Posted: 07 May 2021 5 min Lesezeit

Economic Trend Briefing: Konjunktur in der Eurozone Q2 2021 – Die Ruhe vor dem Aufschwung?

Lage vs. Stimmung

 

Die harten Daten zur wirtschaftlichen Lage in der Eurozone im ersten Quartal 2021 waren alles andere als rosig. Laut den kürzlich von Eurostat veröffentlichen Werten ist das Bruttoinlandsprodukt in den ersten drei Monaten um 0,6 Prozent zurückgegangen. Nach zwei aufeinanderfolgenden Rückgängen befindet sich die Eurozone damit technisch in einer Rezession. Unter den großen Ländern der Eurozone war der Rückgang in Deutschland am stärksten (-1,7 Prozent im Vergleich zum Vorquartal), auch die Wirtschaft in Italien und Spanien schrumpfte (-0,4 und -0,5 Prozent), während Frankreich ein leichtes Plus (0,4 Prozent) verzeichnen konnte. Der Grund für den Rückgang ist offensichtlich: Die dritte Welle der COVID-19-Pandemie, die damit einhergehenden Verlängerungen der Lockdowns sowie deren Verschärfungen belasteten die Konjunktur.

Tatsächlich bleibt der Aufschwung, der im Sommer 2020 einsetzte, nach wie vor unterbrochen. Die COVID-Beschränkungen in den großen Ländern der Eurozone liegen weiterhin auf einem Level, das ähnlich hoch ist wie in der ersten COVID-Welle vor einem Jahr. Laut dem Stringency-Index, mit dem die Oxford University den Umfang und die Schärfe der COVID-Beschränkungen misst, verbleiben diese in den meisten Ländern auf einem durchgehend hohen Level – in Frankreich sind sie beispielsweise im ersten Quartal wieder verschärft worden.

 

 

Dennoch deutet sich die lang erwartete Trendwende an, die Stimmung in der Wirtschaft ist höchst optimistisch. Der neueste Einkaufsmanagerindex für die Eurozone, ein wichtiger Konjunkturfrühindikator, zeigt einen Anstieg auf den höchsten Wert seit letztem Juli. Mit 53,8 Punkten liegt er zudem im deutlich positiven Bereich, Werte über 50 weisen auf eine Expansion der Wirtschaft hin. Der Anstieg bei den Auftragseingängen war der stärkste seit über zweieinhalb Jahren. ¹

 

Gründe für den Stimmungsaufschwung

 

Ein Teil des Stimmungsaufschwungs dürfte auf den Impffortschritt und die damit verbundene Aussicht auf Lockerungen der Corona-Beschränkungen zurückzuführen sein. Viele Länder der Eurozone sind dabei, die entsprechenden Restriktionen zu lockern. Die Niederlande und Belgien haben ihre Ausgangssperren abgeschafft und Geschäfte dürfen wieder ohne Terminvergabe öffnen. Ebenso ist Außengastronomie in den Niederlanden bereits wieder möglich, in Belgien ab dem 8. Mai 2021. In Österreich dürfen Restaurants und Hotels ab Mitte Mai wieder öffnen, mit Test als Voraussetzung. Auch in Frankreich greifen Lockerungen ab Mitte Mai, die Gastronomie, Kulturstätten und Geschäfte betreffen. In Spanien endet der Corona-Notstand am 9. Mai und wird voraussichtlich nicht verlängert. Ein Trend in Richtung Lockerung in Europa ist damit unverkennbar, womit sich Hoffnung auf anziehende wirtschaftliche Aktivität verbindet.

Nach wie vor ist der industrielle Sektor der Haupttreiber der wirtschaftlichen Lage, getrieben von hoher globaler Nachfrage und damit steigenden Exporten. Der Aufschwung in den USA und China ist hier ein wichtiger Faktor, für beide Länder sind die Wachstumsaussichten für 2021 sehr positiv, sodass der positive Rückenwind von Seiten der Industrie anhalten dürfte. Darauf deutet auch der RWI/ISL Containerumschlagindex hin, ein Frühindikator für die Entwicklung des Welthandels. Der Index befindet sich weiterhin stabil auf hohem Level.²

 

Unternehmen auf Erholungs- und Wachstumskurs

 

Ein ebenfalls deutliches Zeichen der Erholung sind die Investitionsabsichten der Unternehmen in Europa. Laut der Frühjahrsausgabe des Deloitte European CFO Survey, für den über 1.500 CFOs von Großunternehmen in Europa befragt wurden, wollen 45 Prozent der Unternehmen ihre Investitionen in den nächsten 12 Monaten erhöhen, das entspricht einem Anstieg um 18 Prozentpunkte. Gleichzeitig ist auch unter den Finanzvorständen der Optimismus sehr ausgeprägt – und liegt so hoch wie seit 2017 nicht mehr.

Die Unternehmen sind schon relativ weit auf ihrem Weg in Richtung Erholung von der Krise. Bei 43 Prozent liegen die Umsätze bereits wieder auf Vorkrisen-Niveau und 23 Prozent erwarten, dass sie dieses Level im Laufe des Jahres wieder erreichen. Damit hätten Ende 2021 zwei Drittel der Unternehmen die unmittelbaren Auswirkungen der Krise hinter sich gelassen und wären zumindest wieder auf dem Stand von Anfang 2020. Insofern scheint es so, als ob eine beträchtliche Zahl von Unternehmen in Europa den schlimmsten Teil der Krise überwunden hat, zumindest unter den befragten Großunternehmen.

Allerdings gibt es beträchtliche Sektor-Unterschiede. Im Gegensatz zu normalen Rezessionen verlief der durch Corona hervorgerufene Rückgang der Konjunktur sehr sektorspezifisch, vor allem, weil alle kontaktintensiven Sektoren mehr oder weniger stillgelegt wurden. Dies zeigt sich auch in der Erholungsphase. In manchen Sektoren liegt der Anteil der Unternehmen, die schon 2021 das Vorkrisen-Niveau erreichen, noch einmal deutlich höher. Dazu gehören Finanzen und Bau, das Gesundheitswesen und die Pharmaindustrie oder auch der Technologie- und Telekommunikationssektor. Am anderen Ende der Skala liegen Reisen und Tourismus, in dem eine Mehrzahl der CFOs davon ausgeht, das Vorkrisenniveau erst 2022 oder 2023 zu erreichen. Aber auch der Transport- und Logistiksektor ebenso wie die Automobilindustrie hinken dem Durchschnitt deutlich hinterher.

 

Trotz dieser Sektor-Unterschiede ist die positive Grundtendenz auf der makroökonomischen Ebene unverkennbar. Die Vorzeichen verdichten sich, dass sich der seit Herbst 2020 unterbrochene Aufschwung in der Eurozone bald fortsetzen wird und die Wirtschaft die derzeitige Rezession schnell überwindet.

 

¹ IHS Markit: Eurozone Composite PMI® – final data. 5.5.2021. https://www.markiteconomics.com/Public/Home/PressRelease/ef11dc721c7c4947a2b46f86948adf31

² RWI/ISL, „RWI/ISL Container Throughput Index: World trade remains stable despite lockdown in Europe“, March 2021

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Dr. Alexander Börsch

Dr. Alexander Börsch

Chefökonom & Director Research

Alexander Boersch is chief economist and a director (research) at Deloitte Germany. In his research, he focuses on European and German economics, the development of the digital economy as well as on demographic and globalization trends.