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Case Study: Restrukturierungskonzept Arminia Bielefeld 

WirtschaftsWoche und BDU zeichnen Deloitte mit dem Best of Consulting Preis in der Kategorie Finance/Restrukturierung aus

Deloitte hat über Jahre mehrere Profifußballclubs erfolgreich in Krisensituationen begleitet. Sportlicher und finanzieller Erfolg gehen im Profifußball meist Hand in Hand. Umgekehrt gilt dies jedoch auch für Misserfolge. Deloitte hat in Zusammenarbeit mit dem Profifußballverein DSC Arminia Bielefeld ein Sanierungskonzept zur Rettung des Vereins erarbeitet. Im Rahmen der durchgeführten Restrukturierungsmaßnahmen hat Deloitte den Best of Consulting Preis der WirtschaftsWoche und dem BDU (Bundesverband Deutscher Unternehmensberater) erhalten. Erfahren Sie hier mehr über unseren Case zur Krisenbewältigung im Profifußball und lesen Sie das in dem Rahmen unserer Zusammenarbeit entstandene Interview mit dem Geschäftsführer des Arminia Bielefeld, Markus Rejek.

Die Situation im Profifußball

Professionelle Fußballclubs haben, auch wenn die vorherrschenden Rechtsformen GmbH, AG oder GmbH & Co. KGaA es anders vermuten lassen, wenig mit Handelsoder Produktionsunternehmen gemeinsam. Dies gilt auch für die beteiligten Stakeholder, denn der primäre Fokus des Clubs ist in der Regel nicht die Gewinnoptimierung, sondern der sportliche Erfolg.

In Phasen des sportlichen Erfolges werden oftmals langfristige Entscheidungen und Verträge geschlossen. Vor allem die Entscheidung über ein neues Stadion oder einen Stadionausbau mittels der Finanzierung über Bankenkonsortien und Ausfallbürgschaften kann weitreichende finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen. Solche Entscheidungen sind für das Geschäftsmodell eines Profi-Fußballclubs, dessen zeitlicher Fokus durch den sportlichen Erfolg und damit eher kurzfristig geprägt ist, in der Regel mit wesentlichen Risiken verbunden.

Schwierigkeiten ergeben sich vor allem aus sportlichen Misserfolgen, die häufig in einem Abstieg in eine niedrigere Liga resultieren und dabei mit deutlichen Umsatzrückgängen einhergehen. Hierdurch entstehen oftmals finanzielle Engpässe, welche kurzfristig beispielsweise über Beiträge loyaler Sponsoren, die Verschlankung der operativen Prozesse, die Stundung von Darlehen oder über andere Finanzierungsmaßnahmen geschlossen werden.

Bei wiederholtem Misserfolg kann die Verschuldung eines Fußballclubs jedoch bedrohlich ansteigen und weitreichende Restrukturierungsmaßnahmen erforderlich machen, um den Geschäftsbetrieb aufrechterhalten zu können. 

Die Restrukturierung eines professionellen Fußballclubs in dem oben beschriebenen Kontext bedarf besonderer Erfahrung im Bereich des Krisenmanagements und der Kommunikationsfähigkeit mit den einschlägigen Stakeholdern. Gerade auch die gewählte Rechtsform bedingt es, dass das Management sich oftmals mit insolvenzrelevanten Themen auseinandersetzen muss. Hier unterstützen häufig Beratungsgesellschaften und Rechtsanwälte, die der Geschäftsführung mit Rat und Tat zur Seite stehen.   

Die Sport Business Gruppe von Deloitte hat sich die Situation beim Profiverein DSC Arminia Bielefeld angeschaut und ein erfolgreiches Sanierungskonzept zur Überwindung der Insolvenz entwickelt. 

Best of Consulting 2020 in der Kategorie: Finance/Restrukturierung

Die WirtschaftsWoche und der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) haben den Case "Sanierungskonzept DSC Arminia Bielefeld" in der Kategorie Finance/Restrukturierung mit dem Best of Consulting Preis ausgezeichnet.

Mehr Informationen erhalten Sie hier.

Der Case: DSC Arminia Bielefeld

DSC Arminia Bielefeld, ein deutscher Traditionsclub, stand in den vergangenen Spielzeiten vor einer vergleichbaren Situation. Durch zwei Abstiege in die 3. Liga entstanden grundlegende finanzielle Schwierigkeiten, die – trotz des gelungenen Wiederaufstiegs – durch eine Restrukturierung behoben werden mussten. Mittlerweile hat sich die sportliche und die finanzielle Situation des Clubs sichtbar verbessert. Markus Rejek leitete den Club als Geschäftsführer durch die angespannte Periode und stand für die diesjährige Ausgabe des „Annual Review of Football Finance“ als Interviewpartner bereit.

