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Smartphone 2019: Interview zu aktuellen Mobilfunktrends

Welche Technologien und Entwicklungen prägen den Mobilfunkmarkt?  

Dr. Andreas Gentner leitet bei Deloitte europaweit den Industriebereich Technology, Media und Telecommunications (TMT). Seit der ersten Ausgabe ist er Autor des deutschen Global Mobile Consumer Survey, für den hierzulande jährlich mehr als 2.000 Mobilfunknutzer befragt werden. Insgesamt gaben für die Studie in diesem Jahr über 54.000 Konsumenten aus 35 teilnehmenden Ländern Auskunft über ihr Nutzungsverhalten.

Andreas Gentner, der neue Deloitte Global Mobile Consumer Survey ist veröffentlicht und liegt mittlerweile in seiner achten Ausgabe vor. Welche wesentlichen Entwicklungen zeigen die Studienergebnisse für das Mobilfunkjahr 2019?

AG: Unabhängig von unserer Studie: Die großen Themen heißen im Augenblick 5G und Künstliche Intelligenz (KI). Beide werden die Branche in den kommenden Monaten prägen, gerade auch in der öffentlichen Diskussion. Bei den Mobilfunknutzern sind 5G und KI aber noch nicht angekommen. Das künftige Angebot von 5G halten gerade einmal 40 Prozent der von uns Befragten für wichtig, und mobile KI-Anwendungen werden häufig nicht einmal als solche wahrgenommen. Es zeigt sich wieder einmal: Konsumenten sind an komplexen Technologien nicht interessiert, für sie steht stattdessen der dahinterliegende Use Case stärker im Mittelpunkt. Über diesen und die Betonung des Mehrwerts müssen Anbieter entsprechende Dienste dann auch kommunizieren und vermarkten. Das war übrigens schon bei LTE so, und dies wird bei 5G und KI ähnlich sein.

 

Ein weiterer Trend sind mobile Sprachassistenten, die ja ganz maßgeblich auf Künstlicher Intelligenz aufsetzen. Was sind die Erkenntnisse in diesem Bereich?

AG: Auch hier ist die Euphorie größer als die tatsächliche Nutzung. Gerade einmal 16 Prozent der deutschen Mobilfunknutzer verwenden die smarten Sprachassistenten auf ihrem Smartphone oder Tablet. Auch hier fehlt es offenkundig noch an überzeugenden Anwendungen, denn die Sprachassistenten werden mehrheitlich für eher simple Aufgaben eingesetzt. Ganz oben auf der Liste stehen die allgemeine Informationssuche und das Abfragen des Wetterberichts. Interessantes Detail am Rande: Die Skepsis ist nicht alleine ein deutsches Phänomen, auch in den anderen Ländern werden Sprachassistenten nur schleppend angenommen.

 

Für die Studie wurden Konsumenten in 35 Ländern interviewt, hieraus sind doch sicher Rückschlüsse möglich. Sind die Deutschen bei Mobilfunk-Innovationen nicht bereits von anderen Nationen abgehängt?

AG: Nein, davon kann keine Rede sein. Bei Sprachassistenten und Gerätekategorien wie Smart Watches liegen wir sogar im internationalen Vorderfeld. Was jedoch auffällt, ist die enorme Technik-Begeisterung in China. Wir können in der Studie den Vergleich ziehen mit „Urban China“, also der städtisch geprägten, chinesischen Elite. Diese spielt bei der Verbreitung und Nutzung moderner Mobilfunkangebote tatsächlich in einer anderen Liga. In Japan dagegen ist man in dieser Hinsicht deutlich zurückhaltender als hierzulande.

 

Tatsächlich hat sich die Mobilfunknutzung in Deutschland in den vergangenen Jahren stark verändert. Am deutlichsten wird dies vermutlich am Siegeszug von WhatsApp & Co. Hat sich dieser fortgesetzt?

AG: Ja, das hat er. 81 Prozent der Befragten haben innerhalb der letzten Woche WhatsApp oder einen anderen der Mobile Instant Messaging-Dienste verwendet. Im Vorjahr lag der Anteil hierzulande noch bei 73 Prozent. Mobile Instant Messaging ist also inzwischen in allen Alterssegmenten Mainstream. Bemerkenswert dabei ist auch die Tatsache, dass dieser Erfolg nicht zu Lasten der guten, alten E-Mail geht. Denn auch deren Nutzung steigt weiter: 67 Prozent der Befragten verwenden sie regelmäßig auf ihren mobilen Endgeräten, letztes Jahr waren es nur 60 Prozent. Die E-Mail darf als relevanter Kommunikationskanal also keinesfalls vorschnell abgeschrieben werden.

