Article

Transformation der Versicherungswirtschaft – ein Sektor im Umbruch

Neue Herausforderungen erfordern neue Lösungen: Aktuelle Megatrends setzen die Risk & Compliance Funktion von Versicherern unter Handlungsdruck

Digitalisierung und neue Geschäftsmodelle, demographische Entwicklungen, veränderte Risiken und Verschiebungen im Gesamtrisikoportfolio – die Rahmenbedingungen für die Versicherungsbranche verändern sich dramatisch. Auch die Risk & Compliance Funktion ist davon betroffen. Sie begleitet den digitalen Umbruch des Operating Models zukunftsorientiert und schafft so einen Beitrag für die wichtigsten Auswirkungsfelder wie Governance, Effizienz und Personal. Ein Überblick der Herausforderungen und Lösungsoptionen.

Von digitaler Innovation über neue Marktteilnehmer bis zu globalen Megatrends: Die Versicherer müssen sich auf einen umfassenden Wandel einstellen. Sie antworten darauf mit neuen Produkten und nutzen dafür die Potenziale der digitalen Technologien. Diese Entwicklung ist von einer unvermeidlichen Logik: Digitale Ansätze ermöglichen in Zukunft effizientere Prozesse, transparentere Preisfindung und verbesserte Risikoselektion. Das führt zugleich aber langfristig zu einer potenziellen Margenerosion. Ein naheliegender Ausweg ist die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Dabei tun sich aber neue Risiken und Problembereiche auf. Und damit kommen auch auf Querschnittsfunktionen wie Risk & Compliance fordernde Aufgaben zu. Schließlich müssen sie den Wandel wachsam und proaktiv mitgestalten. Was sind die wichtigsten Trends, und welche Lösungswege bieten sich an?

 

Megatrends verändern das Umfeld

Eine Vielzahl weltweiter Entwicklungen setzt Versicherer derzeit unter Zugzwang. Viele davon sind natürlich auch in anderen Bereichen der Wirtschaft relevant – und haben dennoch besondere, weitreichende Implikationen für die Branche: Überalterung der Gesellschaft, Klimawandel und Urbanisierung. Das Konsumentenverhalten ändert sich, neue Generationen von Kunden wie die Millennials stellen veränderte Erwartungen an Dienstleistungen und Customer Experience. Zugleich ändert sich durch die demographischen Trends die Struktur der eigenen Workforce der Versicherungskonzerne, die ihre Beschäftigtenzahlen nach unten fahren müssen. Sie dürfen dabei aber auch nicht zu schnell vorgehen, wenn sie das Risikomanagement und andere Funktionen nicht gefährden wollen. Neue digitale Effizienzhebel sind dabei eine wertvolle Unterstützung. Der Digital-„Werkzeugkoffer“ hält hierfür etliche Optionen bereit.

Die Digitalisierung ermöglicht es aber auch unkonventionellen Playern, mit neuen Angeboten in den Versicherungsmarkt zu treten, etwa Technologie- und Plattformkonzernen wie Amazon oder Google. Etablierte Unternehmen müssen daher äußerst wachsam sein und den neuen Marktteilnehmern am besten mit eigenen neuen Geschäftsmodellen begegnen, etwa durch B2B2C-Ansätze. Vielversprechend für Innovationen ist der aktuelle Trend zu einer immer engeren Vernetzung unterschiedlicher Sektoren. Die Entwicklung von Cross-Ecosystems schafft Verflechtungen von Unternehmen über Branchengrenzen hinweg, die Kooperationen zu beiderseitigem Nutzen ermöglichen. So können Versicherer gemeinsam mit Healthcare-, Logistik- oder Automotive-Firmen innovative Produkte in ganz anderen Kundenkreisen vermarkten. Mit den neuen Technologien und Geschäftsfeldern geht dann aber auch unweigerlich eine Reihe von erheblichen neuen Risiken und Herausforderungen einher, welche die gewohnten Dimensionen sprengen. Eine enorme Aufgabe für Risk & Compliance. 

 

Neue Technologien, neue Geschäftsmodelle, neue Risiken

Innovative Produkte sichern die Zukunft der Branche. Kein Wunder, dass unter Hochdruck entwickelt wird. Ein Beispiel für ein solches Angebot ist eine Autoversicherung mit Prämie in Abhängigkeit von einer digital ermittelten Fahrerbewertung. Ansätze dieser Art bringen zunächst versicherungstechnisch intrinsische neue Risiken mit sich. Darüber hinaus entstehen dabei auch Risiken entlang der nun viel komplexer gewordenen Prozesskette. Mit der Komplexität steigt zugleich die Verletzlichkeit, was die Anforderungen an den Daten- und Prozessschutz erhöht. Die neuen Risiken lassen sich allgemein in die folgenden drei Felder einteilen: ethische Risiken, Compliance Risiken und operationale Risiken.

