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Mieter-App meets Wohnungswirtschaft

Können Apps die Performance von Wohnungsunternehmen verbessern?

Die Mieter-App, beworben als direkter Draht zum Mieter, als hervorragende Möglichkeit zur Verbesserung der Mieterkommunikation, verspricht nicht nur eine Steigerung der Kundenzufriedenheit sondern auch – aufgrund möglicher ganzheitlicher Prozessabwicklung – eine starke Verbesserung der Arbeitsabläufe. Schneller, einfacher, transparenter, koordinierter – so die Ankündigungen zumindest seitens der Entwickler. Die Mieter-Apps erreichen – wenn auch noch zögerlich – die Wohnungswirtschaft. Seit 2016 steigt die Anzahl der Wohnungsunternehmen, die verkünden „Wir sind digital!“.

Deloitte nimmt dies als Anlass kritisch zu reflektieren, ob die Anwendung einer Mieter-App quantifizierbare Effekte für die Geschäftsprozessorganisation eines Wohnungsunternehmens beinhaltet. Mit Unterstützung von Allthings, gehen wir der Frage nach: Können Mieter-Apps die Prozesseffizienz in Wohnungsunternehmen verbessern?

Für die Beantwortung der Frage vorab eine kurze Verortung typischer Geschäftsbereiche und ihrer Prozesse: Die Hauptgeschäftsprozesse der Wohnungsunternehmen sind i.d.R. in den Geschäftsbereichen Hausbewirtschaftung (kaufmännische und technische Bewirtschaftung) und Gebäudemanagement (Hauswarte, Reinigungsservice, Bau- und Regiehandwerker etc.) angesiedelt, ergänzt um Prozesse mit unternehmenssteuernder oder -unterstützender Funktion (u.a. Portfoliomanagement, Controlling, Rechnungswesen, Personal, Marketing & PR). Die Zuordnung der Prozesse zu den Geschäftsbereichen sowie deren Bezeichnung mag je nach Wohnungsunternehmen divergieren, jedoch ist die Grundstruktur weitestgehend vergleichbar.

Ebenfalls nach peer groups vergleichbar ist der quantitative und qualitative Personaleinsatz mit Mitarbeiterkapazitäten (MAK), d.h. wie viele Vollzeitkräfte werden mit welcher Qualifikation für eine angemessene Bearbeitung des Prozesses benötigt.

Die Hauptgeschäftsprozesse eines Wohnungsunternehmens sind analog zum Geschäftsmodell im Allgemeinen Massenprozesse mit einem erhöhten Anteil an einfacheren und repetitiven Aufgaben. Dem entsprechend ist der Personalbesatz in den operativen Bereichen höher als in den unternehmenssteuernden/ -unterstützenden Geschäftsbereichen und umfasst ca. 60 Prozent aller MAK.
 

Personalbesatz in den Geschäftsbereichen
Personalbesatz in den Geschäftsbereichen

Die Frage nach den quantifizierbaren Effekten einer Mieter-App lautet damit präzisiert: Wie viele MAK’s in welchen Geschäftsbereichen und -prozessen werden durch den Einsatz einer Mieter-App entlastet?

Hierzu inhärent ist das Verständnis, wie Mieter ihre Mieter-App im Kontakt mit dem Vermieter nutzen und welche Themen im Vordergrund stehen. Auskunft geben kann eine Auswertung von Allthings zu den in der Mieter-App Funktion „Service Center“ kommunizierten Themen.

Zum Auswertungszeitpunkt waren insgesamt 5.000 Nutzer registriert. In die Auswertung floss nur die Nutzung der Funktion „Service Center“ ein, nicht die der übrigen Funktionen wie Buchungsfunktion, Wohnungsdokumentation o.ä.. An dieser Stelle sei angemerkt, dass auch wenn Mieter-App Funktionen wie Pinnwand und Co. zunächst keinen direkten Effekt auf die Prozesseffizient des Vermieters haben, sie von besonderer Bedeutung für die Akzeptanz und Nutzung einer Mieter-App sind. Je mehr Mieter sich registrieren und vor allem je häufiger sie ihre Mieter-App nutzen, desto leichter können angestrebte Effizienzgewinne realisiert werden.

