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Digitale Strategien im Mittelstand: Chancen und Heraus­forderungen

Studie: Wie mittelständische Unternehmen von neuen Business-Ökosystemen und digitalen Plattformen profitieren können

Eine Unternehmensstrategie auf Basis von Ökosystemen und digitalen Plattformen ist für viele Mittelständler noch eine Zukunftsvision. Dabei bieten Partnerschaften über Branchengrenzen hinweg völlig neue Möglichkeiten der Wertschöpfung.

Die Unternehmenslandschaft steht vor dem vielleicht stärksten Umbruch seit 100 Jahren: Noch vor Kurzem waren die Grenzen zwischen einzelnen Branchen klar abgesteckt und Unternehmen agierten in einem überwiegend stabilen Umfeld aus Kunden, Lieferanten und Wettbewerbern. Heute stellt die rasant voranschreitende Digitalisierung aber viele altbekannte und bewährte Strategien und Geschäftsmodelle infrage, und Branchengrenzen beginnen sich aufzulösen. Dieser Prozess beschleunigt sich derzeit in nie für möglich gehaltener Weise. Kein Zweifel: auch für bereits etablierte Unternehmen ändern sich die Regeln des Wettbewerbs gerade grundlegend und außerordentlich schnell.

Dieser disruptive Veränderungsprozess stellt Unternehmen vor ein Dilemma: Einerseits gilt es, bei der Innovationsdynamik mit agilen, digitalen Start-ups mitzuhalten, andererseits können sich etablierte Player nicht quasi über Nacht neu erfinden. Wenn sie konkurrenzfähig bleiben wollen, dürfen sie allerdings auch nicht auf ihrem einmal eingeschlagenen Kurs verharren. Großunternehmen und Konzerne knüpfen deshalb zunehmend neuartige und profitable Beziehungen zu anderen Marktteilnehmern: Diese Ökosysteme, international als „Ecosystems“ bezeichnet, stehen für innovative Business-Ansätze wie Crowdsourcing, Plattform-Ökonomie oder Start-up-Kooperationen. Aber auch Mittelständler folgen dem aktuellen Trend und widmen sich vermehrt dem Aufbau von Ökosystemen und digitalen Plattformen – mit dem Ziel, auf einer gemeinsamen, branchenübergreifenden Basis neue Werte für die Kunden und die Unternehmen selbst zu schaffen.

 

Digitale Strategien im Mittelstand

Ökosysteme, neue Geschäftsmodelle und digitale Plattformen

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Ökosysteme und digitale Plattformen als Erfolgsfaktoren

Mit Ökosystemen sind anfangs relativ lose Kooperationen mehrerer Unternehmen innerhalb einer Branche oder über Branchengrenzen hinweg gemeint. Ökosysteme sind somit reale oder virtuelle Unternehmensnetzwerke, wobei die international bekannten Beispiele wie Amazon, Apple, Facebook, Google, Uber und Airbnb zeigen, dass die Mehrheit der erfolgreichen Ökosysteme auf einer digitalen Plattform basiert. Daneben sind aber auch weitere Formen der Kooperation denkbar. Partnerschaften finden beispielsweise zunehmend auch in „normalen“ Unternehmensnetzwerken durch Informations- und Kommunikationstechnologien statt. Voraussetzung für ein funktionierendes Ökosystem ist jedoch, dass sich die Zusammenarbeit der Konkurrenten und Partner innerhalb und außerhalb von Branchengrenzen verändert.

Die im Rahmen der Studienreihe „Erfolgsfaktoren im Mittelstand“ veröffentlichte Deloitte-Studie Digitale Strategien im Mittelstand untersucht auf Grundlage der Befragung von 152 mittelständischen Unternehmen sowie 14 Fallstudien, wie mittelständische Gesellschafter und Manager die Herausforderungen, Chancen und Risiken von Ökosystemen, digitalen Geschäftsmodellen und Plattformen beurteilen – und in welchem Maße dieser Trend bereits im Mittelstand angekommen ist.

 

Aufbruch im Mittelstand

Als ein zentrales Ergebnis der Studie lässt sich festhalten, dass mittelständische Unternehmen beim Thema Ökosysteme zurzeit noch relativ am Anfang stehen. Vier von fünf befragten Mittelständlern (83 Prozent) war der Begriff „Ökosystem“ im Firmenkontext unbekannt. Aber: immerhin 53 Prozent der Befragten weisen Unternehmensnetzwerken, die sich maßgeblich von bisherigen Verbünden und klassischen Wertketten unterscheiden, eine hohe oder sehr hohe Bedeutung zu. Deren Nutzen sehen die Studienteilnehmer vor allem in einer verbesserten Kundenbeziehung, einer gezielteren Ansprache sowie einer genaueren Ausrichtung auf Kundenwünsche (74 Prozent). Als weitere wichtige Aspekte nannten sie die nachhaltige Optimierung der unternehmerischen Prozesse (73 Prozent), die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle (58 Prozent) sowie eine gesteigerte Effizienz in der Produktentwicklung (52 Prozent).