 

1. Ethische Risiken

Eines der attraktivsten digitalen Innovationsfelder ist die Künstliche Intelligenz. KI-basierte Entscheidungsfindung ist oft schneller und günstiger als die Abarbeitung durch den Menschen. Mit KI treten aber ethische Risiken auf den Plan, die auch im Versicherungsgeschäft relevant werden. So zum Beispiel die potenzielle Diskriminierung bestimmter Kundenkreise, wenn KI implizite Vorurteile in ihren ursprünglichen Data Sets verstärkt und in die Entscheidung einfließen lässt. Etwa wenn der Algorithmus aufgrund falsch interpretierter Korrelationen systematisch Frauen gegenüber Männern benachteiligt.

 

 

2. Compliance Risiken

Immer mehr Daten und Prozesse wandern heute in die Cloud – auch in der Versicherungswirtschaft. Ein attraktives Modell mit vielen Outsourcing-Möglichkeiten. Doch die damit einhergehenden Datensicherheits-Risiken verursachen zwangsläufig neue Compliance-Probleme. Die Datenspeicherung und -verarbeitung durch Drittanbieter muss bestmöglich gegen Cyber-Bedrohungen abgesichert sein. Der Versicherer haftet schließlich auch für das ausgelagerte Third-Party-Risiko. Er sollte daher bei der Kontrolle mit dem Drittanbieter zusammenarbeiten. Grundsätzlich müssen auch Regulierungen wie die EU-Datenschutzgrundverordnung eingehalten werden. Je nach Jurisdiktion können sich die lokalen Regelungen erheblich unterscheiden, was für einen internationalen Anbieter erhebliche Komplikationen mit sich bringt. 

 

3. Operationale Risiken

Risiken entstehen auch durch die immer schnellere Abwicklung von Geschäftsvorgängen. In der digitalen Wirtschaft erwartet der Kunde heutzutage maßgeschneiderte Dienstleistungen in Echtzeit, zum Beispiel bei der Nutzung per Smartphone. Mobile Apps werden auch in der Versicherungsbranche immer wichtiger, etwa im Bereich der Reise- oder Unfallversicherung. Ein Versicherer muss hier aber eine schwierige Abwägung treffen, wenn die Geschwindigkeit der Entscheidung über den Vertragsabschluss mit einer gründlichen Überprüfung des Risikos in Konflikt steht.

Daneben ist auch das Thema Human Capital relevant: Neue digitale Geschäftsmodelle funktionieren nur, wenn auch die Mitarbeiter entsprechend digital aufgestellt sind. Doch im aktuellen Umfeld wird es immer schwieriger, die passenden Kräfte auf dem Arbeitsmarkt zu finden. Versicherer müssen daher eine Firmenkultur entwickeln, die für die „Digital Talents“ attraktiv ist.

 

Ein Update für die Governance

Was bedeuten diese vielzähligen Herausforderungen für Risk & Compliance? Für die Experten von Deloitte ist klar: Das bisherige Kontrollmodell muss deutlich angepasst werden. Besonderer Handlungsbedarf besteht in den Feldern Governance, Effizienz und Personal. Zunächst der Blick auf das Thema Governance. Wie wird sie für die Zukunft der Versicherung neugestaltet?

 

Die neuen Risiken erfassen

Für die Governance kommt es jetzt darauf an, die neuen Risiken auch entsprechend zu erfassen und zu verarbeiten. Viele davon fallen in den Bereich Non-Financial Risk (NFR), der heutzutage immer wichtiger wird. Das betrifft etwa Reputationsrisiken, wo Schäden in der Digital-Ära schnell enormes Ausmaß annehmen können. Als Rahmen für einen konsistenten Umgang mit nicht-finanziellen Risiken hat Deloitte das NFR Management Framework entwickelt. Auf der Grundlage einer vollständigen und klar strukturierten Taxonomie wird dabei ein umfassender Identifikationsprozess erarbeitet. Erkannte Risiken werden mittels geeigneter Methoden quantifiziert und/oder qualitativ bewertet. Das Monitoring und Reporting erfolgt quer durch die Verteidigungslinien, Richtlinien und Prozeduren werden im Unternehmen klar definiert und übergreifend harmonisiert. Schließlich muss der Risikoappetit im Bereich NFR mit der übergeordneten Strategie in Einklang gebracht werden. 

 

Die drei Verteidigungslinien stärken

Three Lines of Defense: Dieses bewährte Governance-Modell existiert schon lange. Im Zeitalter der Digitalisierung muss es allerdings für die neuen Aufgaben fit gemacht und grundlegend erweitert werden. Das alles unter dem Vorzeichen einer verstärkten Zusammenarbeit der drei Linien.

