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Kostensenkung in den Selling General &  Administrative (SG&A) Bereichen

Wie Unternehmen in Sondersituationen ihre indirekten Kosten schnell und gezielt senken können

Kostensenkungen in den Bereichen Selling-, General- und Administrative (SG&A) sind bedeutende und akut relevante Restrukturierungshebel. Ein Anstieg der Restrukturierungsfälle in Deutschland ist zu erwarten – Kostenreduktionen sind hierfür die aktuell relevantesten Maßnahmen, die wir Ihnen folgend vorstellen.

Nachdem die COVID-19-Pandemie fast überwunden scheint und auch dank staatlicher Hilfe von den meisten Unternehmen gut überstanden wurde, wird die deutsche Wirtschaft erneut vor erhebliche Herausforderungen gestellt.

Insbesondere steigende Materialkosten sowie Lieferkettenprobleme setzen den Betrieben laut einer aktuellen Studie der Turnaround Management Association (TMA) zu. Gepaart mit ebenfalls steigenden- Energie- und Lohnkosten, geopolitischen Risiken, Fachkräftemangel, schwächerer Nachfrage im In- und Ausland (s. Abb. 01) sowie erhöhten Finanzierungskosten ist dies eine explosive Mischung für fast jedes Unternehmen. Entsprechend alarmierend fällt eine Befragung der TMA aus dem Sommer 2022 unter Restrukturierungsexperten aus: 70 Prozent der derzeitigen Problemfälle befinden sich bereits in einer akuten Ergebnis-, 54 Prozent sogar in einer Liquiditätskrise. Die aktuelle Gemengelage mit steigenden Kosten und einer gedämpften Nachfrage kann dazu führen, dass sich Unternehmen schneller als zuvor mit akuten Liquiditätsengpässen konfrontiert sehen. So prognostiziert die TMA, dass künftig mehr Unternehmen nicht nur in eine Ergebniskrise geraten, sondern insbesondere auch existenzbedrohende Liquiditätskrisen sich häufen können. Letztere werden künftig bei bis zu 91 Prozent der Restrukturierungsfälle erwartet.

In solchen Fällen gilt es schnell und entschieden zu handeln. Während Änderungen des Operating Model üblicherweise viel Zeit in Anspruch nehmen, können Senkungen in den Bereichen SG&A häufig schneller beschlossen und auch umgesetzt werden. Somit kann ein erster Beitrag zur Abwendung einer Liquiditätskrise geleistet werden.

Wie Unternehmen in Sondersituationen ihre indirekten Kosten schnell und gezielt senken können

Abb. 01: Welche der folgenden Faktoren stellen für Ihr Unternehmen in den nächsten zwölf Monaten ein hohes Risiko dar?

Auch als Krisenprävention sind Kostensenkungen im SG&A ein guter Ansatzpunkt, um schnell signifikante Effekte zu heben und ein ausgewogeneres sowie resilienteres Verhältnis aus Topline und Kostenbasis zu erzielen. Laut des aktuellen Deloitte CFO Survey haben Finanzvorstände und Geschäftsführer dies bereits erkannt, sie nannten im Herbst 2022 Kostensenkungen als die am höchsten priorisierte Geschäftsstrategie (s. Abb. 02).

Abb. 02: Welche der folgenden Geschäftsstrategien werden für Ihr Unternehmen in den nächsten zwölf Monaten hohe Priorität haben?

Besondere Situationen bedürfen besonderer Methoden

Geschwindigkeit über Perfektion: In Sondersituationen ist, anders als sonst üblich, nicht Perfektion, sondern Geschwindigkeit von größter Bedeutung. Für eine mittelfristige Optimierung steht weder ausreichend Zeit zur Verfügung, noch sind die erforderlichen finanziellen Mittel für benötigte Neustrukturierungen vorhanden. Gesunde Unternehmen initialisieren mittel- bis längerfristige Optimierungsmaßnahmen mitteils umfangreichen Investitionen. In diesen Fällen stehen bspw. Automatisierung, Digitalisierung oder Robotics ganz oben auf der Agenda. In Sondersituationen geht es hingegen anstelle von Fitnessprogrammen in erster Linie darum, die akute Blutung zu stoppen und den Patienten „in der Notaufnahme“ erst einmal zu stabilisieren. Ein Restrukturierungsansatz in der Krise muss vom ersten Tag an Verbesserungsmaßnahmen zur Kostensenkung identifizieren und umsetzen. Hierbei ist eine direkte Verbindung zu GuV, Bilanz und Cashflow-Rechnung sowie dem Businessplan entscheidend.

