Posted: 23 Jul. 2020 3 min Lesezeit

COVID-19-Briefing: Homeoffice-Trends vor, während und nach Corona

COVID-19 brachte eine Vielzahl abrupter Änderungen mit sich. Für viele Arbeitnehmer gehörte die Notwendigkeit, von einem Tag auf den anderen von Zuhause zu arbeiten, sicher dazu. Nicht nur Arbeitnehmer, auch Unternehmen mussten sich extrem kurzfristig auf die neue Situation einstellen und ihre Organisation, ihre Kommunikation und ihre Prozesse in Echtzeit umstellen. Im aktuellen COVID-19-Briefing gehen wir der Frage nach, wie weit und in welchen Sektoren Homeoffice vor Corona in Deutschland verbreitet war, wie stark die Pandemie die Homeoffice-Tätigkeit beschleunigt hat und was für die Zukunft zu erwarten ist.

 

Homeoffice-Trends vor Corona

 

Vor Ausbruch der Pandemie war Arbeiten von Zuhause in Deutschland bemerkenswert wenig verbreitet. Ein Survey von Eurostat hat herausgefunden, dass 2019 nur gute fünf Prozent der Beschäftigten überlicherweise im Homeoffice arbeiteten, sieben Prozent gelegentlich und 87 Prozent nie. Diese Werte waren auch im Vergleich zu den Vorjahren weitgehend stabil. Daneben gab es in der Zeit vor COVID-19 vier weitere Trends.

Erstens, das Arbeiten von Zuhause ist im internationalen Vergleich sehr unterschiedlich verbreitet. In den Niederlanden und in Finnland arbeiteten circa 15 Prozent der Arbeitnehmer im Normalfall im Homeoffice, damit ungefähr dreimal so viele wie in Deutschland. Zweitens, die am besten ausgebildeten Arbeitnehmer arbeiteten mit weitem Abstand am ehesten von Zuhause, zumindest gelegentlich.

Drittens, die Möglichkeit im Homeoffice zu arbeiten, wurde von den Arbeitnehmern nicht unbedingt angenommen. In einer Umfrage von Randstad und dem ifo Institut zeigte sich, dass ungefähr 40 Prozent der befragten Unternehmen diese Möglichkeit anboten, aber die Hälfte der Arbeitnehmer machte davon sehr wenig Gebrauch. Das kann sehr individuelle, aber auch unternehmenskulturelle Gründe haben.

Viertens, aus der Sektorenperspektive war Homeoffice sehr unterschiedlich verbreitet. Nach dem European Labor Force Survey war die Informations- und Kommunikationsbranche mit Abstand am offensten für diese Form des Arbeitens. Hier arbeiteten fast zwei Drittel zumindest gelegentlich von Zuhause. In Branchen wie dem Handel oder der Finanzindustrie bewegte sich dieser Wert zwischen einem Fünftel und einem Drittel. 

 

Homeoffice-Trends während der Pandemie

 

Während des Lockdowns war die Arbeit von Zuhause für viele Firmen und Arbeitnehmer plötzlich keine Alternative mehr, sondern eine Notwendigkeit. Natürlich ist diese Form des Arbeitens nicht in allen Branchen und Berufen möglich, aber der Anstieg war sprunghaft. Während des Lockdowns im März arbeitete – nach Erkenntnissen der Mannheimer Corona Studie und einer Bitkom-Umfrage – ungefähr jeder vierte Arbeitnehmer vollständig im Homeoffice, während die Hälfte teilweise von Zuhause arbeitete. Die Studien waren repräsentativ und schlossen somit auch Arbeitnehmer in Kurzarbeit und in Freistellung mit ein, ebenso wie Arbeitnehmer in Berufen, in denen Homeoffice nicht möglich ist.

Aktuell hat sich die Situation nach den schrittweisen Lockerungen wieder etwas normalisiert. Anfang Juli arbeiteten nach der wöchentlich erhobenen Mannheimer Corona Studie fast zwei Drittel der Beschäftigten wieder an ihrem Arbeitsplatz; ein Viertel arbeitet teilweise von Zuhause, fünf Prozent ausschließlich von Zuhause und zehn Prozent befinden sich in Kurzarbeit, sind freigestellt oder haben ihren Job verloren.

Quelle: Mannheimer Corona-Studie , 10. Juli 2020

 

Eine Stepstone Umfrage von Anfang Juni zeigte, dass sich die Arbeitnehmer durchaus auf eine Rückkehr ins Büro freuen. Über 60 Prozent empfanden es als positiv, in Kürze wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren zu können. Ebenso wichtig auch ein anderes Ergebnis: knapp die Hälfte wünscht sich, frei entscheiden zu können, von wo sie arbeiten. Auch sagen nach einer Gartner-Umfrage knapp 75% der CFOs, dass sie die flexibleren Arbeitsweisen auch für die Zukunft als Chance nutzen möchten.