Experteninterview Markus Rejek (Geschäftsführer DSC Arminia Bielefeld)

Markus Rejek leitet seit Oktober 2017 die Geschäfte von DSC Arminia Bielefeld. Zuvor war er u. a. als Marketingleiter bei Borussia Dortmund tätig, die in seiner Zeit mit dem Marken-Award-Sonderpreis als beste Sportmarke ausgezeichnet wurde. Bevor er zum Geschäftsführer der Arminia ernannt wurde, war er Geschäftsführer des TSV 1860 München.

TSV 1860 München sind Sie im Oktober 2017 in die Geschäftsführung von Arminia Bielefeld gewechselt. Welche Ausgangssituation haben Sie dort vorgefunden?

Rejek: Die ersten Tage bei Arminia kann man in der Tat als eine „harte“ Landung bezeichnen. Der Verein hatte in der Vergangenheit eine hohe Fluktuation im Bereich Finanzen und Controlling. Nach kurzer Zeit des Einarbeitens wurde schnell deutlich, dass beide Tatbestände einer Insolvenz gegeben waren: eine bilanzielle Überschuldung von über 30 Mio. Euro Darlehensverbindlichkeiten und eine Liquiditätslücke von 4,6 Mio. Euro im laufenden Geschäftsjahr mit einer drohenden Zahlungsunfähigkeit ab Ende Dezember.

Das Management der letzten Jahre bestand im Grunde hauptsächlich aus einem Überlebenskampf. Um die Spielzeiten zu finanzieren, wurden Erlöse aus der Zukunft vorgezogen, Darlehen gestundet, weitere Vermarktungsrechte veräußert bzw. Provisionssätze für Dritte deutlich erhöht, wodurch die Erlöse beim Verein wiederum gesunken sind. Aus einem Schneeball wurde eine Lawine, die nicht mehr zu kontrollieren und aufzuhalten war. Gläubiger waren Banken und Unternehmer aus der Region.

Die Interessen dieser beiden Gruppen zu harmonisieren, war die große Herausforderung. Die institutionellen Darlehen waren zum größten Teil abgesichert über Land und Stadt. Durch die beiden Abstiege in die 3. Liga mussten Mitarbeiter entlassen werden, Kosten wurden eingespart. Im Grunde bestand und besteht in vielen Bereichen ein Investitionsstau von ca. zehn Jahren.

In der von Ihnen geschilderten Ausgangssituation: Wie haben Sie sich organisiert, bzw. welche konkreten Ziele hatten Sie sich für die ersten Wochen gesteckt?

Rejek: Es ging mir darum, in kurzer Zeit ein möglichst umfassendes Bild der Gesamtsituation zu erfassen, zu analysieren und dann einen Lösungsansatz zu finden. Zunächst erfolgte dies in Gesprächen mit den Mitarbeitern und Gremienvertretern, den wichtigsten Partnern und Unternehmern um den Verein. Durch diese Gespräche wurde mir unmittelbar klar, dass die Ausgangssituation existenzbedrohend für den gesamten Club war. Als Geschäftsführer lag mein Fokus somit auf der Sicherstellung der Fortführungsfähigkeit der Gesellschaft und der Vermeidung von Insolvenzantragspflichten.

Herr Rejek, was waren Ihrer Meinung nach die wichtigsten Maßnahmen und Entscheidungen, die für die Sicherstellung des Geschäftsbetriebs der Arminia Bielefeld getroffen werden mussten? 

Rejek: Letztendlich kann man die essenziell wichtigsten Maßnahmen, die für die Sanierung der Arminia Gruppe notwendig waren, an einer Hand abzählen: Vermeidung der kurzfristig drohenden Insolvenzantragspflicht, Bündelung der großen privaten Investoren, Reduzierung der Schuldenlast, Verkauf des Stadions und Neuverhandlung des Vertrages mit unserem Vermarktungspartner Lagardère.

Welchen Beitrag konnte Deloitte als Restrukturierungsberater in dieser wichtigen Phase für Sie leisten?

Rejek: In meiner Zeit als Geschäftsführer des TSV 1860 München hatte ich bereits mit Deloitte zusammengearbeitet, insofern war der Kontakt schnell hergestellt. Wir hatten nur acht Wochen Zeit. Das Team von Branchen- und Restrukturierungsexperten nahm sehr kurzfristig die Beratungsleistung hier in Bielefeld auf. So war es möglich, dass innerhalb kurzer Zeit die erste belastbare Businessplanung vorlag und die notwendigen Beiträge aller Stakeholder definiert werden konnten. Dies war eine essenzielle Grundlage für die Verhandlungen mit den Gesellschaftern, Gläubigern und Sponsoren.