Entscheidung und Umsetzung über Detailanalyse und Vorsicht: Es ist auch wichtig zu verstehen, dass Geschwindigkeit bedeutet, dass nicht immer alle Details bis zur letzten Konsequenz analysiert und diskutiert oder abgestimmt werden können. Dies bedeutet auch, dass eventuell auftretende Kollateralschäden wie bspw. die Überforderung mancher Einheiten durch eine sehr schlanke Personalaufstellung nicht immer gänzlich zu vermeiden sind. In der Praxis heißt das, dass tendenziell bei den Zielen und Maßnahmen etwas übersteuert werden sollte, um dann in einzelnen Fällen das Rad wieder etwas zurückzudrehen.

Fokussierte Herangehensweise und Bottom-up-Umsetzung

Die Erfahrung aus der Praxis zeigt, dass erfolgreiche Ansätze zur Restrukturierung der SG&A-Bereiche bei Unternehmen in Sondersituationen auf einer fokussierten Herangehensweise zur gezielten Kostensenkung fußen müssen. Dabei können entsprechende Effekte meist schneller durch das Unterlassen erzielt werden als durch deren Verbesserung. Entscheidend ist aber in jedem Fall, dass die dahinterliegenden Maßnahmen nicht nur top-down identifiziert, sondern bottom-up konkretisiert und operationalisiert werden. Die hierfür notwendige Transparenz sollte auf Basis standardisierter Datenabfragen und toolunterstützter Analysen geschaffen werden. 

Das Ziel muss es zunächst sein, auf Basis kurzfristig wirkender Restrukturierungsmaßnahmen den weiteren Wertverlust sofort zu stoppen. Mittelfristig gilt es dann, das Unternehmen auf Basis von Transformations- und Optimierungsmaßnahmen nachhaltig neu aufzustellen.

Fokussierte Herangehensweise

First things first: Es sollten zuerst Maßnahmen wie das Unterbinden nicht-betriebsnotwendiger Ausgaben sowie die Straffung von Budgets durch die Verschärfung von Richtlinien und Regeln im Fokus stehen. Darüber hinaus kommen die Eliminierung redundanter Funktionen und Prozesse sowie die Vereinheitlichung von Organisationsstruktur und Hauptprozessen in Betracht. Die Konsolidierung von Funktionseinheiten beispielsweise in Shared-Services-Centern, Make-or-Buy-Entscheidungen oder die weitere Automatisierung bzw. Digitalisierung von Geschäftsprozessen sind wesentliche Maßnahmen, sollten allerdings zeitlich nachgelagert erfolgen. 

Überlegungen hinsichtlich einer Optimierung der Produkte sowie der Preise und Konditionen oder gar des Verkaufs von Dienstleistungen an Dritte können erst nach einer grundsätzlichen Stabilisierung des Unternehmens angestrengt werden. 

Erst „unterlassen“, dann „verbessern“ 

Strukturiertes Vorgehen: Ein bewährtes Vorgehen zur strukturierten Definition und Initiierung entsprechender Maßnahmen im Rahmen der Kostensenkung in den SG&A-Bereichen kann sich grundsätzlich an zwei Hebeln orientieren: Etwas zu unterlassen oder in einer verbesserten Art und Weise zu tun. „Quick Wins“ lassen sich vorwiegend durch Ersteres realisieren.

Die beiden beschriebenen Hebel zur Reduzierung von Kosten in den SG&A-Bereichen sind anhand von drei Dimensionen anwendbar. Erstens zur strikten Budgetverwaltung durch die Verschärfung von Richtlinien und Regeln. Zweitens zur Eliminierung historisch gewachsener Anomalien und Inkonsistenzen in der Organisationsstruktur sowie zu deren Rationalisierung. Drittens zur Beseitigung nicht-wertschöpfender Prozesse sowie zur Verbesserung der Prozessflüsse und damit zur Effizienzsteigerung.

