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IBOR-Reform: Übergang auf neue Referenzzinssätze

Von EONIA zu €STR

Der Übergang von EONIA zu €STR steht kurz vor der Tür. In diesem Zusammenhang stellen sich eine Reihe von Fragen. Zu rechtlichen Aspekten hat die sog. Arbeitsgruppe zu risikofreien Euro-Zinssätzen (working group on euro risk-free rates) am 15. Mai 2019 im Rahmen einer Konsultation einen Aktionsplan mit zahlreichen Empfehlungen vorgelegt.

Die Ablösung der IBOR-Referenzzinssätze entsprechend der seit dem 1. Januar 2018 gültigen EU-Benchmark-Verordnung bringt für die Marktteilnehmer zahlreiche Herausforderungen mit sich, die sowohl Produkte als auch Prozesse und Systeme betreffen. Ursprünglich war ein Übergangszeitraum bis zum 31. Dezember 2019 vorgesehen. Nach Einigung der Vertreter des EU-Parlaments und der Mitgliedstaaten läuft aktuell das Normsetzungsverfahren, die Frist für die Umsetzung der neuen EU-Regularien bis zum 31. Dezember 2021 zu verlängern.

Gleichwohl nimmt insbesondere die Umstellung von EONIA zu €STR (Euro Short-Term Rate) zunehmend Fahrt auf. Am 15. Mai 2019 hat die Arbeitsgruppe zu risikofreien Euro-Zinssätzen der EZB die dritte öffentliche Konsultation mit einer Kommentierungsfrist bis zum 12. Juni 2019, zum rechtlichen Aktionsplan bezüglich des Übergangs von EONIA zu €STR veröffentlicht. Vorangegangen sind die erste öffentliche Konsultation vom 21. Juni 2018 zur Bewertung ausgewählter risikofreier Zinssätze sowie die zweite öffentliche Konsultation vom 20. Dezember 2018 zur Bestimmung der Methodik für eine €STR-basierte Zinsstrukturkurve als Rückfalllösung für Kontrakte mit dem EURIBOR als Referenzzinssatz.
 

Hintergrund

Um eine geordnete Umsetzung zu gewährleisten, gaben EZB, FSMA, ESMA und die EU-Kommission in einer Pressemitteilung am 21. September 2017 den Einsatz einer sog. Arbeitsgruppe zu risikofreien Euro-Zinssätzen bekannt. Diese setzt sich aus Vertretern der Finanzmarktbranche sowie Beobachtern der o.g. Institutionen zusammen. Aufgabe ist es, alternative risikofreie Zinssätze sowie entsprechende Umstellungsmöglichkeiten zu identifizieren und zu empfehlen. Am 13. September 2018 hat die Arbeitsgruppe €STR als neuen kurzfristigen risikofreien Euro-Zinssatz empfohlen. Dieser soll ab dem 2. Oktober 2019 veröffentlicht werden.

Diesbezüglich hatte die Arbeitsgruppe am 14. März 2019 empfohlen, die derzeit geltende EONIA-Methodik für einen begrenzten Zeitraum auf €STR plus einem festen Spread umzustellen, um den Marktteilnehmern den Übergang auf €STR zu erleichtern. Am 31. Mai 2019 hat die EZB bekannt gegeben, dass der Spread zwischen €STR und EONIA auf 0,085% festgesetzt wird und vom European Money Market Institute (EMMI) ab dem 2. Oktober 2019 zur Rekalibrierung der EONIA-Methodik bis zu ihrer Außerkraftsetzung verwendet werden soll.

Der Fahrplan für den Übergang von EONIA zu €STR sieht folgende Schritte vor:

Rechtlicher Aktionsplan

Im Rahmen ihres Mandats hat die Arbeitsgruppe am 15. Mai 2019 eine Konsultation zu einem rechtlichen Aktionsplan für den Übergang von EONIA auf €STR veröffentlicht, einschließlich einer Reihe von Empfehlungen, die sich mit den rechtlichen Auswirkungen des Übergangs vom EONIA auf den €STR befasst. Der Aktionsplan bezieht sich auf zwei Ereignisse:

  • die vorgesehene methodische Änderung der Berechnung des EONIA am 2. Oktober 2019, d.h. dem Datum der Umstellung von EONIA auf €STR plus einem Spread, und 
  • die Außerkraftsetzung des EONIA Ende 2021.

