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Tax CMS zur Optimierung von Steuerprozessen
Das unterschätzte Potenzial eines Tax Compliance Management Systems
Bei den meisten CMS-Einführungen stehen Themen wie Haftungsminimierung oder Rechtssicherheit im Vordergrund. Dabei wird ein anderer wichtiger Faktor oftmals übersehen: die steuerliche Prozessoptimierung. Wir zeigen, wie Steuerabteilungen größtmögliche Vorteile aus einem Tax Compliance Management System ziehen können.
Hintergrund
Warum sollen wir ein Tax-Compliance Management System (CMS) einführen? Eine Frage, mit der Leiter der Steuerfunktion in Unternehmen immer wieder konfrontiert werden. Ein Tax-CMS ist vor dem Hintergrund der Vermeidung von Steuerstrafverfahren sinnvoll. Doch daneben ist ein Tax CMS auch ein wertvolles Instrument zur Verbesserung des Prozessverständnisses und der Prozesseffektivität. Im Rahmen der Umsetzung eines Tax CMS sollte demnach auch die Chance genutzt werden, die relevanten Finanzprozesse unter allgemeinen betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu beleuchten.
Anfangsphase des Tax CMS-Projekts: Analyse der steuerlichen Prozesse
Zu Beginn eines Tax CMS-Projektes steht typischerweise die Dokumentation der Ist-Prozesse auf dem Programm. Dabei stehet v. a. die Beschreibung steuerlicher Vorprozesse (Buchhaltung, Vertrieb, Einkauf) einschließlich der Festlegung der jeweiligen Zuständigkeiten im Fokus. Der Grund: steuerliche Risiken lassen sich erfahrungsgemäß insbesondere in den Vorprozessen finden - somit liegt hier auch das größte Potenzial zur Optimierung steuerlicher Prozesse.
Prozesse bzw. deren Dokumentation sind auch bei der verfahrensrechtlich orientierten Risikovermeidung von Bedeutung: Nur, wenn die genaue Abfolge der Prozessschritte hinreichend bekannt ist und das korrespondierende Risiko bis auf Prozessschrittebene hinunter identifiziert wurde, können entsprechende Prozessverbesserungen bzw. Kontrollen umgesetzt werden.
Zur Dokumentation oder zum Design von steuerlichen Prozessen bietet sich eine Workflow-basierte Darstellung nach dem sogenannten BPMN-Standard mit Tools wie Signavio, BIC oder MS Vision an. Eine effektive Alternative zur Prozessvisualisierung bietet auch die Prozessaufnahme nach dem Globalen Prozessansatz von Deloitte.
Welche Rolle spielt die Technologie in einem Tax CMS?
Darüber hinaus ist noch auf das Zusammenspiel zwischen steuerlichen Prozessen und Technologie einzugehen. Eine fortschreitende Prozess-Standardisierung geht Hand in Hand mit zusätzlichem Technologieeinsatz und entsprechendem Prozessverbesserungspotential. Ein Beispiel: Die Einführung von ERP-Systemen (wie z.B. SAP) in Unternehmen hat dazu geführt, dass Einkaufs- und Vertriebsprozesse sowie die damit verbundenen Prozesse der Buchführung weitgehend automatisch erfolgen – einschließlich entsprechender Kontrollen wie Funktionstrennung über Workflow-Komponenten.
Solche mittel- bzw. langfristigen strukturellen Prozessanpassungen sind allerdings von "Quick-Fixes" zu unterscheiden. „Quick-Fixes“ ergeben sich z.B. im Rahmen von Workshops oft automatisch als Folge der Prozessbesprechung. So können im Workshop beispielsweise Wissenslücken oder Missverständnisse zwischen Steuerfunktion und Einkauf aufgeklärt und unmittelbar durch Anpassungen z.B. einer Checkliste reduziert werden.
Zu betonen ist, dass vor dem Hintergrund des BMF-Schreibens vom 23.05.2016 zum „Innerbetrieblichen Kontrollsystem für Steuern“ (Steuer IKS) sowie der Rechtsprechung (z.B. dem sogenannten „Neubürger-Urteil“) Zufälligkeiten im steuerlichen Kontrollumfeld aus verfahrensrechtlicher Sicht nicht mehr hinnehmbar sind. Unternehmen sollten sich, sofern noch nicht geschehen, zeitnah damit beschäftigen, welche Maßnahmen sie zur Prozessoptimierung kurzfristig konkret umsetzen möchten, um Prozesse sowohl aus betriebswirtschaftlicher Sicht als auch aus verfahrensrechtlicher Sicht zu verbessern. Technologieprojekte wie die Einführung von SAP S/4 Hana bieten – richtig umgesetzt – die Chance einer mittel- bzw. langfristigen Prozessoptimierung im Steuerbereich.