Die empirische Studie unterscheidet in der Erhebung auf Basis der Kennzahlen EBIT und RoI sowie der subjektiven Erfolgsskala von Venkatraman/Ramanujam erfolgreiche von weniger erfolgreichen mittelständischen Unternehmen.

 

Der Mittelstand befindet sich in einer Transformationsphase. Er weiß im Prinzip um die Bedeutung von Ökosystemen oder ahnt es zumindest. Auch zeigen die Ergebnisse eine intensive Beschäftigung mit dem Thema. So partizipieren einige Unternehmen bereits heute parallel an mehreren Ökosystemen oder bauen sogar eigene auf.

Lutz Meyer, Leiter Mittelstandsprogramm bei Deloitte

 

Spannend ist auch der Blick der Studie „Digitale Strategien im Mittelstand“ auf die Problemfelder, die Mittelständler hier wahrnehmen: Zur Frage nach den gravierendsten Herausforderungen, die sich für den Mittelstand aus dem Eintritt oder der Bildung von Ökosystemen ergeben, nannten die Unternehmen vorrangig die Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen (77 Prozent), das Teilen von wettbewerbsrelevanten Informationen (75 Prozent), das Fehlen klarer Haftungsregeln (75 Prozent) und die Sorge um die Datensicherheit (73 Prozent).

 

Wertschöpfungsmodelle in Ökosystemen

Von großer Relevanz für den Nutzen, den Unternehmen aus der Kooperation in Ökosystemen ziehen können, ist die Rolle, die sie innerhalb des Netzwerkes spielen. Generell lassen sich in einem funktionierenden Ökosystem vier Rollen unterscheiden:

  • Der Integrator beherrscht die Wertschöpfungskette und führt alle oder fast alle Aktivitäten entlang der Wertschöpfungskette in Eigenregie durch. Viele klassische Mittelständler wenden dieses Modell an, wie die Ergebnisse der Studie zeigen.
  • Der Layer Player ist ein Spezialist, der eine spezifische Dienstleistung (z.B. Logistik) in mehreren Wertschöpfungsketten oder Ökosystemen bereitstellt.
  • Der Market Maker fügt bestehenden Wertschöpfungsketten eine weitere Stufe, die des „Marktplatzes“, hinzu und macht so neue Kombinationsmöglichkeiten von Wertschöpfungsaktivitäten möglich. Dies ist im engeren Sinn ein Plattform-Modell, wie es durch Apple (iOS) oder Uber repräsentiert wird.
  • Der Orchestrator wählt anhand der Wertschöpfungskette die Aktivitäten aus, die wertschöpfend sind und die den Kernkompetenzen des eigenen Unternehmens entsprechen. Sonstige Aktivitäten werden durch andere Teilnehmer des Ökosystems ausgeführt. Beispiele wären hier adidas sowie Apple (im Bereich der Produktion von Smartphones).

 

Ökosysteme und digitale Plattformen: neue Potenziale fürs Geschäft erschließen

Die Studie zeigt: Viele mittelständische Unternehmen (58 Prozent) setzen bis heute auf eine hohe Fertigungstiefe. Sie agieren mehrheitlich als Integratoren und damit als Inhaber und Kontrolleure der Wertschöpfungskette. Bei den erfolgreichen Unternehmen der Studie ist dieser Anteil sogar überdurchschnittlich hoch. Dies muss kein Widerspruch zum Modell erfolgreicher Unternehmen der Plattform-Ökonomie sein. Denn diese erweitern ihre Geschäftsmodelle in neue Dimensionen.

Schon heute verkaufen fortgeschrittene Marktteilnehmer längst nicht mehr einfach nur linear Produkte und Dienste. Sie denken mehrdimensional und werden zum Anbieter von komplexen Lösungen. Diese Meinung scheint sich auch im Mittelstand durchzusetzen. So haben sich 55 Prozent der befragten Unternehmen aktiv entschieden, sich in Ökosysteme einzubringen. Und im Rahmen einer Einteilung in besonders erfolgreiche und weniger erfolgreiche Unternehmen zeigt sich, dass 78 Prozent der erfolgreichen Firmen Ökosysteme als wichtig erachten, bei den weniger erfolgreichen sind es acht Prozentpunkte weniger.

 

Mittelständische Ökosysteme sind heute noch vergleichsweise übersichtlich – die Zahl der Akteure bleibt einstellig. Was der Mittelständler jetzt in Angriff nehmen sollte, ist die Prüfung der strategischen Konsequenzen und technischen Umsetzbarkeit einer eigenen Plattformlösung, die Forcierung der Digitalisierung im Unternehmen sowie die Verbindung des entstehenden Ökosystems mit einer neuen, adäquaten Führungsstrategie, -struktur und -kultur

Lutz Meyer, Leiter Mittelstandsprogramm bei Deloitte

 

Fordern Sie hier die vollständige Studie „Digitale Strategien im Mittelstand – Ökosysteme, neue Geschäftsmodelle und digitale Plattformen“ an und erfahren Sie mehr darüber, wie mittelständische Unternehmen neue Ansätze für ihre künftige Ausrichtung entwickeln können.