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Kostenkürzungen in der Krise – macht das wirklich Sinn?

Fünf Fragen an Andreas Emmert, Director bei Deloitte im Bereich Valuation & Modelling

Das Wachstum der Gesamtwirtschaft beginnt, sich vor dem Hintergrund hoher Unsicherheiten zu verlangsamen, und nicht wenige Unternehmen fahren bereits ihre Aktivitäten zurück und begrenzen (augenscheinlich) das Risiko ihrer Aktivitäten. In solchen Zeiten wird häufiger denn je über das eigene Aktivitäten-Portfolio reflektiert, es werden Kosteneinsparungen angegangen, Restrukturierungen und Reorganisationen als Mittel zur Neupositionierung in einem schwächelnden Umfeld genutzt. Aber ist das wirklich sinnvoll? Im Interview erklärt Andreas Emmert, welche Maßnahmen Unternehmen ergreifen sollten, um sich optimal vorzubereiten.

Warum sollten Unternehmen in konjunkturell schwachen Zeiten den Blick von der Optimierung operativer Strukturen abwenden und diese nicht ausschließlich in den Fokus stellen?

Andreas Emmert: Gemeint ist nicht die vollständige Abkehr von der Beleuchtung und Optimierung der Kostenstrukturen im Unternehmen oder der Prüfung von Investitionsvorhaben. Vielmehr geht es darum, auch die Folgewirkungen solcher Maßnahmen auf die künftigen Cashflows und die Wechselwirkungen im Unternehmen zu berücksichtigen. So können einzelne Vorhaben zwar kurzfristig betrachtet die Rendite und Unternehmensperformance stabilisieren, mit mittel- bis langfristigem Blick könnte dies aber dazu führen, dass sich das Risikoprofil des eigenen Unternehmens zum Negativen verändert. Im schlechtesten Fall führen solche Wechselwirkungen sogar zu einer Reduktion des Unternehmenswerts und sind nachteilig für die Anteilseigner.

 

Inwieweit spielt der eigene zeitliche Anlage- und Investitionshorizont bei solchen Entscheidungen eine Rolle?

Andreas Emmert: In der Tat werden kurzfristig orientierte Eigner bereitwilliger die Optimierung in operativen Themenfeldern suchen. Gleichzeitig werden sie sich damit auseinandersetzen müssen, welches Risiko im Vordergrund steht, das des Kapitalverlusts oder das der Schwankung der erwarteten Rückflüsse aus dem Unternehmen. Abhängig hiervon sind konkrete Maßnahmen zu treffen, um zum Beispiel die einseitige Gefahr eines Kapitalverlusts zu begrenzen. Im Gegensatz hierzu werden sich langfristig ausgerichtete Eigner viel stärker auf die Wechselwirkungen mit dem vorhandenen oder künftigen Aktivitäten- und Investitionsportfolio fokussieren. Für alle Entscheider ist in diesem Umfeld aber der Blick auf das Risikoprofil und die damit einhergehende Auswirkung auf den Unternehmenswert unerlässlich. Letztlich geht es hier um Entscheidungen aus Sicht des Unternehmers und der Unternehmensleitung, wie sie das Risiko subjektiv einschätzen.

Was ist Ihrer Ansicht nach der Lösungsansatz, um sich unabhängiger von äußeren, ggf. allzu kurzfristigen Einflüssen zu entscheiden?

Andreas Emmert: Der Königsweg liegt in der Schaffung von Transparenz über Risiken und ihre Wechselwirkungen im Unternehmen. In Zeiten konvergierender Geschäftsmodelle, wo die Sicherung von Liquidität und die Optimierung von Kostenstrukturen längst nicht mehr hinreichend sind, wird die Zusammenführung von Geschäftsmodellen und -bereichen innerhalb der Organisation immer bedeutender. Dabei ist es immanent, dass sich Risiken nicht einfach aufaddieren, sondern im Sinne des Diversifikationseffekts teilweise auch aufheben können. Diesen Aspekt zu beleuchten und mittels Simulation der Risiken aus unterschiedlichen Blickwinkeln auch in der Planungsvorschau transparent zu machen, ist unerlässlich, um auch in aufkommenden Krisenzeiten und Zeiten erhöhter Unsicherheit fundierte und verlässliche Entscheidungen zu treffen.

 

Wie können Unternehmen Risiken Ihrer Meinung nach am sinnvollsten bewerten?

Andreas Emmert: Die Quantifizierung kann beispielsweise über eine strategische Planung der eigenen Geschäftsaktivitäten und -bereiche erfolgen. Entscheidend hierbei sind die Flexibilität und die Orientierung an Erfolgs- und Risikotreibern in den jeweiligen Geschäftsfeldern. Durch heutzutage breit verfügbare Simulationstechniken können treiberbasierte und auf der Grundlage von Risikoeinschätzungen fundierte Erwartungen generiert werden. Dies bildet die Basis für weitergehende Analysen und Erkenntnisse. Hierzu gehört auch die Übertragung Letzterer auf den Unternehmenswert, der als führende Steuerungskennzahl alle erwarteten Chancen und Risiken aggregiert. Mittels der Bestimmung von Risikowerten, direkt äquivalenten Renditeforderungen und damit auch konsistenten Unternehmenswerten wird die Wertigkeit der eigenen Entscheidung eindeutig messbar.

 

Sie beraten auch Unternehmen im süddeutschen Raum. Wie hat sich denn das „Unternehmensportfolio“ dieser Bundesländer in den letzten Jahren entwickelt?

Andreas Emmert: Wenn man sich, ausgehend von verfügbaren öffentlichen Informationen, einmal die Unternehmen mit einem Umsatz größer als 50 Millionen Euro in den letzten Jahren betrachtet, so zeigt sich gemessen an der Ertragskraft (EBITDA) keine nennenswerte Verschiebung der Spieler im süddeutschen Raum. Neben der weiterhin stark vertretenen Automobilbranche und zugehörigen Dienstleistungsunternehmen spielen nach wie vor die klassischen Industriemaschinenhersteller eine tragende Rolle. Die starke Fokussierung auf die produzierende Industrie kann für die derzeit finanzstarken südlichen Bundesländer perspektivisch natürlich zu einem materiellen Risiko werden, sollten sich die Bedingungen hier durch Handelskonflikte und kontinentaleuropäische politische Entwicklungen weiter verschärfen, Unternehmensgewinne reduzieren und hierdurch steuerliche Einnahmen sinken. Aus dieser Makroperspektive gilt dann auch, dass die Bundesländer im Speziellen, nicht zuletzt aber auch der Wirtschaftsstandort Deutschland als Ganzes regelmäßig das eigene Portfolio überprüfen und die richtigen Impulse für wirtschaftliche Schwerpunkte sowie strategische Investitionen setzen müssen, um langfristig erfolgreich zu bleiben.

Was aber bereits aus Ländersicht gilt, ist vor allem für Unternehmen, die sich nicht auf die Ertragskraft der Steuerzahler im Allgemeinen und den länderübergreifenden Finanzausgleich im Speziellen stützen können, von größter Bedeutung. Wer sich hier in nicht regelmäßig selbst auf den Prüfstand stellt, kann schnell in ungewollte Risiken laufen. Meiner Ansicht nach ist daher eine stete wertorientierte und strategische Neuausrichtung vor allem in anstehenden Krisenzeiten unabdingbar – reine Kostenkürzungen greifen hier allerdings zu kurz.