Posted: 11 Jun. 2024 5 min Lesezeit

Real Estate Industry Briefing: CFOs sehen wieder erste Anzeichen für einen Aufschwung

Die Krise in der Immobilienbranche scheint noch immer nicht ausgestanden. Nach wie vor lastet der jüngste Zinsanstieg auf den Bilanzen und auch von konjunktureller Seite ist nur mit wenig Rückenwind zu rechnen. Dementsprechend haben Immobilienunternehmen große Anstrengungen unternommen, um Risiken zu minimieren und ihr Geschäft robuster aufzustellen. Doch wie lange wird es noch dauern, bis der Sektor die größten Herausforderungen endgültig bewältigt hat und sich wieder auf Wachstum fokussieren kann?

Um dies zu beantworten, wurden 199 Finanzvorstände im Rahmen der jüngsten Deutschlandausgabe des halbjährlich erscheinenden Deloitte CFO Survey zu ihren Zukunftseinschätzungen und -plänen befragt. Im Nachfolgenden liegt der Fokus dabei auf den Teilnehmern [1] aus der Real Estate Branche [2]. Deren Rückmeldungen machen klar: Die Anzeichen dafür, dass die Talsohle bereits durchschritten worden ist, verdichten sich. Dementsprechend verspürt die Branche wieder einen erkennbaren Optimismus, auch wenn weiterhin mit Vorsicht agiert wird. 

 

Stimmungsbarometer zeigt wieder aufwärts

Der Zickzackkurs, der seit dem enormen Stimmungseinbruch vom Herbst 2022 zu beobachten ist, setzt sich auch im aktuellen Halbjahr fort (s. Abb. 1). Nachdem noch vor sechs Monaten gerade einmal 18 Prozent der Real Estate CFOs positiv in die Zukunft geblickt hatten, liegt der aktuelle Wert mit 36 Prozent doppelt so hoch. Damit steigt der Nettosaldo (Differenz zwischen optimistischen und pessimistischen Antworten) um stolze 56 Prozentpunkte und dreht somit ins Positive.  

 

Abb. 1: Wie beurteilen Sie die momentanen Geschäftsaussichten Ihres Unternehmens im Vergleich zu den Aussichten vor drei Monaten?

Der zurückkehrende Optimismus in der Immobilienwirtschaft fußt vor allem auf der Hoffnung nach ersten Zinssenkungen, welche dank nachlassender Inflationsraten in greifbare Nähe rücken. Für den stark fremdfinanzierten Real Estate Sektor würde dies zu erheblichen Entlastungen führen. Doch auch auf Nachfrageseite sorgt die antizipierte Zinswende für einen Aufschwung: Dank gefallener Bauzinsen vergeben Banken aktuell wieder mehr Immobilienkredite. [3] Nichtsdestotrotz befindet sich der Real Estate Sektor derzeit trotz der sich aufhellenden Aussichten noch immer in einem krisengeschwächten Zustand. 

 

Umsatzwachstum als Lichtblick

Dementsprechend geben sich die CFOs noch verhalten: Mit 57 Prozent gehen zwar mehr als die Hälfte von einem Anstieg ihrer Umsätze innerhalb des nächsten Jahres aus, eine Steigerung der operativen Margen trauen sich jedoch weniger als ein Viertel zu (s. Abb. 2). Dies zeigt, dass der Markt trotz neuer Wachstumschancen angespannt bleibt, sodass ein Ausweiten der Margen das Geschäftswachstum hemmen würde.

 

Abb. 2: Wie werden sich Ihrer Ansicht nach die Umsätze/operativen Margen in Ihrem Unternehmen über die nächsten zwölf Monate verändern?

Auch hinsichtlich der Investitions- und Personalpläne herrscht weiterhin Zurückhaltung. Mit einem Nettosaldo von -14 Prozent beim Thema Investitionen und -17 Prozent beim Thema Beschäftigung rechnen CFOs weiterhin mehrheitlich mit einem Abbau in beiden Bereichen (s. Abb. 3). Entsprechend wird davon ausgegangen, dass die erwarteten Umsatzsteigerungen auch mit den aktuell vorhandenen Kapazitäten erzielt werden können.

 

Abb. 3: Wie werden sich Ihrer Ansicht nach die Investitionen/die Beschäftigung in Ihrem Unternehmen über die nächsten zwölf Monate verändern?

Für extensivere Expansionspläne, welche auch Neueinstellungen und Investitionen mit sich bringen würden, reicht die Zuversicht des Real Estate Sektors trotz des vorsichtigen Optimismus jedoch noch nicht aus. Grund hierfür ist unter anderem die anhaltend hohe Risikolage, die den Weg hin zu einem stabilen Wachstumspfad erschwert.

