Posted: 13 Aug. 2020 3 min Lesezeit

COVID-19 Briefing: Konjunktur-Update – Economic News Index weiter im Aufwind

Das zweite Quartal 2020 wird unzweifelhaft als das konjunkturell schlechteste seit vielen Jahrzehnten in die Wirtschaftsgeschichte eingehen. Nach den kürzlich veröffentlichten offiziellen Zahlen schrumpfte die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal um 10,1 Prozent gegenüber dem Vorquartal. In der Eurozone ging das BIP sogar um insgesamt 12,1 Prozent zurück. In Spanien war die konjunkturelle Lage mit einem Minus um 18,5 Prozent am düstersten.

Ganz aktuell stehen die Zeichen allerdings auf Erholung im zweiten Halbjahr. Die Frühindikatoren für Deutschland befinden sich im Aufwärtstrend – ebenso wie auch der Deloitte Economic News Index, der Ende Juli das erste Mal seit dem Beginn der Corona-Krise wieder über seinem langjährigen Durchschnitt lag. Für das Gesamtjahr 2020 haben wir unsere Prognose leicht nach oben revidiert und erwarten nun statt einem Minus von 7,4 Prozent einen etwas geringeren Rückgang um nunmehr 6,5.

 

Economic News Index im positiven Bereich

 

Der Economic News Index (ENI) ist ein textbasierter Indikator und misst die Stimmung, die sich aus der Analyse redaktioneller Inhalte in der Wirtschaftspresse ergibt. Er screent dabei täglich eine große Anzahl von Wirtschaftsnachrichten aus dem überwiegenden Großteil nationaler, regionaler und lokaler Medien in Deutschland. Positive und negative Tendenzen werden in getrennten Indizes erfasst und später miteinander verrechnet. Die Null-Linie ist der langfristige Durchschnitt. Der historische Verlauf belegt, dass der ENI den Trend der BIP-Entwicklung in der Vergangenheit gut antizipieren konnte.¹

Bei monatlicher Betrachtung des ENI zeigt sich, dass der Index in der Corona-Hochzeit sehr viel tiefer sank als in der Finanzkrise. Es wird aber auch deutlich, dass sich die gemessene Stimmung nach dem absoluten Tiefpunkt Ende April wieder relativ schnell erholte. Im Juli lag der Index das erste Mal seit dem Ausbruch der Pandemie in Deutschland über seinem langfristigen Durchschnitt. Dieser Umschwung hat sicherlich viel mit der Lockerung der Corona-Einschränkungen zu tun sowie den relativ niedrigen Infektionsraten und dem Wieder-Anlaufen der Wirtschaft, das bisher relativ reibungslos verlief. Der ENI stützt damit auch Umfrageergebnisse des Deloitte Consumer Pulse Survey. Dieser zeigt, dass  Konsumenten in Deutschland im internationalen Vergleich eher geringe Sorgen in Bezug auf Corona haben und ein relativ hohes Sicherheitsgefühl vorherrscht.² Die positive Stimmung spricht dafür, dass die deutsche Wirtschaft im dritten Quartal wieder auf einen Wachstumspfad einbiegt.

Economic News Index (monatliche Werte)

Eine detaillierte Betrachtung des ENI auf Wochenbasis zeigt allerdings auch die Risiken für den Aufschwung. Zwischen Mitte Mai und Anfang August stieg der ENI mit sehr kleinen Ausschlägen. Seit Anfang Juli gibt es allerdings eine Rückwärtsbewegung, die sich momentan zu stabilisieren scheint. Ein naheliegender Grund dafür dürften die wieder steigenden Infektionszahlen in Deutschland sein. Dies zeigt, dass die Lage bei der Bekämpfung der Pandemie nach wie vor fragil ist und jederzeit sehr schnell unmittelbare Auswirkungen auf die wirtschaftliche Stimmung haben kann.   