Die erste Linie wird in Zukunft im operativen Alltagsgeschäft mehr Verantwortung für Risiken übernehmen müssen. Da Kernprozesse in Vertrieb und Schadenabwicklung zunehmend automatisiert werden und die Prozessgeschwindigkeit steigt, ist der Aufbau einer neuen Risikokultur nötig, ein eigenständig Risiko-bewusstes Handeln der Mitarbeiter. Eine besondere Organisationseinheit für „First Line Testing“ prüft, ob Kontrollmechanismen greifen. In Zeiten agiler Produktentwicklung muss dabei Kontrolle auch schon frühzeitig in der Development-Phase stattfinden.

In der zweiten Linie ist ein neues Maß an technologischer Expertise gefragt, um die veränderte Risikolandschaft adäquat einschätzen zu können. Die Funktion des Chief Risk Officers wandelt sich zunehmend zum strategisch weitsichtigen Risikonavigator. Sein Sachverstand ist insbesondere auch im Hinblick auf regulatorische Entwicklungen gefragt. Denn derzeit ist bei einigen Entwicklungen noch unklar, in welche Richtung die Regulierung gehen wird: Werden Technologie-spezifische oder eher Technologie-neutrale, globalere Regelungen die Zukunft darstellen? Abzuwarten, bis diese schlussendlich verabschiedet sind, ist für die Versicherer keine Option – denn es gilt, schon jetzt mit Weitsicht und Mut in innovative digitalen Technologien zu investieren, um nicht vom Wettbewerb überholt zu werden.

Auf der Ebene der dritten Linie ist vor allem die Weiterentwicklung vom punktuellen ex-post Auditing hin zum Continuous Monitoring wichtig. Immer schnellere Real-Time-Technologien erfordern eine ununterbrochene Pulsmessung der Risiko- und Compliance-Aspekte. Die Digitalisierung so gut wie aller Prozesse mit permanenter Protokollierung macht sie möglich. Technologien wie Process Mining oder die innovativen Prüfungssoftware DNAV sind hier Beispiele aus der Praxis. 

 

Mit weniger Aufwand mehr erreichen

Wenn Versicherungen die Potenziale der Digitalisierung nutzen wollen, ist der Einsatz technologischer und organisatorischer Effizienzhebel Pflicht. Digitale Methoden kommen in den Kernfunktionen bei der Umsetzung neuer Produkte zum Tragen, die teilweise revolutionäre Implikationen für das Geschäft haben. Zum Beispiel durch Straight Through Processing, das in der Versicherungswirtschaft immer wichtiger wird. Die automatisierte Datenverknüpfung im Sinne einer „Dunkelverarbeitung“ hat weitreichende Konsequenzen für das Operating Model. Etwa was die Schadensmeldung angeht, bei der zukünftig in manchen Sachbereichen beispielsweise Sensoren via Internet of Things einen Schadensfall selbsttätig melden können. In anderen Themenfeldern führen KI-Ansätze zu vollautomatischer Entscheidungsfindung. Das Risikomanagement unterstützt solche Entwicklungen – und setzt im eigenen Bereich ebenfalls Optimierungspotenziale um. Fortgeschrittene Data Analytics Lösungen wie das Deloitte-Tool TrueVoice liefern zukünftig bessere Datengrundlagen für die Compliance. Mit dieser Hightech-Lösung kann beispielsweise problematisches Verkaufsverhalten erkannt werden, was eine besseres Management des regulatorischen Risikos erlaubt.

Durch die Effizienzsteigerung mittels Digitalisierung entstehen neue Herausforderungen, die auf das Geschäftsmodell der Versicherer erheblichen Einfluss haben könnten. Generell gestattet die Erfassung umfangreicher Daten, die Selektion von Risiken sehr viel punktgenauer zu steuern. Das ist zunächst positiv: So kann etwa ein sportlicher Versicherungsnehmer mit guten Fitnessdaten in den Genuss niedrigerer Prämien kommen. Diese Punktgenauigkeit untergräbt aber potenziell den gesellschaftlich gewünschten Solidargedanken der Versicherung: Wer versichert zukünftig die „schlechten Risiken“? Wird der Staat hierfür eigene Auffanggesellschaften gründen oder den Versicherern entsprechende Bedingungen auferlegen? Andererseits führen die verbesserte Effizienz, Preistransparenz und Risikoselektion zu verschärftem Wettbewerb und damit einer unaufhaltsam voranschreitenden Margenerosion. Gewissermaßen laufen Versicherer somit Gefahr, das eigene Geschäftsmodell ad absurdum zu führen. Hierauf kann, wie schon angesprochen, die Erarbeitung neuer Geschäftsfelder im Rahmen von Cross-Ecosystems eine Antwort sein.

