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Harmonisierung der Kreditprozesse im europäischen Bankensystem
Finalisierung der EBA-Leitlinien zur Kreditvergabe und -überwachung (EBA/GL/2020/06)
Die Europäische Bankenaufsicht (EBA) hat am 29. Mai 2020 die finalen Leitlinien als Antwort auf eine Anfrage der Europäischen Kommission in ihrem Aktionsplan 2017 zur Bekämpfung der hohen Anzahl notleidender Kredite in der EU veröffentlicht. Während in den letzten Jahren primär der Fokus auf dem Umgang mit notleidenden Krediten lag (vgl. Leitfaden der EZB aus März 2017 und der EBA aus Oktober 2018 sowie weiteren Anforderungen zur Offenlegung und Meldung) widmet sich die Aufsicht nun der Konkretisierung der Kreditprozesse im laufenden Kreditgeschäft.
Die Leitlinien konkretisieren die Erwartungen der Aufsicht an robuste und angemessene Standards, um sicherzustellen, dass neu vergebene Kredite ordnungsgemäß und insbesondere im Einklang mit den Verbraucherschutzvorschriften vergeben werden.
Die Standards berücksichtigen insbesondere die wachsende Bedeutung von Nachhaltigkeits-Faktoren (i.S.d. Environmental, Social und Governmental - ESG-Faktoren). Integriert wurden auch Aspekte zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sowie der zunehmende Einsatz automatisierter und statistischer Modelle und technologischer Innovationen bei der Kreditvergabe und Kreditbewertung.
Die Leitlinien gelten für Finanzdienstleitungsinstitute ab dem 30. Juni 2021. Die EBA hat jedoch eine Reihe von Übergangsregelungen im Zusammenhang mit COVID-19 und der Notwendigkeit, der Wirtschaft weiterhin Kredite zu gewähren, vorgesehen:
- für das Bestandsgeschäft gelten die Leitlinien ab dem 30. Juni 2022 sofern Neuverhandlungen oder Vertragsänderungen erforderlich sind
- hinsichtlich Datenanforderungen, Überwachungsrahmen und Infrastruktur wird eine Umsetzung zum 30. Juni 2024 eingeräumt.
Die Leitlinien umfassen folgende Inhalte:
- Kreditgovernance: Festlegung eines internen Führungs- und Kontrollrahmens für den Kreditvergabe- und Entscheidungsprozess; besondere Betonung der Risikokultur
- Konkretisierung der Anforderungen für die Bonitätsbeurteilung von Kreditnehmern differenziert nach den unterschiedlichen Kreditnehmerarten bzw. Risikopositionsklassen (z.B. Konsumentenkredite, Immobilienkredite, etc.) sowie dem Einsatz von innovativen Technologien
- Spezifizierung der Anforderungen an den Umgang mit Informationen und Daten im Zusammenhang der Umsetzung der Anforderungen
- Erwartungen der EBA für die risikobasierte Preisgestaltung von Krediten
- Ansätze zur Bewertung von Sicherheiten an unbeweglichem und beweglichem Vermögen zum Zeitpunkt der Kreditvergabe sowie im weiteren Verlauf zur Überwachung und Überprüfung
- Anforderungen an die laufende Überwachung des Kreditrisikos und der Kreditengagements, einschließlich regelmäßiger Kreditüberprüfungen der Kreditnehmer
Die Aufsicht betont, dass zur Sicherstellung einer nachhaltigen Kreditvergabe (i.S. der Berücksichtigung bzw. Einhaltung der ESG-Faktoren) jedes Institut spezielle Prozesse und Richtlinien implementieren soll. Demnach sind ESG-Faktoren und damit verbundene Risiken explizit in die Kreditrisikobereitschaft (“Risikoappetit”), das Risikomanagement, die Kreditrisikopolitik und -verfahren einzubeziehen. In Einklang mit diesem Rahmen sind bei der Vergabe bzw. der Überwachung ökologisch nachhaltiger Kredite spezifische Prozesse und Kontrollen zu definieren (z.B. hinsichtlich Mittelverwendung und Erlösquellen für Zins- und Tilgungsleistungen).
Die EBA Leitlinien geben hier zwar mögliche Inhalte und Anregungen zur Ergänzung interner Richtlinien speziell für nachhaltige Kredite vor, eine konkrete Ausgestaltung ist jedoch nicht enthalten, vielmehr wird auf weitere regulatorische Entwicklungen wie z.B. dem Klassifikationssystem für ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeit in der EU, der sogenannten Taxonomie, verwiesen.
Gefordert sind nach Ziffer 58 der Richtlinie:
- Eine Liste von Projekten, Aktivitäten und Kriterien, die nach Ansicht der Firmen für eine ökologisch nachhaltige Kreditvergabe in Frage kommen, oder einen Verweis auf einschlägige bestehende Normen zu diesem Thema
- Informationen zu umweltbezogenen bzw. nachhaltigen Geschäftszielen der Kreditnehmer
- Eine Bewertung der Konformität der Finanzierungsprojekte mit qualifizierten, ökologisch nachhaltigen Projekten/Aktivitäten und damit verbundenen Kriterien;
- Prozesse die sicherstellen, dass die Kreditnehmer bereit und in der Lage sind, die Verwendung der Erlöse angemessen zu überwachen und darüber zu berichten
- Prozesse zur regelmäßigen Überwachung der ordnungsgemäßen Zuteilung der Erlöse
Finanzdienstleitungsinstitute sollten qualitative und gegebenenfalls quantitative Ziele aufstellen, um sowohl die Integrität der nachhaltigen Kreditvergabe zu unterstützen als auch sicherzustellen, dass diese mit ihren allgemeinen klimabezogenen und ökologisch nachhaltigen Zielen in Einklang steht.
Wir unterstützen Sie gerne bei der effizienten Umsetzung der diversen fachlichen, prozessualen und Daten- bzw. IT-technischen Anforderungen. Ein beispielhaftes Projektvorgehen könnte wie folgt aussehen:
Falls Sie eine bankinterne Umsetzung planen, nehmen wir auch gerne mit Ihnen gemeinsam einen Health-Check mithilfe unseres Gaps-Tools vor. Entsprechende Anpassungen werden so im Abgleich mit bestehenden Anforderungen (im Wesentlichen die MaRisk) übersichtlich und systematisch visualisiert und zeigen den Umsetzungsbedarf auf.
Sprechen Sie uns gerne hierzu an!
Andrea Flunker
Senior Manager | Audit and Assurance
aflunker@deloitte.de
+49(0)-151-58000694
Marcus Germanus
Senior Manager | Consulting
mgermanus@deloitte.de
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