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Digitale Nomaden auf neuen Wegen

Vier Stories aus der ReDI School

Ein Beitrag aus Resonance – dem Deloitte-Jahresbericht 2018/2019

Mangel an digitalen Fachkräften? Fehlende Jobperspektiven für Migranten? Die Berliner ReDI School (Ready for Digital Integration) hat für zwei gesellschaftliche
Fragen eine Lösung. Hier erwerben Geflüchtete IT-Kenntnisse und lernen Programmiersprachen. Sie eignen sich damit genau die am Arbeitsmarkt gefragten digitalen Kompetenzen an. Unterrichtet werden sie von IT-Experten aus Berliner Unternehmen, die ihr Know-how weitergeben und helfen, neue Chancen zu eröffnen. Eine Reihe von Firmen steht dem gemeinnützigen Projekt zur Seite. Auch Deloitte bringt sich ein – sei es bei der Zertifizierung als offizieller Bildungsträger, der Weiterentwicklung der „ReDI Connect“-App oder den HR-Summits.

Die Bilanz der ReDI School kann sich sehen lassen. Mehr als die Hälfte der Absolventen wechselt nach ihrer sechsmonatigen Ausbildung in ein bezahltes Praktikum, ein Studium oder einen Vollzeitjob. 260 Lehrer und Mentoren unterrichten ehrenamtlich an der Schule in Berlin-Mitte. Mehr als 1.800 Studierende aus 43 Nationen haben dort inzwischen Kurse abgeschlossen. Mit vier von ihnen haben wir gesprochen.

 

 
Hadeer Nabil Mohamed

Hadeer Nabil Mohamed

Hadeer ist Softwareingenieurin und Data Scientist bei Deloitte. Seit November 2018 unterrichtet sie an der Berliner ReDI School.

„Alle Prozesse wandern in die digitale Welt, daher gibt es eine immense Nachfrage nach Softwareentwicklern und Data Scientists. Fachkräfte mit solchen Fähigkeiten sind allerdings rar. Die ReDI School füllt diese Lücke ein Stück weit – und gibt gleichzeitig Geflüchteten eine zweite Chance. Sie können hier eine völlig neue Ausbildung beginnen. Coding ist keine Frage des Talents, sondern vor allem des Engagements. Man muss genau wie im Sport sehr viel üben, um in seiner Disziplin gut zu sein. Die meisten meiner Kollegen an der ReDI School sind erfahrene Praktiker. Sie bringen Kenntnisse über Programmiersprachen und deren Anwendungsmöglichkeiten mit, die aktuell am Markt gefragt sind. Gleichzeitig geben wir den Studierenden Orientierung für ihren Karriereweg. Als Lehrerin kann ich das Leben von Menschen positiv verändern und für die Community Gutes tun.

An der ReDI School unterrichte ich Data Analytics zweimal in der Woche. Da dies meine erste Erfahrung als Lehrerin ist, habe ich hier zunächst Teaching Sessions besucht. Das Unterrichten ist für uns auch ein Learning by doing. Am Ende des Semesters hole ich das Feedback der Studierenden ein, damit ich mich weiter verbessern kann. Die ReDI School ist für mich keine Schule im klassischen Sinn. Sie ist eher ein Ort, wo Freunde zusammenkommen, um gemeinsam zu lernen und dabei Spaß zu haben. Ich würde mir wünschen, dass noch mehr Schüler und Lehrer den Weg hierher finden, denn die ReDI School ist ein so erfolgreiches Modell."

 

 
Firas Zakri

Firas Zakri

Der Englischlehrer aus Aleppo kam 2015 nach Deutschland. Nach seinem Abschluss an der ReDI School absolviert er eine Umschulung zum Fachinformatiker.

„In meinem eigentlichen Beruf als Englischlehrer konnte ich in Deutschland nicht arbeiten. Also absolvierte ich unter anderem ein Restaurant-Praktikum und überlegte, ob ich nicht an einem weiteren Volunteering-Projekt teilnehmen sollte. Von den Programmierkursen an der ReDI School habe ich von einem Freund erfahren. Anfangs war der Unterricht herausfordernd, aber dann habe ich gemerkt: Das ist das, was ich tun möchte. Alles wird heute digital. Deshalb denke ich, dass Softwareentwickler ein Beruf mit Zukunft ist.