Die Erfahrung zeigt, dass selbst einfache und schnell umsetzbare Maßnahmen häufig hohes Potenzial bergen. In der Restrukturierung gilt: Speed over perfection.

Dr. Philipp Kinzler, Partner, Head of Operational Turnaround & Restructuring and Value Creation Services

Ansatz zur fokussierten Identifizierung von Optimierungsmaßnahmen

Für Unternehmen in Sondersituationen haben sich in der Praxis für jede der drei Dimensionen wirksame Maßnahmen zur schnellen Kostensenkung bewährt

(1) Richtlinien und Regeln: Die Verschärfung von Richtlinien und Regeln hat einen direkten Einfluss auf die Reduktion des sonstigen betrieblichen Aufwands. Die Erfahrung zeigt, dass viele der hier liegenden Potenziale aufgrund ihrer scheinbaren Offensichtlichkeit nicht erkannt und damit auch nicht gehoben werden. Daher geht es vor allem darum, Transparenz hinsichtlich der Höhe der einzelnen Kostenblöcke zu schaffen und die Einhaltung der verschärften Richtlinien und Regeln sicherzustellen. Unter Berücksichtigung von Umsetzungseffekt und -geschwindigkeit sollte in diesem Zusammenhang der unmittelbare Fokus auf dem Unterlassen von Reisen, einer Abschaffung der Firmenwagen sowie der Kündigung von Lizenzen liegen. Darüber hinaus bilden aber auch die Kündigung nicht zwingend notwendiger Versicherungen, die Anpassung bestehender Service Level Agreements (SLAs) für eingekaufte Dienstleistungen sowie die Nicht-Teilnahme an Messen und Konferenzen entscheidende Hebel. Eine Reduktion des Gebäudeportfolios bzw. der Büromieten hat zwar einen hohen monetären Effekt, die jeweiligen Flächen lassen sich aber in der Praxis häufig nur schwer freisetzen bzw. abmieten. Schwierig umzusetzen sind meist auch Kosteneinsparungen bei den freiwilligen sozialen Leistungen wie bspw. Urlaubs- und Weihnachtsgeld oder betriebliche Altersvorsorge. Diese sind häufig Bestandteil von Betriebsvereinbarungen und damit verpflichtend.

(2) Organisation: Historisch gewachsenen Anomalien und Inkonsistenzen in der Organisationsstruktur sollte durch die funktionale und regionale Konsolidierung von Mitarbeitern sowie die Eliminierung redundanter bzw. paralleler Organisations- und Hierarchielevel begegnet werden. Zudem bilden die Erhöhung der Kontrollspanne und damit die Reduzierung von Managern ohne Team bzw. von Mikroteams eine wirksame Maßnahme.

(3) Hauptprozesse: Weitere Maßnahmen bestehen in der Eliminierung nicht-wertschöpfender bzw. redundanter Prozesse sowie deren Vereinheitlichung. Nicht-wertschöpfend ist beispielsweise die in der Praxis häufig zu beobachtende Erstellung von internen Reports, die zwar mit hohem Aufwand produziert, aber zur Steuerung des Unternehmens kaum verwendet werden. Die darüber hinausgehende Automatisierung und die Digitalisierung von Geschäftsprozessen sollten zeitlich nachgelagert erfolgen. Gleiches gilt auch für Überlegungen hinsichtlich der Konsolidierung von Aktivitäten in Shared-Services-Centern sowie des Outsourcings von Prozessen außerhalb des Kerngeschäfts, welche hierdurch kostengünstiger oder in einer höheren Qualität bereitgestellt werden können. 

Bottom-up-Umsetzung

Datengetriebener Ansatz: Die schnelle Schaffung von Transparenz hinsichtlich der relevanten Kostenarten erfordert zunächst eine klar geordnete und zielgerichtete Datenabfrage. Diese sollte sich nach Möglichkeit „quasi per Knopfdruck“ aus den bestehenden Systemen (wie SAP) der betroffenen Unternehmen speisen lassen. 

