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Die Lieferketten der Zukunft

Interview zu den Vorteilen einer Connected Supply Chain

Im Gespräch erklärt Florian Ploner, Partner und Sector Lead Industrial Products & Construction in Consulting bei Deloitte, die Gründe für die steigenden Anforderungen an das Supply Chain Management und wie Unternehmen mithilfe von digitalen Einkaufsplattformen auf diese Herausforderungen reagieren können.

Herr Ploner, in der Corona-Krise hat sich gezeigt, dass die heutigen Lieferketten hoch verwundbar sind. Viele sagen jetzt in den Medien, dass Unternehmen künftig wieder mehr auf Lagerhaltung setzen müssen. Andere sagen, dass die Lieferketten wieder regional werden müssen. Was steckt dahinter? 

Florian Ploner: Corona hat gezeigt, dass die Lieferfähigkeit eine komplexe Sache ist. Wenn die Supply Chain einmal aus dem Takt ist, braucht es Monate bis sie sich wieder einschwingt. Für die Unternehmen heißt das: die Lieferrisiken wollen künftig besser und enger gemanagt werden. Und ja, das kann im Einzelfall mit mehr Lagerhaltung, dem Aufbau alternativer Lieferanten und Lieferwege, oder auch mit stärker regionalem Einkauf gelöst werden. 

Aber würde man solche Instrumente pauschal umsetzen, käme das viel zu teuer. Künftig brauchen wir eine sehr viel stärkere Trennung nach kritischen und unkritischen Vorprodukten, nach Normalsituationen und Risikosituationen. Das heißt, wir müssen ganz einfach die Risiken der Lieferkette besser managen. 

 

Wird es eine Abkehr von Just-in-Time und Just-in-Sequence geben?

Florian Ploner: Nein. Diese Systeme werden eher noch raffinierter. Werfen Sie nur einen Blick auf den Erfinder des Just-in-Time, Toyota. Als Anfang 2021 klar wurde, dass es eine weltweite Chip-Krise gibt, gab Toyota bekannt, man verfüge noch über einen Vier-Monats-Vorrat an Chips. Das half dem Unternehmen, im ersten Halbjahr einen Rekordgewinn einzufahren. Die Lösung des Problems liegt nicht im Abschaffen von Just-in-Time, sondern im selektiven Absichern gegen konkret erkannte Ausfallrisiken.

Also wird die Corona-Erfahrung im Supply Chain Management nur Details ändern? 

Florian Ploner: Corona war schon ein Weckruf. Aber was da passiert ist war insgesamt keine Überraschung. Experten wissen schon lange, dass sich das Supply Chain Management vor einem grundlegenden Paradigmenwechsel befindet. 

Sehen Sie, wir kommen von einer relativ einfachen Einkaufsmentalität: Es geht um Qualität und Kosten – und bei Just-in-Time kommt noch die Lieferfähigkeit hinzu. Wenn diese zwei bis drei Faktoren passen, wird eingekauft. Und wo dann Probleme entstehen, steuert das Supply Chain Management kurzfristig nach. Das reicht aber heute nicht mehr. Die Supply Chain ist heute so eng mit dem eigenen Produktionssystem und dem gesamten Geschäftsmodell vernetzt, dass man sie nicht mehr separat sehen kann. Sie wird mehr und mehr zu einer Erweiterung des eigenen Unternehmens. 

 

Wie meinen Sie das?

Florian Ploner: Selbst wenn ein Unternehmen einfach nur eine Schraube einkauft, kann es sein, dass Qualität und Preis als Einkaufskriterien nicht mehr ausreichen. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn das Unternehmen seinen Kunden ein Nachhaltigkeits-Versprechen gegeben hat, dass nur eine gewisse Menge CO2 in meinem Produkt steckt. Und vielleicht steht auch in der Unternehmens-Vision des Einkäufers, dass sich das Unternehmen sozialem Handeln verpflichtet fühlt. In diesem Fall müssen beim Einkauf der Schraube auch der CO2-Ausstoß bei der Herstellung und die Einhaltung von Arbeits- und Sozialstandards beim Lieferanten überprüft werden. 

Wenn Sie das übergreifend sehen, kommen Sie von einem Zwei-Faktor-Einkauf – also Qualität und Preis – zu einem multifaktoriellen Einkauf. Hier müssen neben Qualität und Preis auch viele weitere Faktoren berücksichtigt werden – etwa Lieferausfallrisiken, Transportsicherheit, Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards, Service-und Garantie-Anteile des Lieferanten, und so weiter. 

