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ERB und MaGo bei EbAV
Die Rundschreiben der BaFin vom 30.12.2020
Die EbAV II-Richtlinie wurde mit Wirkung zum 13.01.2019 in Kraft gesetzt. Diverse Bereiche waren von der Regelung berührt, u. a. die Informationspflichten der EbAV, die Erklärung zur Anlagepolitik, die Ausgliederung von Funktionen, das Risikomanagement und die neu eingeführte eigene Risikobeurteilung.
Die Rundschreiben der BaFin vom 30.12.2020 zu MaGo und ERB bei EbAV - Auszüge
Am 30.12.2020 hat die BaFin zwei Rundschreiben nebst Begleitschreiben zu Mindestanforderungen an die Geschäftsorganisation (MaGo) von EbAV und zur eigenen Risikobeurteilung von EbAV (ERB) veröffentlicht.
Die Rundschreiben legen die entsprechenden Regelungen der umgesetzten EbAV II-Richtlinie für die BaFin verbindlich aus.
Der Fokus der nachfolgenden Ausführungen liegt auf den Themen Proportionalität, versicherungsmathematische Funktion und ERB.
Das Rundschreiben zur MaGo behandelt u.a. folgende Themenkomplexe:
- Proportionalitätsprinzip,
- Gesamtverantwortung der Geschäftsleitung,
- Wesentliche Risiken,
- Risikokultur,
- Allgemeine Anforderungen an die Geschäftsorganisation,
- Schlüsselfunktionen,
- Risikomanagementsystem,
- Internes Kontrollsystem,
- Ausgliederung,
- Notfallmanagement.
Zur Proportionalität sei festgehalten, dass das Profil der EbAV neben Art, Umfang und Komplexität der Tätigkeiten auch stets die Größenordnung der Tätigkeiten umfasst. Letztere macht sich u. a. an der Bilanzsumme fest. Diese ist natürlich nicht einziges Kriterium, allerdings kann davon ausgegangen werden, dass bei geringer Ausprägung, dieses Kriterium regelmäßig eine besondere Bedeutung hat.
Zwei weitere Kriterien sind für die Regelungen zu Vergütungssystemen und zum Risikomanagement zwingend relevant: die Größe und die interne Organisation der EbAV. Bei der Größe ist insbesondere auf den tatsächlichen Mitarbeiterbedarf abzustellen. Damit haben mitarbeiterlose EbAV nicht die Größe „0“, sondern eine Größe, die sich an der Anzahl der im Rahmen der Ausgliederung tätigen Kräfte orientiert.
Die interne Organisation bezieht sich auf die Dimension der internen Aufbau- und Ablauforganisation, u.a. auf die Hierarchie, die Strukturierung der Prozesse und Prozessabläufe.
Zu den Schlüsselfunktionen seien die nachfolgenden ausgewählten Aspekte betrachtet. Die BaFin weist darauf hin, dass die für die Schlüsselfunktion verantwortliche Person – es kann nur eine intern verantwortliche Person geben – für die Ausübung dieser Funktion ausschließlich den Weisungen der Geschäftsleitung unterliegt. Dies gilt unabhängig von der Einordnung der verantwortlichen Person für die Schlüsselfunktion in die Organisation des Unternehmens.
Im Einzelfall können auch Geschäftsleiter die Aufgabe der Schlüsselfunktion übernehmen. Allerdings muss dies dem Profil der EbAV angemessen sein; insbesondere muss eine angemessene Trennung von Zuständigkeiten gewährleistet sein. Der Geschäftsleiter muss ausreichende zeitliche Kapazitäten haben.
Aufgaben der versicherungsmathematischen Funktion (VmF), einer der Schlüsselfunktionen einer EbAV, in Bezug auf die Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellungen sind,
- die Berechnung zu koordinieren und zu überwachen
- die Angemessenheit der für die Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellungen verwendeten Methoden und Basismodelle sowie der zu diesem Zweck zugrunde gelegten Annahmen zu beurteilen,
- die Hinlänglichkeit und die Qualität der zugrunde gelegten Daten zu bewerten,
- die bei der Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellungen zugrunde gelegten Annahmen mit den Erfahrungswerten zu vergleichen,
- den Vorstand über die Verlässlichkeit und Angemessenheit der Berechnung zu unterrichten.
Darüber hinaus gibt die VmF eine Stellungnahme zur allgemeinen Zeichnungs- und Annahmepolitik und zur Angemessenheit der Rückversicherungsvereinbarungen ab. Sie trägt zur wirksamen Umsetzung des Risikomanagementsystems bei.
Außerdem trägt die VmF zur ERB nach § 234d VAG bei. Die eigene Risikobeurteilung wird im zweiten Rundschreiben der BaFin vom 30.12.2020 behandelt. Darauf gehen wir weiter unten ein.
