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Digitalisierung der Finanzfunktion in der Automobilindustrie

Die neue Deloitte Studie analysiert die aktuelle Lage und identifiziert Handlungsfelder 

Von Optimierungen im ERP-Bereich bis zu innovativen digitalen Tools wie Analytics, Cloud oder RPA: Datengetriebene Ansätze eröffnen der Finanzfunktion ein ganzes Spektrum von Effizienzvorteilen. Viele davon kommen heute schon zum Einsatz – etliche aber auch noch nicht, wie die neue Deloitte Studie aufzeigt. Besonders auffällig ist eine Diskrepanz zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung: In vielen Punkten sehen sich die Führungskräfte aus den Automotive-Unternehmen weit vorn in der digitalen Transformation ihrer Finanzfunktion. Externe Experten dagegen bescheinigen ihnen allenfalls einen durchschnittlichen Digitalisierungsstand.

Die Automobilbranche steht aus verschiedenen Richtungen unter Digitalisierungsdruck – operativ ebenso wie im Hinblick auf Strategie und Geschäftsmodelle. Wie in anderen Branchen kommt bei der anstehenden Transformation der Finanzfunktion im Unternehmen eine Vorreiterrolle zu, da sie als Business Partner digitale Lösungen quer durch die Bereiche anstoßen  kann. Doch wie sieht es mit der Digitalisierung der Funktion selbst aus? Die neue Deloitte-Studie liefert ein Resümee der bisherigen Entwicklungen und einen Ausblick auf die zukünftige Agenda. Um die Aussagen der Branchenvertreter besser einordnen zu können, wurden im Rahmen der Studie auch erfahrene externe Industrie-Experten zu ihrer Einschätzung befragt. Und dabei zeigt sich, dass teilweise immer noch Nachholbedarf in der Branche herrscht. 

Während die Mehrheit der Teilnehmer aus der Industrie ihrer Finanzfunktion einen (eher) überdurchschnittlichen Digitalisierungsfortschritt attestiert (insgesamt 53,4 Prozent), fällt die Einschätzung der externen Experten deutlich nüchterner aus (siehe Grafik). Je nach Themenfeld sind außerdem signifikante Unterschiede zwischen OEMs und Zulieferern zu verzeichnen. 

Wie fortgeschritten würden Sie Ihre Finanzfunktion im Vergleich zu anderen Organisationen einschätzen?

IT-Strategie und Datenharmonisierung

Grundlage für eine erfolgreiche Digitalisierung ist eine übergreifende IT-Strategie. Laut der Studie sind 80 Prozent der OEMs und 50 Prozent der Zulieferer der Auffassung, dass sie über eine solche gesamtheitliche Strategie verfügen. Die befragten Experten kommen hier jedoch zu einer anderen Einschätzung und stimmen dem nur zu 17 Prozent zu. Dieses zentrale Ergebnis sollte den Branchenvertretern zu denken geben. Denn ohne gesamtheitliche IT-Strategie kann es zu ineffizienter Ressourcennutzung kommen. Überflüssige Parallelentwicklungen oder schlecht abgestimmte Datenflüsse sind mögliche negative Folgen. Entsprechend müssen die Unternehmen einen hohen Aufwand betreiben, um die nötige Datenharmonisierung voranzutreiben, etwa bezüglich der Integration fragmentierter Systemlandschaften. Um hier voranzukommen, empfehlen sich Lösungsansätze wie Data Lakes, standardisierte End-to-end-Prozesse und Schnittstellenoptimierung. 

Effizienzpotentiale im Umfeld des ERP Systems

Mehr Effizienz durch ERP-Optimierung & neue Technologien

Alle OEMs und 80 Prozent der Zulieferer sagen aus, die Effizienz der Finanzfunktion insgesamt durch Digitalisierung stark verbessert zu haben. Was die Effizienzpotenziale der diversen Einzelaspekte angeht, kommen interne und externe Teilnehmer dabei zur gleichen Einschätzung. Der wichtigste Hebel ist hier das ERP als Digital Core der Finanzfunktion. Als entscheidend wird dabei generell die Nutzung eines modernen ERP-Systems wie SAP S4/HANA  angesehen (Effizienzpotenzial laut Mehrheit der Teilnehmer: sechs bis neun Prozent). Hoch sind insbesondere die Vorteile durch Konsolidierung von Systemen und Applikationen im Rahmen der ERP-Optimierung, noch höher sogar die möglichen Benefits durch Prozessstandardisierung im Zuge der Systemeinführung (siehe Grafik). 