Hierbei differenziert der Aktionsplan zwischen neuen sowie bestehenden Verträgen und enthält im Wesentlichen die folgenden Empfehlungen:

  • Für alle neuen Verträge mit EONIA-Referenz wird den Marktteilnehmern empfohlen, robuste Rückfallregelungen für den Fall der Einstellung von EONIA sowie den Hinweis vorzusehen, dass ab 2. Oktober 2019 Bezugnahmen auf EONIA als Bezugnahmen auf EONIA in der angepassten Methodik zu verstehen sind.
  • In Neuverträgen sollte nach dem 2. Oktober 2019 möglichst keine Bezugnahme mehr auf EONIA erfolgen – insbesondere sofern diese über den 31. Dezember 2021 hinauslaufen.
  • Für bestehende Verträge mit EONIA-Referenz, die nach Dezember 2021 fällig werden, sollten die Marktteilnehmer EONIA so schnell wie möglich ersetzen oder robuste Rückfallklauseln unter Bezugnahme auf die empfohlene EONIA-Rückfallrate aufnehmen. Die Anpassung dieser Verträge hat ggü. etwaigen Anpassungen der vor 2022 auslaufenden Verträge Priorität.

Sofern Neu- und Bestandsverträge mit einer Laufzeit über den 31. Dezember 2021 hinaus keine validen Rückfallklauseln vorsehen bzw. keine rechtzeitige Anpassung oder Aufhebung erfolgt, könnten sich in der Folge Unsicherheiten in Bezug auf die vertraglichen Verpflichtungen ergeben. 

Im Aktionsplan wird dabei auf Besonderheiten für verschiedene Produktgruppen, z.B. Anleihen, Darlehen oder Derivate eingegangen. In diesem Zusammenhang sollten die Marktteilnehmer insbesondere auch Master-Verträge wie die der International Swaps and Derivatives Association (ISDA) oder der Loan Market Association (LMA) berücksichtigen. Sofern für bestimmte Produkte keine geeigneten Vorlagen zur Verfügung stehen, sollte auf die von der Arbeitsgruppe entwickelten Vorlagen für Rückfallregelungen und bilaterale Änderungsvereinbarungen zurückgegriffen werden. Gleichwohl hat letztlich jeder Marktteilnehmer eigenständig zu entscheiden, inwieweit in den einzelnen Verträgen auf die Empfehlungen des rechtlichen Aktionsplans zurückgegriffen werden soll.

Die Vorschläge und Empfehlungen der Arbeitsgruppe werden in der Praxis überwiegend positiv beurteilt. An der Konsultation haben sich insgesamt 58 Marktteilnehmer – überwiegend aus dem Finanzsektor – beteiligt. Die Arbeitsgruppe wird über den Fortgang ihrer Beratungen informieren.

 

„Neuer“ EURIBOR

Am 3. Juli 2019 wurde eine wichtige Weichenstellung für den „neuen“ EURIBOR vorgenommen. Das European Money Markets Institute (Emmi) teilte mit, hat die belgische Finanzaufsichtsbehörde die beabsichtige hybride Berechnungsmethode des Referenzzinssatzes akzeptiert hat. Letztlich gilt sie als weniger manipulationsanfällig als die bisherige Berechnungsmethodik des EURIBOR. Emmi plant, die neue Methodologie bis zum Jahresende umzusetzen.

Damit hat sich für die Marktteilnehmer weitere Klarheit über die Umstellung der Referenzzinsen ergeben.
 

Weitere Herausforderungen

Neben den genannten Aspekten stellen sich mit der IBOR-Reform u.a. auch Fragen zu Bewertung, Risikomanagement sowie Bilanzierung. Für Unternehmen und Abschlussprüfer gilt es, die weiteren Entwicklungen zu verfolgen, die Auswirkungen zu analysieren sowie die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen.

 

Ihr Autor

Dr. Ralf Struffert
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