Perspektiven

E-Government auf dem Vormarsch

Schweizer Bevölkerung wünscht sich landesweit einheitliche digitale Dienstleistungen im öffentlichen Sektor

Die Schweizer Bevölkerung bewertet das Angebot digitaler Dienstleistungen des öffentlichen Sektors (E-Government) als fortschrittlich. Im internationalen Vergleich gibt es allerdings noch Luft nach oben. Laut der aktuellen Deloitte-Umfrage Digital Government Survey 2020 bevorzugen Schweizer vor allem landesweite und einheitliche digitale Lösungen und wünschen sich mehr und bessere digitale Services bei administrativen Aufgaben wie Passangelegenheiten, dem Vignettenbezug oder der Bezahlung von Parkbussen sowie verstärkte eVoting-Möglichkeiten.

Gut vier Fünftel der befragten Schweizer Bürgerinnen und Bürger (79%) schätzt das digitale Angebot des öffentlichen Sektors in der Schweiz als entweder “sehr” (18%) oder “eher fortschrittlich” (61%) ein. Dabei sind Frauen, junge Bürgerinnen und Bürger sowie Grossstadtbewohner überdurchschnittlich vertreten. Dies geht aus einer Umfrage von Deloitte Schweiz zum digitalen Wandel des öffentlichen Sektors hervor.

Aufseiten der befragten Verwaltungsangestellten bewerten 17% die externen Dienste als “sehr” und 62% als “eher” fortschrittlich. Dabei werden die externen Dienste der Verwaltungen von Bund, Kantonen und Gemeinden stärker als “eher nicht fortschrittlich” bewertet als beispielsweise im Gesundheits- und Sozialwesen oder Verkehr- und Transportsektor.

Wie fortschrittlich bewerten Sie Ihren Arbeitgeber in Bezug auf die Bereitstellung von externen digitalen Dienstleistungen (z.B. Online Formulare, digitaler Schriftverkehr oder digitaler Zahlungsverkehr)?

Insgesamt finden Bevölkerung und Verwaltungsangestellte aber auch: Es gibt noch Luft nach oben bei der Digitalisierung im öffentlichen Sektor. So bewerten 21% der Befragten das Angebot von digitalen Dienstleistungen in der Schweiz als “eher nicht” oder “überhaupt nicht fortschrittlich”.

Schaut man über die Ländergrenzen hinweg, zeigt sich, dass es bei der Bewertung des Schweizer Angebots digitaler Lösungen im internationalen Vergleich eine gewisse Kluft zwischen dem Eigenbild der Schweizer Bevölkerung und dem realen Status Quo gibt. Internationale Vergleichsstudien zu E-Government wie die Nationale E-Government Studie 2019 zeigen auf, dass die Schweiz bei der Digitalisierung ihrer Dienstleistungen noch Verbesserungspotenzial aufweist.

Vorreiter Dänemark: Eine ID-Nummer für alle E-Services

In Dänemark hat die Digitalisierung von Verwaltungsdiensten für die Bürger beispielsweise schon Ende der 1960er Jahre begonnen: 1968 führte das Land ein zentrales, elektronisches Personenregister ein. Jeder Bürger erhielt eine Identifikationsnummer, die auch heute noch die Grundlage aller digitalen Dienste bildet. Mit dieser Personennummer loggen sich die Dänen ganz einfach in das Portal borger.dk ein. Dort werden den Bürgern die unterschiedlichsten staatlichen Dienstleistungen angeboten: Registrierung des Wohnortwechsels, Steuererklärung, Antrag auf Sozialhilfe – dafür genügen ein paar Klicks am Computer, Handy oder Tablet. Die ID-Nummer ist auch für das Abrufen persönlicher Gesundheitsdaten und die Nutzung von Online-Banking-Diensten einsetzbar.

Die Digitalisierung der Verwaltung ist für den dänischen Staat sehr effektiv und kostengünstig. So schätzt man im Finanzministerium, dass der Staat rund 300 Millionen Euro pro Jahr durch diese E-Government-Dienste einspart. Die dänischen Bürger haben die Services mit grosser Mehrheit angenommen: Über 80% der Kommunikation zwischen öffentlicher Verwaltung und den Bürgern geschieht elektronisch. Die sogenannte “E-Boks”, ein elektronischer Briefkasten für jeden Bürger über 15 Jahre, in dem digitale Behördenbriefe landen und von dort beantwortet und unterschrieben werden können, nutzen mehr als 90% der Dänen.

Schweizer wollen mehr digitale E-Gov-Lösungen – auch in persönlichen Themen wie Steuern

In der Schweiz sind die Nutzerzahlen für digitale Dienstleistungen im öffentlichen Sektor hoch. Immerhin kennen laut unserer Umfrage 89% die digitalen Dienstleistungen rund um Steuern (z.B. die elektronische Übermittlung der Steuererklärung), und 72% haben diese schon digital genutzt. Weitere 68% der Befragten kennen digitale Dienstleistungen rund um das Personenregister (z.B. online Betreibungsregisterauszug beziehen) und 55% haben diese schon digital verwendet. Dagegen sind digitale Dienstleistungen rund um den Wohnsitz wie eine Online-Ab- und Anmeldung oder die elektronische Identifizierung, aber auch Services rund um das Fahrzeug (z.B. zur Nummernschildeinlösung) etwas weniger bekannt und werden noch nicht so häufig genutzt. Hier scheint aber ein zukünftiger Bedarf zu bestehen: 76% möchten gerne digitale Dienste rund um das Fahrzeug und 74% rund um den Wohnsitz beziehen.