Die eine Hälfte meiner Mitstudierenden an der ReDI School waren syrische Geflüchtete, die andere Hälfte kam aus dem Iran, der Türkei, Russland und Italien. Natürlich könnten wir auch im Internet eine Menge Tutorials anschauen. Aber wenn es darum geht, nachzufragen und Hilfe zu bekommen, ist die ReDI School unschlagbar. Die Lehrer vermitteln uns nicht nur Coding-Kenntnisse, sondern geben uns auch praktische Tipps. Hadeer hat uns zum Beispiel gezeigt, wie Vorstellungsgespräche ablaufen.

Meine IT-Ausbildung setze ich fort und absolviere eine Umschulung zum Fachinformatiker. Wo oder was ich in drei Jahren sein werde? Ich hoffe, dann als Java oder C#-Programmierer bei einem der großen IT-Unternehmen zu arbeiten."

 
 
 
Rita Butman

Rita Butman

Die Telekommunikationsingenieurin kam vor zweieinhalb Jahren als Schülerin an die ReDI School und leitet heute selbst Kurse für Frauen und Kinder.

„An der ReDI School gebe ich Kurse für das Kinder- und Frauenprogramm. Die Teilnehmerinnen kommen aus Syrien, Afghanistan, dem Iran und Afrika und damit aus traditionell männerdominierten Gesellschaften. Deshalb ist es so wertvoll, ihnen eine sichere und gleichberechtigte Lernumgebung zu bieten, in der sie Eigeninitiative und Selbstbewusstsein entwickeln können. Ich bin enorm stolz auf die Frauen, die hier ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. In der Cyber-Security-Klasse zum Beispiel haben viele mittlerweile ihr eigenes kleines Unternehmen gegründet.

Ich selbst habe auch an den Kursen der ReDI School teilgenommen. Meine Klasse wurde unter anderem von Cisco unterstützt, und genau dieses Unternehmen bot mir einen Praktikumsplatz an. Daraus wurde ein Jobangebot als Customer Support Engineer, sodass ich jetzt in Vollzeit dort arbeite.

Wie man es schafft, in einem fremden Land neu zu starten? Ich glaube, man muss sich von Plänen verabschieden, Ideen entwickeln und sich auf Neues einlassen. Es geht auch darum, sich Fähigkeiten anzueignen und der Situation anzupassen. Eine Wahl zu haben, in der Position zu sein, sich zu verändern und dafür die extra Meile zu gehen, kann sehr motivieren. Die Erfahrung hat mir gezeigt: Ich kann jederzeit bei Null anfangen. Das gibt mir Kraft und Selbstvertrauen."
 

 
 
Flaco Zacarias

Flaco Zacarias

Der Webdesigner und UX-Experte aus Argentinien gehört zu den erfahrensten Lehrkräften der ReDI School.

„Mein Schwerpunkt sind die Programmiersprachen HTML und CSS. Die meisten Teilnehmer, die meine Einführungskurse besuchen, haben keinerlei Vorkenntnisse im Coding. Sie kommen an der ReDI School an und entdecken, wie Programmieren funktioniert und aus welchen Elementen sich Webseiten zusammensetzen, um hoffentlich eine Karriere in diesem Bereich zu starten.

Das Ziel unserer Schule ist, die Studierenden auch bei der Jobsuche zu unterstützen. Und das tun wir, indem wir ihnen Business-Kontakte vermitteln,
Unternehmen in die Schule einladen und gemeinsame Workshops anbieten. Es dreht sich also viel um Networking. Üblicherweise brauchen Geflüchtete nach ihrer Ankunft in Deutschland sieben Jahre, um einen Arbeitsplatz zu finden. Viele ReDI-Absolventen schaffen das in weniger als einem Jahr. Und das ist großartig.

Ich komme jeden Tag her und spüre die Energie und das Gemeinschaftsgefühl. Das gibt mir viel zurück. Obwohl der Unterricht erst gegen 21 Uhr endet, sitzen wir danach häufig noch für Gespräche beisammen. Schüler und Lehrer bleiben
oft auch nach Abschluss der halbjährigen Kurse in Kontakt."

 

Warum Resonance?

Das Digitale ist Teil unseres alltäglichen Lebens. Es macht einiges einfacher und fordert uns heraus, Dinge zu hinterfragen. Neu zu denken. Zu gestalten. Dem Gegenüber zuzuhören und im Gespräch zu bleiben. Mehr denn je geht es um Dialog – und um Resonanz.