 

Ein neues „People Set-up“: Thema Personal

Menschen machen Wandel möglich – oder auch unmöglich, wenn die Mitarbeiter nicht mitziehen: Nach Studienerkenntnissen von Deloitte ist die Ursache für das Scheitern einer Transformation in über 80% aller Fälle Widerstand durch die Workforce. Um diese in die digitale Zukunft mitzunehmen, braucht es neben Schulungen und Trainings einen generellen Kulturwandel – und vor allem auch zukunftsfähiges Führungspersonal, das es zu identifizieren, zu gewinnen und weiterzubilden gilt. Neue Zeiten verlangen neue Skills, die sich zu bewährten Merkmalen wie etwa Integrität hinzugesellen müssen. Neue Priorität erhält Mut als Charaktereigenschaft – eine Grundvoraussetzung für die Gestaltung des Wandels. Die anstehende Transformation erfordert außerdem digitale Skills, die bislang im von Mathematikern und Juristen dominierten Bereich Risk & Compliance vergleichsweise wenig prominent sind. Dazu kommt die Fähigkeit zu agilem Handeln. Ob es um Teamführung geht, um die Interaktion mit Stakeholdern oder die Weiterentwicklung der Funktion: Ein Arbeiten jenseits eingeschliffener Routinen wird immer wichtiger.

Zu einer weiteren essenziellen Komponente wird aus Sicht Deloittes eine betont kundenzentrierte Perspektive. Sie ist etwa in der zweiten Verteidigungslinie noch wenig verbreitet, teils mangels direkter Business-Erfahrung. Schließlich bekommt die Kollaborationsfähigkeit als Leadership-Skill eminente Bedeutung: Ohne cross-funktionale Zusammenarbeit auf Augenhöhe lässt sich die Transformation nicht stemmen. Digital Leadership ist viel mehr nur eine Frage der Technologie.

 

Die Zukunft der Versicherungsbranche gestalten – mit Deloitte

Die Versicherungswirtschaft steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Neue Einflussfaktoren wirken von unterschiedlichsten Seiten auf die Risk & Compliance Funktion ein. Um so wertvoller ist beim Schritt in die Zukunft ein Berater mit tiefer und zugleich breiter Fachexpertise. Bei der Transformation steht Deloitte Versicherungen hilfreich zur Seite – und zwar in folgenden drei Kernbereichen.

 

1. Risk Adivsory Insurance Transformations-Dienstleistungen

Erstens unterstützt Deloitte Unternehmen bei der Transformation des Geschäftsmodells. Wir unterstützen Versicherer dabei, gemeinsam den Weg in die neue Welt effizienter zu gestalten. So werden die Anpassung und Umgestaltung des Operating-Modells sauber umgesetzt und dabei regulatorische Anforderungen an Zielbild und Transformation adäquat reflektiert.

 

2. Compliance Dienstleistungen

Deloitte unterstützt Versicherer bei der Ausgestaltung von Internen Kontrollsystemen entsprechend der rechtlichen Rahmenbedingungen über alle wesentlichen Prozesse des Unternehmens hinweg. Außerdem hilft Deloitte dabei zu verstehen, was die regulatorischen Anforderungen sind, die sich aktuell durch den digitalen Wandel ergeben. Eine Einschätzung der zukünftigen regulatorischen Entwicklungen in bislang unregulierten Bereichen ist ebenfalls wertvoll – etwa für die Abwägung, ob sich bestimmte digitale Investitionen heute schon lohnen.

 

3. Risk Advisory Services im Kernversicherungsumfeld

Schließlich entwickeln wir Risiko-adjustierte Methoden und neue Geschäftsmodelle gemeinsam mit Versicherern, um beispielsweise Themen wie Underwriting, Schadensmanagement und Produktentwicklung neu zu gestalten. Das ist hilfreich sowohl bei der Digitalisierung im Kernversicherungsumfeld als auch bei der Entwicklung von B2B2C-Ansätzen und lukrativen Cross-Ecosystems.

Damit liefert Deloitte ein mehrdimensionales Angebot, das sämtliche Aspekte der Transformation der Versicherungswirtschaft aus einer Hand abdeckt. Der zielgenaue Zuschnitt der Service Offerings, die außerordentliche fachliche Kompetenz auf allen relevanten Gebieten und das weltweite Expertennetzwerk bringen greifbaren Mehrwert bei der Entwicklung von Kundenlösungen. Das macht Deloitte zum idealen Partner für den Wandel im Bereich Risk & Compliance.