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Braucht Deutschland eine CO2-Steuer?

Um dem weltweiten Klimawandel entgegenzuwirken, hat die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen das Ziel, die Konzentration von Treibhausgasen zu begrenzen. Dafür muss jedoch der CO2-Ausstoß drastisch reduziert werden. Viele Länder besteuern deshalb Energieträger aufgrund ihres Treibhausgasausstoßes. Deutschland hingegen belegt Energieträger mit Mengensteuern. Bezieht man diese auf den jeweiligen Treibhausgasausstoße, ergibt sich eine umgekehrte CO2-Steuer: CO2-arme Technologien werden emissionsspezifisch derzeit stärker belastet als CO2-intensive. Wie die Deloitte-Experten in einem aktuellen Fachartikel argumentieren, kann nur ein Wechsel der Bemessungsgrundlage die Energiebesteuerung zu einem klimapolitischen Instrument machen.

Politikinstrumente zur CO2-Minderung

Deutschland selbst strebt an, seine Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40% gegenüber 1990 zu senken und bis Mitte des Jahrhunderts eine Minderung von 80%-90% erreichen. Die Treibhausgasminderung soll neben der Steigerung der Energieeffizienz und dem Ausbau erneuerbarer Energien auch durch verschiedene ordnungspolitische und marktwirtschaftliche Instrumente erreicht werden:

  • Strom- und Energiesteuer verteuern die Energienutzung
  • Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) fördert die erneuerbare Stromerzeugung
  • Erneuerbare Kraftstoffe werden fossilem Kraftstoff verpflichtend beigemischt
  • Die Energieeinsparverordnung (EnEV) steigert die Energieeffizienz von Gebäuden
  • Moderne Heizungssysteme werden durch Investitionszuschüsse gefördert
  • Der Europäische Emissionshandel (ETS) begrenzt die Menge der Treibhausgasemissionen der Stromerzeugung und einiger Industrien

Ein Instrument findet in Deutschland bislang jedoch keine Anwendung: eine Steuer auf die Emission von Treibhausgasen. Die Emissionen selbst müssen dafür meist nicht gemessen werden, da fossile Energieträger auf Basis der entstehenden Treibhausgase besteuert werden. Hinsichtlich der Besteuerungssystematik ähnelt die CO2-Steuer damit der Energiesteuer.
 

CO2-Steuer: Erfahrungen anderer Länder

Zahlreiche andere Länder und Regionen haben in der Vergangenheit bereits CO2-Steuern eingeführt: so hat beispielsweise Schweden seit 1991 eine CO2-Steuer, die graduell auf 120 € pro t CO2 erhöht wurde. Sie gilt für alle fossilen Energieträger, die nicht im Rahmen des EU ETS eingesetzt werden. Irland besteuert CO2-Emissionen nach einem ähnlichen Schema mit 20 € pro t. Großbritannien hat seit 2001 einen steuerähnlichen Mindestpreis von 18 GBP für CO2-Emissionen im Rahmen des ETS, der immer dann greift, wenn die Emissionszertifikate billiger sind. Darüber hinaus gibt es noch viel weitere Länder, die CO2-Emissionen besteuern, darunter fallen u.a. Dänemark, Finnland, Frankreich, Island, Japan, Schweiz, Teile von Kanada und den USA.

Bestandsaufnahme: Steuern auf Energie

Zwar erhebt Deutschland bislang keine explizite CO2-Steuer, belastet die Nutzung von Energie aber mit Verbrauchsteuern. Dies sind im Wesentlichen die Strom- und Energiesteuer. Der Einsatz von Energieträgern zur Stromproduktion wird vollständig von der Energiesteuer entlastet, um eine Doppelbelastung mit der Stromsteuer zu vermeiden. Die Bemessungsgrundlage der Strom- und Energiesteuer knüpft an die Menge der Energieträger oder den Energiegehalt. Die Steuersätze sind daher teilweise nur schwer vergleichbar.