Die aus den Systemen gezogenen Daten werden hinsichtlich Auffälligkeiten untersucht. Die entsprechenden Analysen erlauben es dann, in einem ersten Schritt „Quick Wins“ mit schnellen Ergebniseffekten abzuleiten sowie unter Zuhilfenahme geeigneter Benchmarks erste Top-down-Hypothesen hinsichtlich der relevanten Kostenarten und damit des „Wo“ zu formulieren. In einem nächsten Schritt werden diese Top-down-Hypothesen bottom-up validiert und mittels der so zusätzlich erlangten detaillierteren Informationen konkretisiert sowie erweitert. Auf dieser Basis lassen sich anschließend schnell konkrete Maßnahmenlisten im Sinne des „Wie“ und entsprechende Arbeitspläne zu deren Umsetzung definieren.

Tool-basierte Unterstützung: Effiziente Analysetools können unter anderem bei der Quantifizierung und Visualisierung der Ergebniseffekte unterstützen. In der Praxis haben sich hier interaktive Datenvisualisierungssoftwares wie Tableau oder Qlik Sense bewährt.

Generell hilfreich sind in diesem Zusammengang Drill-down-Funktionalitäten, welche es erlauben, die Treiber und Ursachen der wesentlichen Kostenarten detailliert nachzuvollziehen. Auch können diese dazu genutzt werden, um interaktiv mit den jeweiligen Bereichsverantwortlichen in Workshops zeitgleich konkrete Verbesserungsmaßnahmen zur Kostensenkung bottom-up zu erarbeiten und anschließend zu priorisieren.

Der Rückgriff auf einen derartigen toolbasierten Ansatz ist vor allem bei großen und komplexen Organisationen zu empfehlen. Zur Identifikation von organisatorischen Anomalien beispielsweise hat sich in der Praxis ein Vorgehen bewährt, welches die Organisationsstruktur nicht wie sonst üblich baumartig, sondern kreisförmig anordnet. Dies ermöglicht es, eine große Anzahl an Mitarbeitern sowie deren Reporting-Strukturen auf einen Blick anzuzeigen. Vordefinierte Filtereinstellungen gestatten es, die Mitarbeiter farblich nach bestimmten Kriterien wie Funktionsbereichen oder Regionen hervorzuheben. Hierdurch können Anomalien gut und schnell sichtbar gemacht werden.

Die Erfahrung zeigt, dass nach einer derartigen mehrdimensionalen Analyse üblicherweise bei 25–35 Prozent der Stellen organisatorische Anomalien identifiziert werden. Von diesen lassen sich manche erklären und fachlich begründen, andere wiederum nicht. Wie viele dann letztendlich beseitigt werden, hängt stark vom Leidensdruck und von der sich hieraus ergebenden Restrukturierungsnotwendigkeit der jeweiligen Unternehmen ab.

Inhaltlich eingebundenes PMO mit direkter Schnittstelle zur GuV und Cashflow-Rechnung

Letztendlich muss im Rahmen der Umsetzung der identifizierten Potenziale immer auch ein übergreifendes Project Management Office (PMO) inhaltlich in das Kostensenkungsprogramm eingebunden werden. So kann das PMO eine Verbindung zwischen operativen und finanziellen KPIs herstellen und unerwünschte Entwicklungen frühzeitig identifizieren und eskalieren. Darüber hinaus kann das PMO dank der inhaltlichen Einbindung den Projektfortschritt nicht nur berichten, sondern bei Bedarf einzelne Workstreams schnell operativ unterstützen. Um den Projektfortschritt aktiv beschleunigen zu können, gilt es daher, das PMO mit ausreichendem Durchgriff und Freiraum auszustatten. Hierfür ist ein hohes Commitment des Top-Managements unabdingbar. Nur so kommen die Effekte der Verbesserungsmaßnahmen auch in der GuV sowie in der Cashflow-Rechnung an.

Können auch wir Sie in Fragen rund um die Bereiche SG&A unterstützen, freuen wir uns auf Ihre Kontaktaufnahme.

Ihre Ansprechpartner zum Thema

Juliane Telega

Senior Manager | Financial Advisory