Mit Blick auf die zweistufigen Meldepflichten der VmF gemäß § 234b Abs. 4 VAG, zunächst an die Geschäftsleitung und gegebenenfalls in einem zweiten Schritt an die Aufsichtsbehörde, weist die BaFin daraufhin, dass eine Meldung an die Geschäftsleitung mit einer Empfehlung von Maßnahmen zu koppeln ist. Sollte diese Kopplung, z.B. aus Komplexitätsgründen, nicht möglich sein, so sind die Empfehlungen von Maßnahmen unverzüglich nachzuholen.
Die für die VmF verantwortliche Person und die Person, die die Funktion des Verantwortlichen Aktuars (VA) ausübt, können identisch sein. Die Aufgaben des verantwortlichen Aktuars im Hinblick auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften für handelsrechtliche Rückstellungen und die angemessene geeignete Prämienkalkulation beeinträchtigen aus Sicht der BaFin die Rolle der VmF in der Regel nicht so stark, dass eine organisatorische Trennung erforderlich erscheint. Es besteht überwiegend Übereinstimmung zwischen den Aufgaben des VA und der VmF der EbAV. Beide Tätigkeiten beziehen sich auf die versicherungs- bzw. pensionsfondstechnischen Rückstellungen nach dem HGB.
Die VmF ist nicht erforderlich, wenn die EbAV keine biometrischen Risiken selbst abdeckt und weder Anlageergebnisse noch eine bestimmte Höhe der Leistungen garantiert. Damit bedarf es insbesondere bei EbAV, die ausschließlich die reine Beitragszusage im Rahmen von Sozialpartnermodellen anbieten, keiner VmF.
Zum Risikomanagementsystem sei hier bezüglich der Risikosteuerung lediglich festgehalten, dass die aufsichtsrechtlichen Kapitalausstattungsanforderungen eine Untergrenze für die Risikotragfähigkeit im Sinne einer Mindestanforderung darstellen. Weitere Mittel sind beispielsweise zur Abdeckung strategischer Ziele erforderlich.
Die Regelungen zur Ausgliederung sind sehr umfangreich. Sie nehmen gut ein Viertel des Rundschreibens ein. Ein Abgleich der bestehenden Ausgliederungsverträge mit den Anforderungen des BaFin Rundschreibens erscheint ratsam.
Zu weiteren Details verweisen wir auf das BaFin Rundschreiben 08/2020 und das zugehörige Begleitschreiben.
Das Rundschreiben zu der ERB definiert die Anforderungen des
§ 234d VAG. Es ist entlang der Vorschriften des vorgenannten Paragrafens strukturiert.
Es gibt Hinweise zum ERB-Bericht, seinen Inhalten, den Vorlagepflichten und dem Verhältnis zu der sonstigen Berichterstattung, insbesondere zur Berichterstattung nach § 26 Abs. 1 Satz 1 und 2 VAG.
Die eigene Risikobeurteilung ist mindestens alle drei Jahre für das gesamte Risikoprofil durchzuführen. Ad-hoc Beurteilungen sind auf Anordnung der Aufsichtsbehörde oder bei wesentlichen Änderung des Risikoprofils der EbAV oder des Risikoprofils eines der Altersversorgungssysteme der EbAV durchzuführen. Die erste ERB hat auf den Zeitraum seit dem eingangs erwähnten 13.01.2019 abzustellen. Eine ERB ist mindestens neun Monate nach dem Beurteilungsstichtag fertigzustellen. Der gewählte Stichtag muss nicht zwingend der Bilanzstichtag sein. Da für die ERB auf Berichte des verantwortlichen Aktuars, der VmF oder der Risikomanagementfunktion zurückgegriffen werden kann, sollte die Wahl des Stichtags sinnvoll erfolgen. Dies bedeutet, dass der Stichtag der eigenen Risikobewertung und die Stichtage der verwendeten anderen Berichte nicht allzu weit auseinanderliegen dürfen, um eine ausreichende Aktualität dieser Berichte für die ERB zu gewährleisten.
Im Rahmen der ERB hat die EbAV nicht nur zu beschreiben, wie die Einbeziehung der ERB in die Leitungs- und Entscheidungsprozesse der EbAV erfolgt. Auch sind konkrete auf der ERB fußende Entscheidungen anzuführen.
Die Beurteilung des gesamten Finanzierungsbedarfs hat quantitativ zu erfolgen. Wesentliche Bereiche sind die Bedeckung der technischen Passiva, die Kapitalausstattung, die Risikotragfähigkeit und die Liquidität. Die Bewertungsmethoden müssen für den jeweiligen Bereich geeignet, dem Profil und Risikoprofil angemessen sein. Gesetzliche Vorgaben sind zu beachten. Zusätzlich können weitere Methoden von der EbAV verwendet werden. Die Beschreibung von gegebenenfalls erforderlichen Maßnahmen zur Deckung des Finanzierungsbedarfs hat sowohl für die erwartete Entwicklung als auch für den Fall sich realisierender Risiken zu erfolgen. Ein rechtzeitiges Initiieren der Maßnahmen ist sicherzustellen.