Die Analysen der „Services Center“-Funktion zeigen, dass – bis auf Fragen zur Handhabe der Mieter-App – ausschließlich klassische Mieter-Vermieter Themen tangiert werden. Vor allem für Schadensmeldungen nutzen die Mieter ihr digitales Service-Center.

Service Center
Nutzung der Funktion "Service Center" nach Themen

Das Ergebnis entspricht unserer Wahrnehmung, dass derzeit nahezu alle Mieter-Apps im deutschen Markt auf klassische Unternehmen-Kunden (B2C) Themen setzen und damit naturgemäß Geschäftsprozesse mit Mieterkontakt aus den Bereichen Gebäudemanagement/ Hauswartservice sowie Kaufmännischer und Technischer Bewirtschaftung erreichen:

Geschäftsprozesse mit Mieterkontakt
Geschäftsprozesse mit Mieterkontakt

Die Prozesse mit Kundenkontakt umfassen insgesamt 2/3 aller MAK im Wohnungsunternehmen. Im Folgenden werden sie genauer auf mögliche Effizienzeffekte durch Einbindung einer Mieter-App untersucht.

 

Allthings wurde 2013 als Spin-Off der ETH Zürich in Basel gegründet und ist am deutschen Markt tätig.

Für seine Lösung allthings.me wurde das Startup als digitaler Vorreiter mit zahlreichen Branchen-Preisen ausgezeichnet. Ihre Mieter-App ist modular aufgebaut und erlaubt per Einbindung von Micro-Apps vielfältige Anwendungen und Funktionen.

Instandhaltung - Fall Schadensmeldung

Ein Unternehmen mit ca. 30.000 Wohnungen hat p.a. ca. 25.000 Schadensfälle. Die Anzahl der Schadensmeldungen beläuft sich erfahrungsgemäß auf das 1,5fache. Das heißt ein Mitarbeiter des Unternehmens (oder ein von ihm Beauftragter) müsste 37.500mal einen Schaden begutachten bzw. die Sachlage beurteilen sowie im berechtigten Fall beheben (lassen). Fast jeder Mieter und jeder Vermieter kennt die Fülle von Ärgernissen, die allein in diesem simplen Vorgang stecken können.

Die Bearbeitung des Schadenfalls ohne Handwerkerkopplung (HWK) dauert ca. 150 Minuten. Mit HWK reduziert sich der zeitliche Aufwand bereits auf ca. 90 Minuten.

Meldet der Mieter den Schaden anhand eines strukturierten Menüs in der Mieter-App und übermittelt ebenfalls via App zwei aussagekräftige Fotos, erfolgt in einem automatisierten Prozess die Weiterleitung an einen zuständigen Mitarbeiter(-pool) zur Schadenseinstufung. Je nach Ergebnis muss der Schaden doch vor Ort vom nächsten Hausmeister besichtigt werden oder es erfolgt die direkte Beauftragung eines Handwerkers zur Schadenbehebung. Sowohl die Terminabstimmung mit dem Mieter als auch die Abnahme nach Reparatur kann digital optimiert werden. Insgesamt verkürzt sich der Prozess auf durchschnittlich ca. 30 Minuten.

Schadensmeldung - Bearbeitungsaufwand nach Prozessschritten
Schadensmeldung - Bearbeitungsaufwand nach Prozessschritten

Die überschlägige Rechnung zur Effizienzsteigerung mit einer Mieter-App ist vergleichsweise einfach: Mit HWK wird ca. 1h pro Schadensmeldung eingespart. Geht man von der durchschnittlichen Smartphone-Nutzung in Deutschland aus, könnten ca. 80% der Schadenfälle per Mieter-App gemeldet werden. Der Aufwand bemisst sich pro Jahr mit ca. 20.000h oder 2.500 Tage oder 11 MAK (bei Annahme eines 8h-Tages und 220 Arbeitstagen [AT] p.a.).

Über den Prozess Schadensmeldung im engeren Sinne hinaus, können Mehrfachmeldungen zu ein und demselben Schadensvorgang mit Einbindung einer Mieter-App verringert werden. Meldet ein Mieter bspw. einen Schaden via Mieter-App (s.o.), kann der Vermieter selbst pro-aktiv alle betroffenen Mieter via Mieter-App (Push-Mail) über den Schadensfall informieren. Sei es die Störung eines Aufzugs, der Heizung, Vandalismus oder die Überschwemmung im Keller. Er erspart sich und seinen Mietern weitere Meldungen zu einem bereits aufgenommenen Schaden.
Informiert der Vermieter zudem weiter über den Verlauf bzw. berichtet über die Behebung des Schadens, so sind keine weiteren Nachfragen seitens der Mieter zu erwarten.

