auch wenn sie am Anfang scheitern. Darüber hinaus sollte das Unternehmertum in der Schule durch praxisorientierten Unterricht, Praktika und andere Initiativen gefördert werden.

Eine dritte Hürde sind Regulierungen und internationale Beziehungen. Die Schweiz sollte Regulierungen pragmatisch gestalten und bürokratische Prozesse so einfach wie möglich halten. Internationale Zusammenarbeit ist für eine innovative Start-up-Szene unabdingbar.

Aus einem erfolgreichen Start-up kann über Generationen ein Familienunternehmen werden. Was ist der gemeinsame Erfolgsfaktor erfolgreicher Familienunternehmen?

Hier spielen mehrere Aspekte zusammen. Einer ist das Familienvermächtnis oder die langfristige Perspektive. Familienwerte beinhalten oft die Verpflichtung zur Langlebigkeit und zur Bewahrung des Erbes zwischen den Generationen. Sie haben einen Zweck, der Vertrauen erweckt – für Kunden ebenso wie für Mitarbeiter. Besonnenheit und Familienwerte ziehen loyale Mitarbeiter an und binden diese. Eigentümer haben zudem eine emotionale Verbindung zu ihrem Unternehmen – wenn der Name Ihrer Familie auf dem Produkt steht, sollten Sie es besser nicht vermasseln.

Darüber hinaus gelingt es erfolgreichen Familienunternehmen, die Balance zwischen Tradition und Innovation zu halten. Sie bringen Familien- und Geschäftsstrategie in Einklang und halten alles durch eine offene und ehrliche Kommunikation zusammen.

Wo sehen Sie in den nächsten Jahren die grössten Herausforderungen für kleinere Firmen und Familienunternehmen in der Schweiz?

Ein Kernthema ist die Digitalisierung. Viele kleinere Unternehmen schöpfen ihr Potenzial noch nicht voll aus. Dies könnte sich mit der Nachfolge der nächsten Generation in der Führung ihres Unternehmens verbessern. Angehörige dieser Generation sind technisch versierter, agil und können sich so an das verändernde Konsumentenverhalten und externe Risiken anzupassen. Die Nachfolge an sich ist jedoch für ein Familienunternehmen immer eine Herausforderung.

In der Schweiz gibt es mehrere Wirtschaftscluster wie Life Sciences in Basel, Lebensmittel und Ernährung in der Nähe von Lausanne, Fintech in Zürich oder Krypto in Zug. Welche Rolle spielen solche Cluster im unternehmerischen Umfeld, für Familienunternehmen oder Grosskonzerne? Welche Rolle spielen sie in der Zukunft?

Unternehmenscluster spielen eine entscheidende Rolle für alle Akteure – Start-ups, KMUs, Grossunternehmen und Universitäten. Der Austausch von Ideen, Wissen und Mitarbeitenden in einem Cluster fördert innovative Produkte und verbessert die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit. Wir glauben, dass die Bedeutung von Clustern in der Schweiz in Zukunft zunehmen wird, was die Zusammenarbeit und den Aufbau von Ökosystemen zwischen den Sektoren erleichtern wird.

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