Separat von der Beurteilung des gesamten Finanzierungsbedarfs hat die Beurteilung der Risiken zu erfolgen, die für die Versorgungsanwärter und Versorgungsempfänger in Bezug auf die Auszahlung ihrer Altersversorgungsleistungen bestehen. Dabei sind nicht nur Risiken im Hinblick auf nicht garantierte Leistungen zu betrachten, sondern auch solche, im Hinblick auf garantierte Leistungen. Das VAG fordert, bei einer derartigen Beurteilung auch die Wirksamkeit von Maßnahmen zur Begegnung des hier betrachteten Risikos zu beurteilen. Dazu seien gegebenenfalls Indexierungsmechanismen sowie Mechanismen zur Minderung der Anwartschaften und Ansprüche auf Versorgungsleistungen einzubeziehen. Indexierungsmechanismen definiert die BaFin als „Regelungen, die dazu führen, dass die Versorgungsanwärter oder Versorgungsempfänger davon ausgehen oder davon ausgehen können, dass ihre Leistungen künftig in Abhängigkeit von bestimmten Faktoren erhöht werden“. Mechanismen zur Minderung zählt die BaFin nicht abschließend auf. Dazu gehören u. a. Sanierungsklauseln in Satzungen von Pensionskassen Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit und Änderungsmöglichkeiten bei der reinen Beitragszusage.
Ferner ist im Rahmen der ERB eine qualitative Beurteilung von Mechanismen vorzunehmen, die dem Schutz der Anwartschaften und Ansprüche der Begünstigten dienen. Einzubeziehen sind zugunsten der EbAV oder der Begünstigten bestehende Verpflichtungen, Garantien oder andere finanzielle Unterstützungen der Trägerunternehmen, Rückversicherungsvereinbarungen oder die Abdeckung durch ein Altersversorgungssystem. Umfasst sind also insbesondere die Subsidiärhaftung der Arbeitgeber, der Schutz durch den Pensionssicherungsverein aG oder den Sicherungsfonds. Hinzu kommt die freiwillige Bereitschaft von Trägerunternehmen, Aktionären oder Dritten, Mittel zur Verfügung zu stellen. Die Wirkungsweisen der Mechanismen sind zu beschreiben. Die rechtlichen Grundlagen jenseits gesetzlicher Vorschriften sind im ERB-Bericht anzugeben (z.B. solche in der Satzung einer EbAV). Auch wenn keine bindende Verpflichtung zur Unterstützung durch Trägerunternehmen, Aktionäre oder Dritte vorliegt, fordert die BaFin unter gewissen Voraussetzungen dennoch, dass die EbAV die Möglichkeit einer Unterstützung durch die vorgenannten Unterstützer beurteilt. Darüber hinaus hat die EbAV, so gewisse Voraussetzungen erfüllt sind, eine Einschätzung der ökonomischen Potenz der Unterstützer abzugeben.
Die BaFin verweist in diesem Zusammengang darauf, dass die EbAV, so es freiwillige Unterstützer gibt und diese einwilligen, bei Realisierung höherer Risiken zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen, diese höheren Risiken eingehen darf.
Auch hier verweisen wir zu weiteren Details auf das entsprechende Rundschreiben 09/2020 der BaFin.
Inkrafttreten der Rundschreiben
Das Rundschreiben zur ERB ist mit seiner Veröffentlichung schon in Kraft getreten. Für EbAV mit einer Bilanzsumme von mehr als einer Milliarde Euro zum 31.12.2019 oder Pensionskassen mit zusätzlichen Berichtspflichten bzw. unter intensivierter Aufsicht ist die erste ERB zum Stichtag 31.12.2020 durchzuführen. Die Vorlage bei der BaFin hat zum 14.10.2021 zu erfolgen. Für die anderen EbAV verschieben sich die o. g. Daten um ein Jahr; für EbAV mit einem vom Kalenderjahr abweichenden Geschäftsjahr gilt, dass sie bei Wahl des Bilanzstichtags als Stichtag für die erste ERB, den Bilanzstichtag in 2021 wählen können.
Das Rundschreiben zu MaGo tritt hingegen erst zum 01.06.2021 in Kraft. Den EbAV soll, sozusagen als Übergangsregelung, die Möglichkeit gegeben werden, insbesondere die Anforderungen an eine Ausgliederung zu prüfen und mit ihren Dienstleistern erforderlichenfalls bis zum Inkrafttreten des Schreibens entsprechenden Anpassungen an den Ausgliederungsverträgen vorzunehmen.
Eine kompakte Darstellung ausgewählter Aspekte beider BaFin-Rundschreiben vom 30.12.2020 – mit dem Schwerpunkt ERB – finden Sie in anliegender Präsentation.