Bei begleitenden digitalen Automatisierungstechnologien sieht es allerdings etwas anders aus. Die Mehrheit der Befragten beziffert die erzielbaren Effekte hier fast durchgängig niedriger, mit drei bis sechs Prozent (Microservices, Analytics / Künstliche Intelligenz, sprachbasierte KI: Natural Language Processing & Generation). Etwas höher wird in diesem Zusammenhang nur das Effizienzpotenzial von Robotic Process Automation (RPA) eingeschätzt.

Finanzprozesse und Management Reporting

Für die Erbringung klassischer Kernleistungen der Finanzfunktion ist die Digitalisierung ein sehr starker Effizienztreiber – etwa bei Monats-, Quartals- und Jahresabschluss. 70 Prozent sehen eine dadurch ermöglichte Steigerung der Effizienz, etwa durch schnellere Prozesse, optimierte Integration und höhere Qualität. Zulieferer erzielen hierbei gegenüber OEMs geringfügig bessere Ergebnisse, was beim Jahresabschluss am ausgeprägtesten ist. Dies liegt aber weniger an einem unterschiedlichen Digitalisierungsansatz in den beiden Segmenten der Branche, sondern eher an Faktoren wie Regulierung, Unternehmensform und -größe. Im Bereich Top Management Reporting muss jedoch konstatiert werden, dass eine zentrale Losung der Digital-Ära immer noch nicht umgesetzt werden konnte: die Überwindung von statischen Werkzeugen mit hohem manuellem Aufwand (Excel, PowerPoint usw.) durch den vermehrten Einsatz moderner Reporting-Lösungen. Mehr als die Hälfte der Befragten sagen, dieses Ziel sei in ihrem Unternehmen eher schlecht erreicht worden. Während bei diesem Thema die Zulieferer deutlich weiter sind als die OEMs, nutzen letztere häufiger Self-Service-Funktionen bei der Datenbeschaffung für das Reporting. 

Finanzfunktion im Wandel: Rolle, Skills, Geschäftsmodelle

Dass die Funktion sich in einem tiefgreifenden Umbruch befindet, wird von fast allen Teilnehmern so gesehen. Im Zentrum steht hierbei der Wandel zu einem Business Partner, der andere Unternehmensbereiche durch Analysen unterstützt, die Strategieentwicklung maßgeblich mitgestaltet und ihre Umsetzung im Abgleich mit den Finanzzielen kontrolliert. Allerdings klafft bei diesem Thema wieder eine erhebliche Lücke zwischen der Selbst- und Fremdwahrnehmung. Befragte aus den Unternehmen sehen die Rolle als Business Partner schon stark etabliert, externe Experten sind skeptischer und billigen den Automotive-Finanzfunktionen nur eine durchschnittliche Umsetzung zu. 

Einig sind sich alle Beteiligten dagegen beim Thema Mitarbeiter und Skills: Angesichts des digitalen Paradigmas ist es offensichtlich, dass in der Finanzunktion vermehrt „Purple People“ mit digitalen Fähigkeiten benötigt werden – weg vom „Zahlenaufbereiter“, hin zum „Zahlenversteher und -erklärer“. Da solche Talente aktuell quer durch die Bereiche sehr gefragt sind, sollte sich die Finanzfunktion entsprechend als attraktive Arbeitsumgebung positionieren. Außerdem erkundet die Studie den Einfluss neuer Geschäftsmodelle auf den digitalen Innovationsdruck. Die Einführung von digitalen Geschäftsmodellen und Mobilitätsdiensten sowie der damit verbundene Schwenk von B2B zu B2C stellt ganz andere Anforderungen an die Funktion (Mass-Billing usw.) als bislang, wobei dies OEMs stärker betrifft als Zulieferer.

Methodik und Fazit

Für die Studie wurden im Zeitraum vom Dezember 2020 bis Dezember 2021 Führungskräfte aus der deutschen Automobilindustrie (CFOs, Leiter Controlling / Accounting usw.) sowie externe Experten befragt. Zusammenfassend kann festgehalten werden: Im bisherigen Verlauf der Digitalisierung der Finanzfunktion haben sich insbesondere die Felder Datenharmonisierung, ERP-System und RPA als Effizienzhebel bewährt. In der nächsten Phase stehen nun verstärkte Bemühungen in den Bereichen neue Technologien und Talente an sowie beim Ausbau der Rolle der Finanzfunktion als Business Partner im Unternehmen. Für weitere Umsetzungshinweise, Handlungsfelder und die ausführliche Analyse der Ergebnisse laden Sie hier die vollständige Studie „Digitalisierung der Finanzfunktion in der Automobilindustrie“ herunter.

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