Digitale Dienste rund um Steuern und Personenregister sind am bekanntesten und werden aktuell am stärksten genutzt; digitaler Bedarf besteht zukünftig für Fahrzeug und Wohnsitz.

Doch auch über die schon bekannten und gut genutzten digitalen Dienstleistungen hinaus wünscht sich die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung neue, digitale Angebote beispielsweise zum Vignettenbezug, zur Bezahlung von Parkbussen, zum e-Voting und bei der Pass/ID-Bestellung: 81% befürworten “stark” oder “eher” die Möglichkeit, die Autobahn-Vignette in elektronischer Form zu beziehen und 80% “stark” oder “eher” die Möglichkeit, Parkbussen mit kontaktlosen Bezahlmöglichkeiten zu bezahlen. Zudem befürworten 78% die Möglichkeit, online per e-Voting abzustimmen und 77% die Möglichkeit, Pass/ID komplett online zu bestellen.

Andere digitale Dienstleistungen werden weniger befürwortet. Am tiefsten ist die Befürwortung für eine staatlich automatische Sammlung von steuerrelevanten Daten für die Erstellung der Steuererklärung (62% “stark” oder “eher”), die Möglichkeit Anzeigen bei der Polizei online zu erstatten (67%) sowie die Möglichkeit, Dokumente rechtsgültig digital unterschreiben zu können (68%). Trotz dieser Werte ist hervorzuheben, dass sich über 60% der Schweizer Bevölkerung auch in sehr persönlichen Themen wie den Steuerdaten digitale Lösungen vorstellen können.

Befürworten Sie folgende neue digitale Dienstleistungen der Behörden / öffentlichen Verwaltung...

Bevorzugt werden schweizweite einheitliche digitale Lösungen

Zum Erfolg des dänischen Modells hat sicher beitragen, dass der Staat zuerst mit Basisdiensten startete, die von den Bürgern gewünscht wurden. Die Schweiz konnte laut der E-Government-Benchmark 2020-Studie der Europäischen Kommission ihr E-Gov-Angebot in den meisten untersuchten Hauptindikatoren im Vergleich zu den Vorjahren verbessern. Einen Rückstand hat die Schweiz nach wie vor bei genau diesen Basisdiensten. Ein digitaler Briefkasten für den elektronischen Versand von Informationen und Dokumenten zwischen Staat und Bevölkerung oder Unternehmen ist noch wenig etabliert. Zudem ist eine staatlich anerkannte elektronische Identität noch nicht verfügbar, und erst sehr wenige Behörden bieten den Service an, Formulare mit bereits vorliegenden Daten vorauszufüllen.

Die Rahmenbedingungen für ein funktionierendes föderalistisches System sind in der Schweiz allerdings deutlich komplexer und anspruchsvoller als im internationalen Vergleich – auch bei der Neueinrichtung digitaler Services. Rund 2'200 Gemeinden sowie 26 Kantone und die Ebene des Bundes verfügen über unterschiedliche Zuständigkeiten und Autonomien. Vier Landessprachen sind umfänglich zu integrieren, und das in der Schweiz kulturell hochstehende Gut der Privatsphäre, damit verbunden der Datenschutz, geniesst höchste Priorität.

Und dennoch wünscht sich die grosse Mehrheit der Schweizer mehr Digitalisierung der Verwaltungen – und schweizweit einheitliche digitale Lösungen. Das befürworten zwischen 70% und 80% der Befragten. Für die schweizweit einheitliche elektronische Übermittlung der Steuerdaten votierten 74%, für die Online-Nummerschildeinlösung 75% und die Online-An- und Abmeldung am Wohnsitz 76%. Die Spitzenplätze belegen mit 79% die Forderung nach einem elektronischen Identifizierungsdienst mit einer e-ID und mit 80% der Wunsch nach einem Online-Personenregister.

Bevorzugen Sie für die Bereitstellung von digitalen Dienstleistungen der Behörden / öffentlichen Verwaltung grundsätzlich schweizweite einheitliche digitale Lösungen (bzw. in allen Kantonen identisches Angebot) oder kantonale digitale Lösungen (bzw. unterschiedliches Angebot pro Kanton)?

Inwieweit gerade für das Beispiel des elektronischen Identifizierungsdiensts mit einer e-ID eine gesetzliche Grundlage geschaffen wird, hängt vom Stimmvolk ab: Gegen das von Bundesrat und Parlament befürwortete “Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste (BGEID)” wurde das Referendum ergriffen. Das Gesetz verspricht nicht nur die Möglichkeit einer einfachen, aber sicheren Identifizierung im Internet, sondern auch eine strenge Kontrolle bei der Zertifizierung der Technikanbieter und mehr Datenschutz. Das Gesetz soll als ein Schlüsselelement für die weitere Digitalisierung der Schweizer Verwaltung dienen.

Bund, Kantone und Gemeinden arbeiten seit Jahren an der Digitalisierung von Behördendiensten und -leistungen. Oftmals bestehen die elektronischen Kanäle jedoch noch parallel als Alternative zum analogen Kanal. Um den Wandel hin zur digitalen Verwaltung zu beschleunigen, wollen die Verantwortlichen diese elektronischen Kanäle zukünftig so attraktiv gestalten, dass diese für die Bevölkerung und die Wirtschaft zur ersten Wahl werden – ganz gemäss der Strategie “Digital First”. Die Schweizer Bevölkerung befürwortet dies mehrheitlich. Und so sollte dieses Potential ausgeschöpft werden. Schweizweit einheitlich und sicher.

Der Weg zum digitalen Wandel im öffentlichen Sektor

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