Dazu kommt, dass die Produktionsplanung über die verschiedenen Lieferantenebenen enger verzahnt werden muss, um den sogenannten „Bullwhip Effekt“ zu vermeiden. Dieser entsteht dadurch, dass eine Produktionsänderung zunächst nur dem direkten Lieferanten mitgeteilt wird. Der bestellt dann bei seinen Lieferanten in der zweiten Ebene und der dann beim Vorlieferanten der dritten Ebene. Wenn aber eine ganze Branche Hochkonjunktur hat und mehr bestellt, dann multiplizieren sich verspätet eintreffende Bestellungen in der dritten Ebene. Das Problem ist umso schwerwiegender, je weiter die Konzentration der Branche vorangeschritten ist. Das ist auch das Problem, das der aktuellen Chip-Krise zugrunde liegt: Alle elektronischen Bauteile hängen von einer Handvoll an Vorlieferanten auf der dritten Ebene ab – und wenn diese Ebene ohne lange Vorwarnung plötzlich einen Nachfrageboom bedienen soll und dann, wie 2021 auch noch eine Chip-Fabrik in Flammen aufgeht, dann stehen ganze Branchen vor einem ernsten Problem. 

 

Es geht also auch um Schnelligkeit

Florian Ploner: Auch das. Insgesamt geht es um viele zusätzliche Kriterien im Einkauf, bessere Vorwarnsysteme und Eingriffsmöglichkeiten für das Supply Chain Management sowie ein proaktives, ganzheitlicheres Einbinden aller Beteiligten in der Lieferkette. Das wiederum ist nur möglich, wenn alle Ebenen der Lieferkette elektronisch miteinander vernetzt sind und eine möglichst hohe Transparenz aller Bestellungen, Bestellungsänderungen und Anforderungskataloge bzw. Lastenhefte hergestellt wird. 

Und hier sind wir jetzt bei Einkaufsplattformen, wie der Deloitte Connected Supply Chain. Derartige Plattformen sind unabdingbar, wenn eine so hohe Komplexität gemanagt werden soll. Hier liegt die digitale Zukunft des Supply Chain Managements. 

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Mit der Connected Supply Chain Lösung auf ServiceNow-Basis steht ein maßgeschneidertes Angebot für Automobilhersteller, Zulieferer und verarbeitende Industrie bereit. Deloitte hat dafür als Global Partner von ServiceNow die bewährte Software mit einem präzisen Fokus auf die Aspekte des Lieferketten-Managements für die Automobilindustrie abgewandelt und erweitert. Die Business-Kompetenz und das tiefe Branchenwissen der Deloitte-Experten gewährleisten dabei eine erfolgreiche Umsetzung:

Deloitte ist weltweit für über 80 Prozent aller Fortune Global 500 Unternehmen aus dem Bereich Automotive und Manufacturing tätig.

Auch im Betrieb steht Deloitte den Kunden zur Seite und bietet operative Unterstützung durch Managed Services in den Bereichen Connected Supply Chain, Optimierung der Liefernetzwerke und Supply Chain Control Tower. Hierfür wurde das Deloitte Supply Chain Excellence Center in Leipzig geschaffen, mit Dienstleistungen für die Herstellung von End-to-end-Transparenz durch alle Ebenen der Lieferkette, für das Performance Management und Lieferketten-Monitoring sowie für eine dynamische Routen-Optimierung und kontinuierliches Maßnahmen-Tracking. Das Angebot umfasst taktische Optimierungs-Apps ebenso wie operative Apps mit spezialisierter Automotive-Ausrichtung. Außerdem bietet Deloitte Leistungen für das Supply Chain Management in der Produktion. Die verfügbaren Managed Shopfloor Lösungen stehen in der Deloitte Smart Factory in Düsseldorf zu Vorführung bereit und können dort bei Interesse getestet werden.

Voraussetzung für einen erfolgreichen Einsatz der Deloitte Connected Supply Chain Lösung ist eine klare Rollenaufteilung zwischen Plattformexperten, operativen Teams und Beratung, sowie eine möglichst vollständige Digitalisierung der Prozesse im Hinblick auf eine optimale Transparenz. Sind diese Faktoren gegeben, können Kunden mit signifikanten Verbesserungen in ihrer Supply Chain rechnen.

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