Economic News Index auf Wochenbasis

 

Konjunktur: Jahresprognose etwas weniger schlecht

 

Die offiziellen Quartalsdaten waren etwas besser als in unserer Deloitte Prognose unterstellt. Aufgrund der neuen Quartalsdaten gehen wir – auf der niedrigeren Basis des zweiten Quartals startend – von einem Wachstum von 5,4 Prozent im dritten Quartal und von 2,2 Prozent im vierten Quartal aus. Für das Gesamtjahr ergibt sich in unserem Baseline-Szenario – welches unterstellt, dass es zu keinem zweiten Lockdown kommen wird – ein Rückgang der Wirtschaftsleistung um 6,5 Prozent (anstatt der ursprünglich angenommenen 7,4 Prozent). Dies ist ein tiefer Einbruch – für die anderen Länder der Eurozone dürfte der Rückgang allerdings noch deutlich gravierender ausfallen: Für Frankreich gehen wir von einem Minus von 9,5 Prozent aus, für Italien und Spanien von einem Rückgang um 10,7 bzw. 10,8 Prozent. 

 

Ausblick: der Aufschwung im Zeichen der Wurzel – vollständige Erholung im ersten Quartal 2022

 

Das Konjunkturszenario hinter diesen Zahlen unterstellt einen Konjunkturverlauf, der dem mathematischen Wurzelzeichen ähnelt. Zuerst kommt es zu einer V-förmigen Erholung der Konjunktur im zweiten Halbjahr, im darauffolgenden Jahr verlangsamt sich der Aufschwung jedoch deutlich und kehrt schließlich zum langfristigen Wachstumspfad zurück. Das BIP-Level des vierten Quartals 2019 würde Deutschland in diesem Szenario erst im ersten Quartal 2022 wieder erreichen.

Der Hauptgrund für die Verlangsamung in 2021 ist die Wachstumsschwäche der deutschen Handelspartner. Deren wichtigste sind USA, Frankreich, China, die Niederlande, das Vereinigte Königreich und Italien. China dürfte in diesem Jahr als eines von zwei Ländern weltweit – neben Indonesien – ein positives Wachstum erreichen und so die deutsche Exportwirtschaft stabilisieren. Außer den Niederlanden sind unseren Konjunkturprognosen zufolge alle anderen großen Exportmärkte schwerer von der Pandemie betroffen als Deutschland, so dass sich die für die deutsche Wirtschaft so wichtigen Exporte eher langsam als sprunghaft erholen dürften. 

BIP-Prognosen für ausgewählte Länder/Regionen (%, Y-o-Y)

 

Unternehmensinvestitionen dürften sich wegen der enorm hohen Unsicherheit ebenfalls eher zaghaft entwickeln. Damit ist es vor allem der Konsum, der den Aufschwung tragen muss. Es ist allerdings nicht schwer, auch hier Risikofaktoren zu finden, die die Konsumenten verunsichern und damit die konjunkturelle Erholung gefährden könnten. Hierzu gehört sicherlich ein Wiederaufflammen der Infektionen sowie vermehrte Unternehmensinsolvenzen in der zweiten Jahreshälfte. Allerdings haben sich sowohl Wirtschaft wie auch Konsumenten zuletzt sehr viel schneller gefangen als noch im Mai befürchtet, so dass der kurzfristige Ausblick eher positiv erscheint. 

 

¹ Zur Methodik des ENI und der Prognosequalität siehe COVID-19-Briefing vom 19.05.2020: https://www2.deloitte.com/de/de/blog/covid-19-briefings/2020/covid-19-briefing-economic-news-index.html

² Siehe COVID-19-Briefing "Konsumentenstimmung im Aufschwung" vom 07.08.2020: https://www2.deloitte.com/de/de/blog/covid-19-briefings/2020/covid-19-briefing-aufschwung-konsumentenstimmung.html

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Dr. Alexander Börsch

Dr. Alexander Börsch

Chefökonom & Director Research

Alexander Boersch is chief economist and a director (research) at Deloitte Germany. In his research, he focuses on European and German economics, the development of the digital economy as well as on demographic and globalization trends.