Während der Verhandlungen veränderten sich die jeweiligen Ausgangssituationen, sodass der Businessplan regelmäßig angepasst und seitens Deloitte auf die Durchführbarkeit evaluiert werden musste.

"In der abgelaufenen Saison 2018/2019 konnten wir alle unsere Ziele erreichen – sowohl aus sportlicher als auch aus wirtschaftlicher Sicht. In nahezu allen Erlössäulen konnten wir uns deutlich steigern."

Am Ende war die schnelle und kompakte Berichterstattung an die Stakeholder der Schlusspunkt im Entscheidungsprozess der bereits geschilderten Kernmaßnahmen. Dankbar war ich auch für die Verhandlungsunterstützung mit den teilweise unterschiedlichen Stakeholdern sowie für das Aufzeigen individueller Handlungsoptionen. 

Mittlerweile ist einige Zeit seit der „heißen“ Verhandlungsphase ins Land gegangen und die Mannschaft von Arminia Bielefeld konnte die vergangene Saison erfolgreich mit Platz 7 in der 2. Bundesliga beenden. Konnten denn alle die von Ihnen geschilderten Probleme inzwischen behoben worden, bzw. wenn nicht, woran sind Sie gescheitert?

Rejek: In der abgelaufenen Saison 2018/2019 konnten wir alle unsere Ziele erreichen – sowohl aus sportlicher als auch aus wirtschaftlicher Sicht. In nahezu allen Erlössäulen konnten wir uns deutlich steigern. Wir haben den höchsten Zuschauerschnitt für Arminia Bielefeld in der 2. Liga erreicht. Signifikant waren die Mehrerlöse im Bereich TV durch die positive sportliche Entwicklung sowie im Bereich der Transfereinnahmen i.H.v. knapp 3 Mio. Euro. Mit dem Stadionverkauf an eine Bielefelder Gruppe aus sechs Unternehmen und vier einzelnen Unternehmern konnten wir den letzten „externen Schritt“ der Sanierungsmaßnahmen erfolgreich abschließen.

Nach dem Verkauf des Stadions ist es nun enorm wichtig, den angestoßenen Prozess weiter fortzuführen und das aufgebaute Vertrauen der einzelnen Stakeholder weiterhin zu bestätigen. Darüber hinaus können Sie sich vorstellen, dass in zehn Jahren Krise und Überlebenskampf zahlreiche große und kleine Themen liegen geblieben sind. 

Herr Rejek, was würden Sie mit Blick auf das Geschehene im Nachgang anders machen, bzw. welche „Lessons learned“ nehmen Sie mit aus Ihrem Engagement? 

Rejek: Ein wichtiges Learning aus diesem Prozess ist: Eine erfolgreiche Sanierung bedarf einer umfassenden Transparenz und Glaubwürdigkeit, einer absoluten Konsequenz, weil zu viele Kompromisse den Erfolg gefährden und das Scheitern lediglich hinauszögern. Die Gläubiger brauchen das Vertrauen, dass es keinen anderen Weg gibt und bei allen Zugeständnissen das Gleichbehandlungsprinzip gelebt wird. Das konnten wir zum Glück genau so umsetzen.

Aufgrund des zeitlichen Drucks haben wir im Dezember und Januar alle Konzentration auf die Vermeidung der Insolvenz und auf die Sicherstellung der Fortführungsfähigkeit gelegt. Notwendige Maßnahmen wie die Erfüllung der Bedingungen im Rahmen des Lizenzierungsverfahrens hätten wir jedoch bereits in den Gesprächen, die wir mit den Gläubigern einige Wochen zuvor geführt hatten, mit verhandeln müssen. Das hätte uns sicherlich zwei Monate Zeit gespart, die wir für die weiteren Schritte der Sanierung hätten investieren können. 

Was ist Ihr Motto für die Zukunft?


Rejek: Wir sollten immer mehr einnehmen als wir ausgeben. Um unsere Ziele zu erreichen, brauchen wir einen klaren Plan: eine Strategie, die der Identität des Vereins folgt. Aber vor allem: Bei allem wollen wir Mensch bleiben und für unsere Werte einstehen.

 

Das Interview wurde übernommen aus der deutschen Ausgabe des „Annual Review of Football Finance“ 2019.

Inhaltliche Autoren: 

Stefan Sanne
Partner | Restructuring Services
ssanne@deloitte.de

Philip Bloemendaal
Director | Restructuring Services
pbloemendaal@deloitte.de

 

Deutsche Ausgabe des Annual Review of Football Finance 2019

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