 

Bleiben wir bei mobilen Diensten. Wie sehen die neuesten Zahlen zur Nutzung von Plattformen wie Facebook, Instagram oder Snapchat aus?

AG: Alle Plattformen haben bei den Nutzerzahlen zugelegt, einige aber deutlich schneller als andere. Instagram ist der große Gewinner: Hier liegt der Nutzeranteil inzwischen bei 34 Prozent, damit ist Instagram gegenüber dem Vorjahr um 26 Prozent gewachsen. Mit WhatsApp, Facebook, Facebook Messenger und Instagram liegen Plattformen aus dem Facebook-Konzern in der Gunst der Nutzer ganz vorne. Insgesamt ist bei der Plattform-Nutzung immer weniger ein „entweder oder“ gefragt, sondern ein „sowohl als auch“. Das bedeutet: Mobilfunknutzer sind zunehmend auf mehreren Plattformen unterwegs.

 

Auch vor dem Hintergrund der immer stärkeren Plattform-Nutzung: Machen sich die Konsumenten keine Sorgen hinsichtlich Schutz und Sicherheit ihrer Daten?

AG: Sorgen machen sie sich schon, sie ziehen aber keine Konsequenzen. Es ist schon eine höchst widersprüchliche Situation: 75 Prozent der Befragten beunruhigt, dass Online-Unternehmen Ihre persönlichen Daten möglicherweise mit Dritten teilen. Aber weiterhin werden Informationen an solche Anbieter bewusst übermittelt und Geschäftsbedingungen ungelesen akzeptiert. Nur zehn Prozent der Deutschen lesen immer die AGBs, bevor sie diese annehmen. Anbieter müssen bei Datenschutz und Datensicherheit also eher rechtlich-regulatorische Maßnahmen fürchten als das fehlende Vertrauen ihrer Nutzer.

 

Mit dem Mobile Consumer Survey untersuchen Sie seit Jahren auch die Entwicklungen im Bereich Mobilfunkvertrieb und Kundeninteraktion. Ist hier erkennbar, wann der Online-Kanal den stationären Shop in der Fußgängerzone endgültig ersetzt haben wird?

AG: Dieser Trend ist nicht erkennbar, im Moment geht die Entwicklung sogar in eine andere Richtung. Die stationären Shops wurden im Vergleich zum Vorjahr stärker frequentiert. Stammgäste sind dort überraschenderweise gerade die jungen Mobilfunknutzer. Das bedeutet aber nicht, dass die Anbieter Hotline und Online-Kanal vernachlässigen sollten. Konsumenten erwarten heute einen überzeugenden Kanal-Mix und interagieren auf unterschiedlichsten Wegen mit ihrem Mobilfunkanbieter. Die Stärke der stationären Shops liegt dabei in der persönlichen Beratung und der Möglichkeit, neue Endgeräte unmittelbar auszuprobieren. Mit neuen Service-Angeboten können die Shops sogar noch weiter aufgewertet werden. 40 Prozent der Befragten wünschen dort Reparaturdienste für gebrochene Smartphone-Displays.

 

Lassen Sie uns einen Blick in die Zukunft werfen. Wie wird sich mobile Kommunikation verändern, was werden wir in den kommenden Ausgaben des Mobile Consumer Survey lesen?

AG: Die eher evolutionäre Entwicklung der jüngeren Vergangenheit im Bereich Consumer Mobility wird sich fortsetzen. Das Smartphone bleibt das Super-Device. Hardware, Netzinfrastrukturen und Dienste werden aber noch leistungsfähiger und führen so zu einem deutlichen Fortschritt bei der mobilen User Experience. Dabei spielen 5G und KI eine wesentliche Rolle. Beide Themen behalten wir natürlich in den nächsten Ausgaben des Mobile Consumer Survey im Auge. Dann werden wir vermutlich auch sehen, ob die intelligenten Sprachassistenten von den Mobilfunknutzern stärker angenommen werden.

 

Dr. Andreas Gentner, Leiter Technology, Media & Entertainment EMEA