 

Homeoffice-Trends für die Zukunft

 

Die Kernfrage für die Zeit nach COVID-19 ist, inwiefern der erzwungene Trend Richtung Homeoffice sich verfestigen wird. Klar ist, dass die deutschen Unternehmen auch in der Krise noch längst nicht das grundsätzliche Potenzial des Arbeitens von Zuhause ausgeschöpft haben. Das ifo-Institut schätzt, dass 56 Prozent der deutschen Beschäftigten grundsätzlich von Zuhause arbeiten könnten, das sind mehr als doppelt so viele wie dies aktuell tun.

In mancher Hinsicht hat COVID-19 sicherlich als Akzelerator für das Homeoffice gewirkt. Es hat sich gezeigt, dass Arbeitsprozesse sehr schnell digitalisiert werden können beziehungsweise auch ohne Anwesenheit im Büro funktionieren. Unter dem Druck der Krise wurden ebenso fast in Echtzeit neue Kommunikationstools eingeführt – Videokonferenzen sind hier sicher das prominenteste Beispiel – und neue digitale Fähigkeiten entwickelt. Nicht zuletzt aus diesen Gründen beabsichtigen auch viele Firmen, die Möglichkeiten des Homeoffice in Zukunft auszubauen. Dabei wird es aber auch in Zukunft starke Branchenunterschiede in der Homeoffice-Affinität geben. Alle wissensintensiven Dienstleistungsbranchen – Information- und Kommunikation, Finanzdienstleistungen und Unterricht – haben hier sicherlich das höchste Potenzial. Nicht zuletzt hängt dies neben den Arbeitsaufgaben, die zu erledigen sind, von vielen kulturellen Faktoren des Unternehmens ab.

Die Implikationen auf Bereiche wie Führung von Mitarbeitern und neue Formen der Zusammenarbeit werden substantiell sein. Es ist aber auch zu erwarten, dass es zu einer Ausdifferenzierung und nicht zu einer vollständigen Ersetzung der Büroarbeit kommt. Persönlicher Kontakt und Interaktion sind wichtig vor allem für die beruflichen Aktivitäten, die auf Wissensaustausch angewiesen sind.

Gleichzeitig wünschen sich die Arbeitnehmer ja auch vor allem Wahlmöglichkeiten und nicht ein ausschließliches Arbeiten von Zuhause. Von daher wird es für Unternehmen in dieser neuen Arbeitswelt darauf ankommen, die richtige Balance zwischen Büro- und Heimarbeit zu finden, die je nach Unternehmen, Sektor und persönlicher Situation anders sein kann, und die zugleich erfordert, Führung und Arbeitsumgebung an diese neue Balance anzupassen. 

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In den COVID-19 Briefings werden die verschiedenen kurzfristigen bis langfristigen Effekte der vorherrschenden Krise auf die Wirtschaft beleuchtet.

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Volker Rosenbach

Volker Rosenbach

Partner | Human Capital

Volker Rosenbach ist Partner im Bereich Consulting in Hamburg und hat langjährige Human Capital Beratungserfahrung. Sein Beratungsfokus liegt dabei auf Workforce- und HR Transformation Themen wie z. B. Zukunft der Arbeit, Auswirkung von KI auf die Organisation, Mitarbeiter und Führungskräfte, Work Redesign, Belegschaftszusammensetzung und Flexibilisierung, Strategic Talent Advisory & Skill Management, Target Operating Modelling sowie Leadership. Volker Rosenbach hat bereits zahlreiche deutsche sowie internationale Unternehmen unterschiedlichster Branchen bei der Umsetzung großer Transformationsinitiativen beraten und gilt als internationaler Fachexperte. Als ehemaliger Lead Partner für das Workforce Transformation Offering hat er dieses auf- und ausgebaut und verantwortet nun Human Capital Offering-übergreifend das entsprechende Generative AI Beratungsangebot von Deloitte Consulting.

Dr. Alexander Börsch

Dr. Alexander Börsch

Chefökonom & Director Research

Dr. Alexander Börsch ist Chefökonom und Leiter Research Deloitte Deutschland. Sein Fokus liegt auf der Analyse ökonomischer Trends und ihren Auswirkungen auf Unternehmen und Unternehmensumfeld. Er ist Autor zahlreicher Publikationen zu den Themen Wachstum und Konjunktur, Brexit, digitale Ökonomie sowie Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, Städten und Ländern.