Es ergibt sich eine implizite Steuerlast auf CO2, wenn man die bestehenden Steuern auf die bei der Energiebereitstellung ausgestoßenen Treibhausgase umlegt, d.h. den energiespezifischen Steuersatz durch die energiespezifischen Emissionen teilt. Da sich die bestehenden Steuern auf die Energiemenge beziehen, sind die impliziten, CO2-spezifischen Steuern zwingend höher, je niedriger die spezifischen Treibhausgasemissionen einer Bereitstellungsform sind.

So ergeben die Berechnungen beispielsweise beim Strom eine enorme Bandbreite von 20 bis 7.355 € je t CO2. Emissionen, die sich aus der Nutzung von Wasserkraft ergeben, werden demnach ca. 370-mal höher besteuert als jene aus Braunkohleverstromung.

Die indirekte und uneinheitliche Besteuerung von Treibhausgasemissionen mit Besserstellung CO2-intensiver Energieformen läuft einer kohärenten Klimapolitik diametral entgegen. Denn die verhältnismäßig hohe implizite Besteuerung von Emissionen aus erneuerbaren Energien in der Stromerzeugung trifft auf andere Politikinstrumente, die eine CO2-Minderung zum Ziel haben.

Vorschlag: Klimazentrierte Energiesteuern

Eine CO2-basierte Besteuerung (Inputbesteuerung oder Besteuerung des Verbrauchs) würde besonders erneuerbarem Strom zugutekommen und durch ein Verschieben der Steuerlast auch zur Elektrifizierung von Verkehr und Wärmebereitstellung beitragen. Darüber hinaus würde dies anreizen, Energiesparpotenziale im Gebäudebereich stärker auszuschöpfen. Bestehende Steuern um eine CO2-Komponente zu ergänzen, könnte die relativen Unterschiede verringern. Die absoluten Unterschiede in der CO2-spezifischen Besteuerung blieben aber bestehen.

 

Was ist zu tun?

Treibhausgasemissionen als maßgebliche Bemessungsgrundlage in der Energiebesteuerung würden gleiche Bedingungen für alle Energieformen schaffen. Dies wäre ein bedeutender Schritt in der Klimapolitik. Die großen Unterschiede in der steuerlichen Belastung von Treibhausgasemissionen würden eingeebnet und so ein integrativer Steueransatz geschaffen, der auf den Hauptnachteil der Energienutzung zielt: ihren Klimaeffekt.

Der Einführung eines solchen Instruments sollte allerdings eine ausführliche Wirkungsanalyse vorgelagert sein. So müsste z.B. untersucht werden:

  • wie sich CO2-Emissionen entwickeln und insbesondere Carbon-Leakage-Effekte vermieden werden können.
  • wie sich die Verbraucherpreise entwickeln und inwiefern so die Energienutzung beeinflusst bzw. Effizienzmaßnahmen angereizt werden.
  • wie die verschiedenen Marktteilnehmer auf der Angebotsseite betroffen wären, insbesondere in Bezug auf Umsätze, Ertragskraft und Mitarbeiter.

Beispielsweise müsste betrachtet werden, ob einzelstaatliche Maßnahmen die Wirksamkeit des ETS auf europäischer Ebene konterkarieren (Stichwort Carbon-Leakage oder Stromimporte aus anderen Ländern mit unterschiedlichem CO2-Footprint). Zudem wäre zu erwarten, dass Heizkosten zunächst erheblich steigen. Denn das aus sozialen und industriepolitischen Gründen bewusst niedrig besteuerte Erdgas für Heizen und Industrieprozesse würde abhängig vom CO2-Steuersatz vermutlich teurer. Dies ließe sich wahrscheinlich nur teilweise und zeitversetzt durch Effizienzmaßnahmen oder günstigere Heiztechnologien ausgleichen.

Den vollständigen Fachartikel "Braucht Deutschland eine CO2-Steuer?" von Dr. Konstantin Zech und Bernd Lindner von Deloitte können Sie hier abrufen.