Die Verringerung des Kommunikationsaufwands ist in Zahlen ausgedrückt vergleichsweise überschaubar. Nimmt man eine Minute Bearbeitungszeit je Mehrfachmeldung an, summiert sich dies im genannten Beispiel auf „nur“ 26 Arbeitstage p.a. oder 0,12 MAK – aber die Wirkung auf die Kundenzufriedenheit ist unbezahlbar.

Kundenbetreuung - Fall Meldung zu einer Mietangelegenheiten

Die Auswertung von Allthings zeigt, dass neben der Schadensmeldung über die Mieter-App eine Vielzahl weiterer Themen kommuniziert wird. Diese Themen sind i.d.R. im Geschäftsprozess Kundenbetreuung angesiedelt.

Für die Effizienzanalyse ist eine tiefere prozessbezogene Betrachtung an dieser Stelle von geringer Aussagekraft, da die Fallzahlen in den Teilprozessen mitunter sehr gering sind. So hat ein Wohnungsunternehmen mit 30.000 Wohnen ein Anfragen-/ Beschwerdeaufkommen von durchschnittlich ca. fünf Prozent p.a. Dies entspricht ca. 1.500 gemeldeten Fällen pro Jahr.

Der angenommene durchschnittliche Effizienzvorteil im Teilprozess Anfrage-/ Beschwerdemanagement beträgt mit Mieter-App ca. 30 Minuten je Fall. Wegen der geringen Fallzahl ist der Vorteil in MAK gemessen vernachlässigbar.

Kundenmeldungen - Bearbeitungsaufwand nach Prozessschritten
Kundenmeldungen - Bearbeitungsaufwand nach Prozessschritten

Von einem messbaren Effizienzvorteil für den Gesamtprozess Kundenbetreuung kann man ab etwa 2 MAK ausgehen. Die Herausforderung besteht somit über alle Teilprozesse durch den Einsatz einer Mieter-App dem Kundenbetreuer 20 - 30 Minuten am Tag „zu schenken“. Auch hier ist die Rechnung vergleichsweise einfach: 2 MAK entsprechen 8h an 220 Arbeitstagen im Jahr. Das sind insgesamt ca. 211.00min oder, bei einem branchentypischen MAK-Besatz, 20-30 Minuten je MAK.

 

Fazit

Die Berechnungen lassen vermuten: der Einsatz einer Mieter-App eröffnet bereits heute mit den am Markt beobachteten Themen und Features eine messbare Steigerung der Prozesseffizienz. Weitere Mieter-Vermieter Themen wie Betriebskostenabrechnung, Kündigung oder Neuvermietung bei Bestandsmietern werden in der Praxis erprobt, so dass die vorab skizzierten Prozesseffizienzen einen Aufsatzpunkt aber nicht das Ende markieren.

Noch offen ist, ob die Mehrwerte einer Mieter-App in Geschäftsbereiche mit mittelbaren oder ohne Kundenkontakt wie bspw. das Portfoliomanagement übertragbar sind. Naturgemäß liegen die Meinungen von App-Entwicklern und Wohnungsunternehmen bei der Frage nach dem Erreichbaren noch auseinander.

Fakt ist:  Die Veränderungen im Kommunikationsverhalten der Gesellschaft und insbesondere der Mieter erfordern von den Wohnungsunternehmen eine in sich schlüssige Reaktion. Die Einführung einer Mieter-App kann der Startpunkt einer digitalen Transformation im Wohnungsunternehmen sein und – bei erfolgreicher Implementierung – die Akzeptanz für weitere digitale „Projekte“ im Unternehmen erhöhen. Voraussetzung sind eine Veränderungsbereitschaft und eine Akzeptanz für digitale Innovationen in den maßgeblich betroffenen Geschäftsbereichen sowie eine vorbereitete Organisation.

Wir von Deloitte helfen Ihnen mit unserer Expertise Ihren optimalen Startpunkt zu finden – Digital Transformation meets Performance.

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