 

Weiterhin schwache Inlandsnachfrage belastet die Unternehmen

In diesem Zusammenhang bereitet das makroökonomische Umfeld weiterhin die größten Sorgen: Wie auch im letzten Halbjahr bleibt die Angst vor einer geringen Inlandsnachfrage auf Platz eins der wahrgenommenen Risikofaktoren (s. Abb. 4). Der aktuelle Konjunkturausblick ist zwar wieder leicht positiv [4], die Unsicherheit bezüglich der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung bleibt jedoch groß. Bei ersten negativen Signalen würden sich die positiven Umsatzerwartungen der Real Estate CFOs als Haupttreiber des Optimismus daher wieder verflüchtigen. 

 

Abb. 4: „Welche der folgenden Faktoren stellen für Ihr Unternehmen in den nächsten zwölf Monaten ein hohes Risiko dar?“

Zudem lässt der regulatorische Druck nicht nach. Eine weitere Zunahme entsprechender Vorgaben, insbesondere bei ESG-Themen, kann nicht ausgeschlossen werden, da die Immobilienbranche als besonders kohlenstoffintensiv gilt. Sollten sich Umweltvorschriften weiter verschärfen, könnten sich die damit einhergehenden Kostensteigerungen zu einer Belastungsprobe für den Sektor entwickeln. Eine effektive Langfriststrategie zur Dekarbonisierung  ist daher unerlässlich.

Daneben stehen auch geopolitische Risiken wieder weiter oben auf der Agenda der Real Estate CFOs. Hierbei muss beachtet werden, dass die Befragungswelle des vorigen Halbjahres noch kurz vor der jüngsten Eskalation des Nahostkonfliktes durchgeführt wurde. Entsprechend schlagen sich alle damit verbundenen Ereignisse erst in den Einschätzungen der aktuellen Welle nieder und führen zu einer Steigerung der wahrgenommenen Risiken um ganze 30 Prozentpunkte.

Entspannung gibt es hingegen bei den Themen Kapital- und Rohstoffkosten: Hier nehmen die wahrgenommenen Risiken merklich ab. Neben den ersten Zinssenkungen, die in absehbarer Zeit erwartet werden, haben sich auch die Rohstoffpreise weitestgehend normalisiert.

 

Erste Chancen können wieder ergriffen werden

Der Optimismus, der trotz dieser vielfältigen Risikofaktoren wieder aufkommt, macht Hoffnung auf neue Chancen. Gerade in einem angespannten Marktumfeld, wie es derzeit zu beobachten ist, ergeben sich häufig attraktivste Gelegenheiten. Ergriffen werden können diese jedoch nur, wenn ausreichend finanzieller Spielraum vorhanden ist. Daher werden vorwiegend Unternehmen profitieren, die ihre Bilanzen im Zuge der Krise bereits weitestgehend saniert haben und nun solide aufgestellt sind. Nichtsdestotrotz bleibt Vorsicht das oberste Gebot, um die eigene Risikotragfähigkeit nicht zu überschreiten. Wer jedoch erfolgreich aufkommende Chancen erkennt, kann die eigene Wettbewerbsposition signifikant stärken.

Real Estate Unternehmen, die hingegen nach wie vor mit den Folgen des jüngsten Zinsanstieges zu kämpfen haben, geraten immer weiter unter Druck. Hier gilt es, das Geschäft durch Kostensenkungen, Effizienzsteigerungen sowie Risikominimierung möglichst schnell zu stabilisieren. Andernfalls droht die Gefahr, den Anschluss an die Wettbewerber zu verlieren, welche den Kurs wieder in Richtung Wachstumsstrategie setzen können. Es ist deshalb davon auszugehen, dass sich Krisengewinner und -verlierer in nächster Zeit immer stärker herauskristallisieren werden und für veränderte Kräfteverhältnisse auf dem Real Estate Markt sorgen werden.

 

 

Autor

Dr. Florian Loipersberger

Senior | Financial Services Insights

 

1Bei allen Bezeichnungen, die auf Personen bezogen sind, meint die gewählte Formulierung alle Geschlechter.

2Dies sind ca. 12 Prozent aller Befragten.

3sz.de (2024): Banken vergeben wieder mehr Immobilien-Kredite, zuletzt abgerufen am 5.6.2024.

4tagesschau.de (2024): Bundesregierung rechnet mit etwas mehr Wachstum, zuletzt abgerufen am 5.6.2024.

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Michael Müller

Michael Müller

Partner | Real Estate Leader Germany

Michael Müller verantwortet und leitet die bundesweiten Aktivitäten von Deloitte in der Industry Real Estate. Er ist der Deloitte Global ESG Leader und Mitglied der globalen Deloitte Real Estate Leadership Executive. Die Schwerpunkte seiner Tätigkeit bilden die Prüfung und Beratung von Unternehmen bzw. Unternehmens­gruppen der Immobilienbranche. Michael Müller ist zudem Dozent für internationale Rechnungs­legung (IFRS) und Mitglied in verschiedenen immobilienwirtschaftlichen Verbänden und Kommissionen.