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Aktuelle Entwicklungen im Bereich der Finanzsanktionen und ihre Auswirkungen auf die Fondsbranche

In jüngster Zeit haben die Vereinigten Staaten neue Kapitalmarktsanktionen erlassen, die für die Fondsbranche in Deutschland zu erhöhten Haftungsrisiken führen können. Betroffene sollten prüfen, welche haftungsreduzierenden Maßnahmen im Einzelfall in Betracht kommen.

Ausgangspunkt

 
Finanzsanktionen
  • Mittels Finanzsanktionen zielen Regierungen darauf ab, die Zugriffsmöglichkeiten von bestimmten Personenkreisen (insbesondere Terroristen und andere Kriminelle, aber auch Staaten wie Nordkorea) auf wirtschaftliche Ressourcen und Zahlungsverkehrsdienstleistungen zu unterbinden. 
  • Zu diesem Zweck werden amtliche Listen mit den betreffenden Personen und Staaten bereitgestellt. Die Bereitstellung von Finanzierungsmitteln (im Falle von EU-Sanktionen) oder jegliche Art von Geschäftsbeziehungen (im Falle von US-Sanktionen) mit den sanktionierten Adressen ist verboten.
 
Kapitalmarktsanktionen
  • 2014 erfolgte anlässlich der Krim-Krise die Einführung einer neuen Art von Finanzsanktionen: Neben den bisherigen, rein personenbezogenen Sanktionen werden seitdem zusätzlich bestimmte Arten von Geschäften (insbesondere langfristige Finanzierungen) mit definierten Geschäftspartnern sanktioniert. 
  • Derartige Sanktionen (Kapitalmarktsanktionen oder Sektorale Sanktionen) wurden seinerzeit im wesentlichen gleichlautend sowohl seitens der EU (durch die Verordnung 833/2014) als auch seitens der USA (durch die Executive Order 13662) erhoben. Neben Personenlisten werden seitdem auch Listen mit den ISIN-Nummern betroffener Wertpapiere veröffentlicht. Die Konsequenzen sind weitreichend. Nicht nur der Handel mit Wertpapieren und Geldmarkinstrumenten von sanktionierten Emittenten ist verboten, sondern auch bestimmte Wertpapierdienstleistungen, beispielsweise Emissionsgeschäft oder Anlageberatung. Als Konsequenz müssen Verpflichtete nicht nur ihre Kundenstammdaten und den Zahlungsverkehr gegen entsprechende Listen filtern, sondern auch Depotbestände und den Wertpapierhandel

Was ist neu?

 
Aktuelle US-Sanktionen gegen chinesische Unternehmen
  •  Im November 2020 und Januar 2021 haben die Vereinigten Staaten mittels zweier Executive Orders (13959 und 13974) eine Reihe von chinesischen Unternehmen sanktioniert. Die Sanktionen umfassen ausdrücklich Wertpapiere, die von den betreffenden Unternehmen emittiert wurden.
  • Die Executive Order 13959 ist am 11. Januar 2021 in Kraft getreten. Ab diesem Zeitpunkt ist für die Verpflichteten kein Erwerb der betreffenden Wertpapiere mehr zulässig. Wertpapiere, die sich zu diesem Zeitpunkt im Bestand befanden, müssen bis November 2021 veräußert werden.
  • Vergleichbare Sanktionen durch die EU liegen nicht vor. 
 
Mögliche Folgen für Unternehmen in Deutschland
  • Aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung der betreffenden chinesischen Unternehmen unterhalten zahlreiche deutsche Unternehmen Geschäftsbeziehungen zu den sanktionierten Adressen, handeln mit deren Wertpapieren oder führen diese im Bestand. 
  • In derartigen Fällen ist zu prüfen, ob im Einzelfall eine extraterritoriale Wirkung der US-Sanktionen in Betracht kommt und, falls ja, ob sich ein Konflikt mit der europäischen Blocking-Verordnung oder dem deutschen Boykott-Verbot ergibt.
  • Zu beachten ist, dass Verstöße gegen US-Sanktionen mit empfindlichen Strafen geahndet werden, auch gegenüber Nicht-US-Unternehmen, bis hin zur persönlichen strafrechtlichen Haftung der handelnden Personen. Monetäre Sanktionen sind, abhängig vom Umfang des Verstoßes, bis in Milliardenhöhe möglich. 

Auswirkungen auf die Fondsbranche

 
Mögliche Anknüpfungspunkte für eine extraterritoriale Wirkung der US-Sanktionen (beispielhafte, nicht abschließende Aufzählung)
  • Sind US-Personen (US-Staatsbürger, Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft oder Greencard-Holder) in ein Sondervermögen investiert, in dem sanktionierte Papiere enthalten sind? Besitzen die betreffenden Personen Sparpläne, so dass es zu einem laufenden Neu-Investment kommt?
  • Besitzt die Kapitalverwaltungsgesellschaft oder ein verbundenes Unternehmen eine Tochtergesellschaft oder eine Niederlassung in den USA? Liegen unter den Anteilseignern der betreffenden Unternehmen US-Personen vor? 
  • Unterhält die Kapitalverwaltungsgesellschaft oder ein verbundenes Unternehmen eine US-Korrespondenzbankbeziehung? Werden Transaktionen auf USD-Basis abgewickelt? Werden Fondsbestände in USD geführt?
  • Ist sichergestellt, dass – neben den direkten Kundenbeziehungen – auch bei den wirtschaftlich Berechtigten (Ultimate Beneficial Owners) erhoben wird, ob es sich bei diesen eventuell um US-Personen handelt?
 
Haftungsreduzierende Maßnahmen (beispielhafte, nicht abschließende Aufzählung)
  • Sind geeignete Systeme (Sanktionsfilter, Listenmanagement) implementiert, um sanktionierte Papiere im Bestand sowie vor Abschluss von Transaktionen (ex-ante) zu identifizieren?
  • Ist ein Compliance Management System eingerichtet, das US-Finanzsanktionen berücksichtigt (in der Risikoanalyse, beim Kontrollkonzept, in den Schulungsmaßnahmen etc.)?
  • Sollten sich sanktionierte Papiere im Bestand (Eigenbestand oder Sondervermögen) befinden oder ein unerlaubter Handel stattgefunden haben, ist eine Selbstanzeige (Voluntary Self Disclosure) bei den zuständigen US-Behörden zu prüfen. 

Nächste Schritte

 

Wir empfehlen einen schlanken, stufenweisen Ansatz:

  1. Prüfung, ob im Einzelfall grundsätzlich eine extraterritoriale Wirkung der US-Sanktionen in Frage kommt
  2. Falls ja: Analyse, ob im Bestand oder im Handel ein Bezug zu sanktionierten Wertpapieren vorliegt – beispielsweise auch indirekt (z.B. über indexbezogene Produkte)
  3. Falls ja: Unterstützung bei der Frage, ob eine Selbstanzeige (Voluntary Self Disclosure) in Frage kommt; dann ggf. Unterstützung bei deren Erstellung
  4. Im Bedarfsfall: Identifizierung / Umsetzung weiterer Remediation-Maßnahmen, abhängig von einer diesbezüglichen Analyse des Compliance Management Systems (beispielsweise Filtersystematik, Review- und Eskalationsprozesse, KYC-Themen, Schulungswesen). 

 

Haben Sie Fragen oder Anregungen? Deloitte unterstützt Sie gerne bei der Klärung, ob eine Betroffenheit im Einzelfall vorliegt und welche haftungsreduzierenden Maßnahmen in Betracht kommen.