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Besteuerung der Kundenanlage folgt eigenen Regeln

Die Abgrenzung zwischen "Kundenanlage" und "Energienetz der allgemeinen Versorgung" spielt in steuerlicher Hinsicht eine entscheidende Rolle. Denn Kundenanlagen unterliegen nicht der diffizilen energierechtlichen Regulierung. Strom, der innerhalb einer Kundenanlage erzeugt und verbraucht wird, ist i. d. R. von den Netzentgelten sowie netzseitigen Umlagen und Abgaben befreit. Tino Wunderlich, Director bei Deloitte, erklärt, welche Besonderheiten sich für die Besteuerung von Kundenanlagen unter stromsteuerlichen Gesichtspunkten ergeben können.

VCD: Herr Wunderlich, wie sieht denn die Ausgangslage bei der Stromsteuer aus? Welche Unterschiede gibt es bei der Besteuerung zwischen Kundenanlagen und Energienetzbetreibern?

Wunderlich: „Die Stromsteuer folgt seit jeher eigenen Regeln. Der Grund ist, dass das Stromsteuergesetz älter ist als das EnWG, welches die Energienetze reguliert. Auch begrifflich geht das Stromsteuerrecht vom Versorgungsnetz aus. Dieses umfasst alle Leitungen und Umspannvorrichtungen eines Versorgers. Eine Aufspaltung in Teilnetze kommt nach Auffassung des Bundesfinanzhofes nicht in Betracht. Dies gilt auch dann, wenn der Versorger mehrere Betriebsstätten unterhält, unabhängig davon, ob er dort mit Strom versorgt wird oder den Strom selbst produziert. Wenn ein Stromnetz allerdings ausschließlich dem Eigenverbrauch des sog. Eigenerzeugers dient, liegt ein solches Versorgungsnetz nicht vor. 

Bis zum 31.12.2017 galt dies als gesichert. Ab dem 1.1.2018 hat der Verordnungsgeber aber neue Ausnahmen vom stromsteuerlichen Versorger definiert. Darin nimmt er Bezug auf den Begriff der Kundenanlage im Sinne des § 3 Nr. 24 a und b EnWG. Dies ist neu. Zukünftig führen Stromlieferungen in einer Kundenanlage nicht zwangsläufig zu einer Versorgerstellung. Nur, wenn der in einer kleinen Anlage von bis zu 2 MW eigenproduzierte Strom innerhalb der Kundenanlage geliefert wird, gilt der Betreiber als partieller Versorger.“


VCD: Das klingt an sich noch nicht so kompliziert …

Wunderlich: „Die Tücke liegt aber im Detail: Die neuere OLG-Rechtsprechung zur Kundenanlage im Sinne des § 3 Nr. 24 a und b EnWG (Regel: Energienetz, Ausnahme: Kundenanlage) wird durch eine Zweifelsregelung zugunsten des Vorliegens einer Kundenanlage umgekehrt für das Stromsteuerrecht angewandt. Da hilft m.E. auch nicht weiter, wenn der Verordnungsgeber eine Art „Optionsrecht“ eingeführt hat, denn der insoweit gestellte Antrag – zugunsten der Versorgerstellung – steht im Ermessen des Hauptzollamtes. Dieses lässt eine Ausnahme von der Ausnahme nur dann zu, soweit Steuerbelange dadurch nicht gefährdet erscheinen. Man wird sehen müssen, wie die Hauptzollverwaltung mit der Zweifelsregelung und den dargestellten Ausnahmen umgeht.“


VCD: Wie wirkt sich die Klassifizierung als Kundenanlage bzw. Energienetz auf die Erfüllung steuerlicher Pflichten – beispielsweise die Abgabe von Steuererklärungen und Steuerzahlungen – aus?

Wunderlich: „Die Kenntnis der eigenen Versorgerstellung bzw. der des Vertragspartners ist essentiell, da davon abhängt, wer Steuerschuldner der Stromsteuer ist. Regelmäßig wird es der lokale Energieversorger sein, insbesondere dann, wenn die Ausnahmen vom Versorger einschlägig sind. Dieser muss die Stromsteuer anmelden und an das Hauptzollamt abführen. Als indirekte Steuer kann er die Stromsteuer aber seinem Vertragspartner in Rechnung stellen, sei es, dass er die Stromsteuer im Strompreis einkalkuliert hat, sei es, dass er die Stromsteuer offen ausweist. Letzteres ist zumindest dann zu empfehlen, wenn der Kunde Stromsteuerentlastungen beantragen will.“


VCD: Wieso sollten Unternehmen die Rechtslage im Hinblick auf ihre Steuerlast jetzt genau prüfen?

Wunderlich: „Gute Frage. Klare Antwort: Das Risiko ist einfach zu hoch. Dazu ein Beispiel: Versteuern beide, kommt es zunächst zu einer – grundsätzlich heilbaren - Doppelbesteuerung. Allerdings sind hier Fristen zu beachten. Werden diese nicht beachtet, hat zumindest einer der Beteiligten das Nachsehen. Versteuert keiner von beiden, bleibt die Stromlieferung zunächst unversteuert. Dies schadet nicht nur dem Steueraufkommen des Fiskus, sondern in diesem Fall besteht das Risiko des Vorwurfs einer Steuerhinterziehung oder zumindest einer leichtfertigen Steuerverkürzung.

Klare und frühzeitige Absprachen zwischen den Vertragsparteien – gegebenenfalls unter Einschaltung der Hauptzollämter - können dieses Risiko erheblich reduzieren.“


VCD: Gibt es auch gewerbesteuerliche Aspekte, die es zu beachten gilt?

Wunderlich: „Die Neuregelungen des Stromsteuerrechts bei Stromlieferungen in Kundenanlagen zielen nach dem Willen des Gesetzgebers auf Vereinfachungen bei sog. Mieterstrommodellen ab. Nicht jeder Vermieter soll die Pflichten eines Versorgers erfüllen müssen. Was wie ein Vorteil bei der Stromsteuer klingt, kann bei der Gewerbesteuer schnell zum Nachteil werden. Denn bei der Gewerbesteuer ist zu beachten, dass bestandshaltende Vermietungsunternahmen die sog. gewerbesteuerliche Grundbesitzkürzung in Anspruch nehmen können. Danach unterliegt der Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt, nicht der Gewerbesteuer. Entgeltliche Stromlieferungen von Vermietern an ihre Mieter führen dazu, dass dieses Privileg entfällt und nicht nur die Entgelte für den Strom, sondern sämtliche Vermietungserträge der Gewerbesteuer unterliegen.

Damit steht einem nur administrativen Vorteil bei der Stromsteuer eine zum Teil erhebliche Steuerlast bei der Gewerbesteuer gegenüber. Denkbar sind auch hier andere Gestaltungen, um letzteres zu vermeiden. Von daher ist eine genaue Prüfung der individuellen Mieterstrommodelle auch vor dem Hintergrund der Gewerbesteuer zu empfehlen. Dies gilt zumindest bis zu einer Neuregelung des Gewerbesteuerrechts. Ob und wann dies kommt, ist derzeit allerdings offen. Bei der Einführung der EEG-Förderung für Mieterstrommodelle konnte der Gesetzgeber sich dazu nicht durchringen, obschon im ‚Eckpunktepapier Mieterstrom‘ des Bundeswirtschaftsministeriums bereits Ansätze dazu vorhanden waren.“


Vielen Dank für das Interview!

Das Interview führte Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro